Signatur: BStU, MfS, ZAIG. Nr. 14327, Bl. 2-28
Im September 1989 gründete sich das Neue Forum. Das Ministerium des Innern (MdI) lehnte es ab, dieses als Vereinigung zuzulassen. In enger Abstimmung mit der Staatssicherheit entwickelte das Ministerium Begründungen dafür.
Am 9. September gründete sich das Neue Forum in Grünheide bei Berlin. Einen Tag später veröffentlichte die Gruppe einen Gründungsaufruf, in dem sie die gestörte Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft sowie eine Reihe konkreter Missstände in der DDR kritisierte. Einige Tage später beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung, welche durch das Ministerium des Innern (MdI) umgehend abgelehnt wurde. Als Begründung dafür verwies das MdI lediglich auf den angeblich verfassungsfeindlichen Charakter der Vereinigung, ohne sich mit konkreten Inhalten auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der DDR-Gesellschaft ein genereller Wandel vollzogen. Spätestens im Oktober 1989 fanden die Forderungen des Neuen Forums allgemeine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. In enger Abstimmung von Ministerium für Staatssicherheit und MdI wurden im Herbst 1989 Begründungen entwickelt, um neugegründete Parteien und Bürgerbündnisse abzulehnen.
"Entscheidungen zur Eingabe des Rechtsanwalts Dr. jur. Gysi in Interessenwahrnehmung der Bürgerinnen Bohley und Seidel zur Nichtbestätigung der Anmeldung der beabsichtigten Gründung einer Vereinigung "Neues Forum"
Entscheidungsvorschläge zum differenzierten Vorgehen bzw. zur Beantwortung von Eingaben und Einsprüchen erarbeitet. Sie sind der
"Übersicht über vorliegende Anmeldungen zur Gründung von Vereinigungen und den Stand der Bearbeitung" (Anhang)
und den dieser Übersicht beigefügten Anlagen zu entnehmen.
2. Zu vorliegenden Schreiben im Zusammenhang mit der Anmeldung der Vereinigung "Neues Forum"
Mit Stand vom 03.11.1909 liegen im Ministerium des Innern 452 Schreiben von Bürgern, Arbeitskollektiven, Hausgemeinschaften, Studenten und Arbeitskreisen der Kirche, die sich für die Zulassung der Vereinigung "Neues Forum" einsetzen, mit 9.334 Unterschriften aus allen Bezirken vor. Schwerpunkte bilden die Bezirke Dresden mit 196, Leipzig mit 59, Berlin mit 36 und Karl-Marx-Stadt mit 33 Schreiben. Derartige Schreiben liegen auch in einem erheblichen Umfang in den Räten der Bezirke und Kreise vor.
Die im Ministerium des Innern vorliegenden Schreiben beinhalten:
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG. Nr. 14327, Bl. 2-28
Im September 1989 gründete sich das Neue Forum. Das Ministerium des Innern (MdI) lehnte es ab, dieses als Vereinigung zuzulassen. In enger Abstimmung mit der Staatssicherheit entwickelte das Ministerium Begründungen dafür.
Am 9. September gründete sich das Neue Forum in Grünheide bei Berlin. Einen Tag später veröffentlichte die Gruppe einen Gründungsaufruf, in dem sie die gestörte Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft sowie eine Reihe konkreter Missstände in der DDR kritisierte. Einige Tage später beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung, welche durch das Ministerium des Innern (MdI) umgehend abgelehnt wurde. Als Begründung dafür verwies das MdI lediglich auf den angeblich verfassungsfeindlichen Charakter der Vereinigung, ohne sich mit konkreten Inhalten auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der DDR-Gesellschaft ein genereller Wandel vollzogen. Spätestens im Oktober 1989 fanden die Forderungen des Neuen Forums allgemeine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. In enger Abstimmung von Ministerium für Staatssicherheit und MdI wurden im Herbst 1989 Begründungen entwickelt, um neugegründete Parteien und Bürgerbündnisse abzulehnen.
Der Inhalt der Schreiben bringt im Wesentlichen zum Ausdruck, daß die Vereinigung "Neues Forum" deshalb notwendig ist, weil die bereits existierenden Parteien und gesellschaftlichen Organisationen
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG. Nr. 14327, Bl. 2-28
Im September 1989 gründete sich das Neue Forum. Das Ministerium des Innern (MdI) lehnte es ab, dieses als Vereinigung zuzulassen. In enger Abstimmung mit der Staatssicherheit entwickelte das Ministerium Begründungen dafür.
Am 9. September gründete sich das Neue Forum in Grünheide bei Berlin. Einen Tag später veröffentlichte die Gruppe einen Gründungsaufruf, in dem sie die gestörte Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft sowie eine Reihe konkreter Missstände in der DDR kritisierte. Einige Tage später beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung, welche durch das Ministerium des Innern (MdI) umgehend abgelehnt wurde. Als Begründung dafür verwies das MdI lediglich auf den angeblich verfassungsfeindlichen Charakter der Vereinigung, ohne sich mit konkreten Inhalten auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der DDR-Gesellschaft ein genereller Wandel vollzogen. Spätestens im Oktober 1989 fanden die Forderungen des Neuen Forums allgemeine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. In enger Abstimmung von Ministerium für Staatssicherheit und MdI wurden im Herbst 1989 Begründungen entwickelt, um neugegründete Parteien und Bürgerbündnisse abzulehnen.
nicht im erforderlichen Maße in der Lage sind, die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR entsprechend den konkreten Bedingungen voranzubringen, sowie der gesamtgesellschaftliche Dialog aller zur Ausgestaltung des Sozialismus mangelhaft ist und die Interessenlosigkeit vieler Bürger an der aktiven gesellschaftlichen Entwicklung beseitigt werden muß.
Grundlage für die Beantwortung der Schreiben in Aussprachen mit diesen Bürgern könnte die Anlage 6 des. Anhangs sein, soweit keine öffentliche Beantwortung des Schreibens des Fraktionsvorsitzender der CDU bzw. der Eingabe des Rechtsanwalts Dr. Gysi erfolgt.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
"Hinweise zur möglichen Zulassung des 'Neuen Forum'" Dokument, 3 Seiten
"Information" zu Gründung und Vorhaben des Neuen Forums Dokument, 3 Seiten
Information zur "Bildung der oppositionellen Sammlungsbewegung 'Neues Forum'" Dokument, 6 Seiten
Hinweise auf die Reaktion der Bevölkerung auf das Neue Forum Dokument, 4 Seiten