Signatur: BStU, MfS, ZOS, Nr. 2541, Bl. 17-20
400 Mitarbeiter der Stasi waren im Einsatz, um das Lindenberg-Konzert abzusichern. Der vorliegende Abschlussbericht dokumentiert die Maßnahmen des MfS rund um den Auftritt.
Am 25. Oktober 1983 spielte Udo Lindenberg zum ersten und vor dem Mauerfall einzigen Mal in der DDR. 15 Minuten dauerte der Auftritt des westdeutschen Rockers beim so genannten "Friedenskonzert" der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Ostberlin. Der Auftritt löste bei der Stasi einen umfangreichen Einsatz aus. Das war auch deshalb der Fall, weil Udo Lindenberg ein steter Kritiker der DDR-Verhältnisse war. Dementsprechend misstrauisch betrachtete die Stasi auch seine zumeist jugendlichen Fans. Um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu sichern, waren am Tage des Konzertes über 400 Mitarbeiter im Einsatz. "Zuführungspunkte" für festgenommene Personen wurden eingerichtet und die S-Bahnhöfe im Stadtzentrum sowie die Fernbahnhöfe überwacht. Der vorliegende Abschlussbericht dokumentiert die Maßnahmen der Stasi am Tag des Lindenberg-Konzertes.
Berlin, 26. Oktober 1983
Abschlußbericht zur politisch-operativen Sicherung des "Abschlußkonzertes der Liedertournee der FDJ" am 25. 10. 83 in Berlin, Hauptstadt der DDR, Palast der Republik
Der Sicherungseinsatz wurde auf der Grundlage bestehender zentraler dienstlicher Befehle und Weisungen und den Maßnahmeplänen der am Sicherungseinsatz beteiligten Diensteinheiten des MfS vorbereitet und durchgeführt.
In Vorbereitung der Veranstaltung wurden auf der Grundlage des Fernschreibens vom 6. 10. 1983 des Stellvertreters des Ministers, Gen. Generalleutnant Mittig, und der Einweisung der Leiter der Abteilungen XX der Bezirksverwaltungen am 20.10.1983 durch den Leiter der Hauptabteilung XX von den Bezirksverwaltungen gezielte Maßnahmen zur Verhinderung der Anreise negativ-dekadenter und feindlicher Personen durchgeführt.
Es wurden keine operativen Hinweise zu verstärkten Anreisen sowie zu beabsichtigten feindlichen Aktivitäten dieser Personenkreise erarbeitet.
Die eingeleiteten operativen Kontrollmaßnahmen der in Berlin eingesetzten Kräfte des MfS ergaben, daß von Ausnahmen abgesehen, keine verstärkten Anreisen negativ-dekadenter Jugendlicher erfolgte. Durch Kontrollen und Dokumentationen wurde ein Teil identifiziert, an der weiteren Aufklärung dieser Personen wird gearbeitet.
Die Veranstaltung verlief ohne Vorkommnisse und das politische Ziel dieser Friedensmanifestation wurde erreicht.
An ihr nahm auch der BRD-Sänger Udo Lindenberg teil.
Er wurde am 25. 10. 83 um 12.10 Uhr an der GÜST Invalidenstr. von 2 Mitarbeitern des ZR der FDJ mit einem Pkw abgeholt.
In seiner Begleitung befanden sich 13 Personen (darunter 8 Musiker und die Techniker seines Ensembles, sein Manager, seine Freundin und eine freischaffende Journalistin), die sich mit einem VW-Bus sofort zum Palast der Republik begaben.
Die Grenzpassage bei der Einreise verlief ohne Vorkommnisse.
Im grenznahen Raum führte das ZDF von 12.10 Uhr bis 12.23 Uhr ein kurzes Interview mit Lindenberg durch.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Der Zentrale Operativstab (ZOS) wurde 1970 gegründet. Seine Aufgaben waren der Betrieb des operativen Lagezentrums mit 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung von Meldungen/Informationen und Führung der Gesamtübersicht zur Sicherheitslage und bestimmten Vorkommnissen (Bomben- und Sprengstoffanschläge, Brandlegungen, Überfälle, Geiselnahmen, Attentate, Erpressungen, Havarien, Vorkommnisse an der Grenze, "staatsfeindliche Hetze", Demonstrationen/Demonstrativhandlungen usw.) wie auch Durchführung von sichernden Aktionen und Einsätzen anlässlich herausragender Ereignisse der Partei- und Staatsführung.
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Signatur: BStU, MfS, ZOS, Nr. 2541, Bl. 17-20
400 Mitarbeiter der Stasi waren im Einsatz, um das Lindenberg-Konzert abzusichern. Der vorliegende Abschlussbericht dokumentiert die Maßnahmen des MfS rund um den Auftritt.
Am 25. Oktober 1983 spielte Udo Lindenberg zum ersten und vor dem Mauerfall einzigen Mal in der DDR. 15 Minuten dauerte der Auftritt des westdeutschen Rockers beim so genannten "Friedenskonzert" der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Ostberlin. Der Auftritt löste bei der Stasi einen umfangreichen Einsatz aus. Das war auch deshalb der Fall, weil Udo Lindenberg ein steter Kritiker der DDR-Verhältnisse war. Dementsprechend misstrauisch betrachtete die Stasi auch seine zumeist jugendlichen Fans. Um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu sichern, waren am Tage des Konzertes über 400 Mitarbeiter im Einsatz. "Zuführungspunkte" für festgenommene Personen wurden eingerichtet und die S-Bahnhöfe im Stadtzentrum sowie die Fernbahnhöfe überwacht. Der vorliegende Abschlussbericht dokumentiert die Maßnahmen der Stasi am Tag des Lindenberg-Konzertes.
Der amerikanische Sänger Harry Belafonte wurde gegen 12.45 Uhr vom Kandidaten des Politbüros des ZK der SED und 1. Sekretär des ZR der FDJ, Egon Krenz, auf dem Flugplatz Berlin-Schönefeld begrüßt. An der Begrüßung nahm Udo Lindenberg teil. Von ihm gingen keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten aus. Belafonte wurde von seiner Ehefrau und weiteren 15 Personen begleitet (Musiker und Techniker seines Ensembles sowie die Sängerin Reeves, Dianna, die ebenfalls bei der Veranstaltung auftrat).
Die internationale Pressekonferenz, an der 83 Journalisten aus dem NSA, darunter Korrespondenten von ARD, ZDF, "Frankfurter Allgemeine Zeitung", DPA und 45 Journalisten aus der DDR teilnahmen, verlief ohne Vorkommnisse. Sie wurde von Hartmut König, Sekretär des ZR der FDJ geleitet. Die Fragen der Journalisten wurden von Perry Friedman, Harry Belafonte, Janna Bitschewskaja und Udo Lindenberg beantwortet.
Vom Süddeutschen Rundfunk wurde an Lindenberg die Frage gestellt, ob er nicht fürchte, da es in der DDR 2 Friedensbewegungen gebe, daß die bundesdeutsche Friedensbewegung sich von ihm distanziere, wenn sie erfahre, daß er mit seinem Auftreten im Palast der Republik die staatliche Friedensbewegung in der DDR unterstütze. Lindenberg ging auf den provokatorischen Inhalt der Frage nicht ein und betonte, daß er im Palast der Republik gern auftrete und sich überall für den Frieden einsetze.
Auf die Frage der "FAZ" nach einer DDR-Tournee Udo Lindenbergs wurde von Hartmut König, Sekretär des ZR der FDJ, dahingehend geantwortet, daß für den Sommer 1984 eine Städtetournee vereinbart sei und ein Vertrag vorliege.
Harry Belafonte verurteilte den Einfall der USA-Truppen in Grenada und betonte, daß er ein gutes Verhältnis zum Volk und den ermordeten Führern Grenadas gehabt habe. Weiterhin erklärte er auf eine entsprechende Frage eines westlichen Journalisten, daß er die Anwesenheit der Sowjetunion in Afghanistan nicht befürworte. Der Kommunismus und die Sowjetunion wären jedoch nicht daran Schuld, daß die USA andere Völker überfalle und in weiten Teilen der Welt großes Elend herrsche. Er trete entschieden dafür ein, daß weder "Pershing", "Cruise Millies" noch "SS 20" aufgestellt werde.
In der Akademie der Künste fand unter Teilnahme von Udo Lindenberg die feierliche Übergabe der Berufungsurkunde als Korrespondierendes Mitglied an Harry Belafonte von 17.00 Uhr bis 18.30 Uhr statt. An ihr nahm ein Kreis geladener Gäste teil. Sie verlief ohne Vorkommnisse. Bei der An- und Abfahrt waren keine Personenansammlungen vor dem Objekt.
Der Zentrale Operativstab (ZOS) wurde 1970 gegründet. Seine Aufgaben waren der Betrieb des operativen Lagezentrums mit 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung von Meldungen/Informationen und Führung der Gesamtübersicht zur Sicherheitslage und bestimmten Vorkommnissen (Bomben- und Sprengstoffanschläge, Brandlegungen, Überfälle, Geiselnahmen, Attentate, Erpressungen, Havarien, Vorkommnisse an der Grenze, "staatsfeindliche Hetze", Demonstrationen/Demonstrativhandlungen usw.) wie auch Durchführung von sichernden Aktionen und Einsätzen anlässlich herausragender Ereignisse der Partei- und Staatsführung.
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Bericht über die Pressekonferenz mit Harry Belafonte und Udo Lindenberg in Ost-Berlin Dokument, 2 Seiten
Aktivitätenplan am Tag des Udo-Lindenberg-Konzertes im Palast der Republik Dokument, 2 Seiten
Udo Lindenberg bei der Pressekonferenz am 25.10.1983 1 Fotografie
Udo Lindenberg bei seinem Konzert am 25.10.1983 im Palast der Republik 1 Fotografie