Signatur: BStU, MfS, GH, Nr. 2/70, Bd. 10, Bl. 96-97
Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras erschoss am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration in West-Berlin. Das Ereignis wurde zu einem Fanal für die Studentenbewegung, die sich in der Folge in Teilen radikalisierte. Der Polizist Kurras wurde zu einer Symbolfigur des repressiven Staates, den Ende der 60er Jahre viele junge Menschen in der Bundesrepublik zu erkennen glaubten.
Tatsächlich diente Kurras zum Zeitpunkt des tödlichen Schusses auf Ohnesorg schon seit vielen Jahren dem ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit als "Geheimer Mitarbeiter" (GM) mit dem Decknamen "Otto Bohl". Dies tat er aus Überzeugung, seine Führungsoffiziere bestätigten Kurras ideologische Nähe zum Sozialismus. Auf eigenen Wunsch und Dank der Empfehlung des MfS wurde Kurras sogar heimlich SED-Parteimitglied.
Die Zusammenarbeit war fruchtbar und für beide Seiten lohnenswert: das MfS gelangte an wichtige Informationen aus dem Inneren der West-Berliner Polizei. Und der "Waffennarr", Kurras bekam Anerkennung, wurde regelmäßig bezahlt und erhielt Zugang zu Schusswaffen.
Begonnen hatte die Spitzeltätigkeit 1955. Kurras meldete sich selbst damals bei der Staatssicherheit, weil er eigentlich in die DDR übersiedeln und zur Volkspolizei wechseln wollte. Er ließ sich dann aber von der Stasi überzeugen, im Westen zu bleiben und als Informant zu arbeiten.
Kurras arbeitete zunächst im Einsatz-Kommando der Schutzpolizei in Berlin-Charlottenburg. Von dort lieferte er alle ihm bekannt gewordenen Interna wie Dienstanweisungen, Alarmordnungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Stimmungsberichte und Persönlichkeitsprofile seiner Kollegen und vieles mehr.
Und Kurras machte in der Polizei Karriere. Zunächst wechselte er zur Kriminalpolizei. Daraufhin gab ihm das MfS den Auftrag, sich um eine Versetzung in die Abteilung I für Staatsschutz der Kriminalpolizei zu bemühen. Sie war unter anderem dafür zuständig, die West-Berliner Polizei gegen Infiltrierungsversuche des Ostens abzusichern. 1965 erhielt Kurras tatsächlich die gewünschte Versetzung. Der sensibelste Bereich der West-Berliner Polizei war nun für die Stasi ein offenes Buch. Kurras wurde zu einer Spitzenquelle des MfS.
Gegenüber "Lotte Schwarz" und seinem Führungsoffizier Eiserbeck äußerte sich Kurras kurz nach seiner Versetzung zur politischen Polizei besorgt, dass er als deren Mitarbeiter auch Kommunisten verhaften müsse. Dies schien Kurras Gewissensbisse zu bereiten, doch "Lotte Schwarz" beruhigte ihn, Im Bericht heißt es, sie habe ihm bedeutet, er solle "seine Arbeit ordnungsgemäß durchführen, auch wenn Festnahmen notwendig seien.
Angesichts der Bedeutun von Kurras als Informant für die Stasi zeigte sich sein Führungsoffizier Werner Eiserbeck entsetzt über seine Verwicklung in den Tod von Benno Ohnesorg. "Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser GM eine solche Handlung, auch wenn im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen, begehen konnte, da sie doch ein Verbrechen darstellt." Rasch entschied das MfS: "Die Verbindung zum GM wird vorläufig abgebrochen." Kurras sollte alle Unterlagen und Hinweise auf seine IM-Tätigkeit vernichten.
Berlin, den 26. Januar 1965
Bericht
Um 16.00 Uhr bin ich durch die Kontrolle Bhf. Friedrichstr. gegangen und fuhr mit der S-Bahn nach Großgörschenstr. Kontrolle verlief ohne Vorkommnisse. Dann fuhr ich mit dem Omnibus nach dem Zoo,wo ich umstieg in einen anderen Omnibus nach Charlottenburg. Nahm einen anderen Omnibus und fuhr nach Leopoldplatz. Mit der U-Bahn fuhr ich nach Tegel und dann wieder zurück nach dem Kurt Schumacherplatz. Unterwegs kaufte ich im KDW Apfelsinen. Bei den Fahrstrecken habe ich mich abgesichert und habe nichts Verdächtiges bemerkt.
Genau 18.00 Uhr betrat ich das Lokal. Fünf Minuten später kam Bohl. Bei der Begrüßung fragte ich gleich: Hast Du Dich genau abgesichert? Bohl teilte mit, daß er seit 17.00 Uhr unterwegs wäre und hätte auf diesen Weg auch eine Taxi genommen. Im Lokal haben wir nur gegessen und uns über belanglose Dinge erzählt.
Wir sind durch leblose Straßen nach dem Wedding gegangen und uns genügend abgesichert.
Ich teilte Bohl mit:
Im Verlauf der Unterhaltung übergab ich Bohl den Zettel und sagte, daß er sich danach verhalten soll.
Bohl teilte mit:
Die Abt. I arbeitet nicht mit V-Leuten. Das macht nur der Ver-
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Von 1953 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter, die mit der Führung anderer inoffizieller Mitarbeiter (Geheime Informatoren, Geheime Mitarbeiter) beauftragt waren. Die Kategorie wurde nach dem Juniaufstand 1953 eingeführt, um insbesondere die von der SED-Führung gewünschte Erweiterung des Bestandes inoffizieller Mitarbeiter in größeren Betrieben zu gewährleisten.
Anfangs wurden die GHI zuweilen auch als Haupt-GI (HGI) bezeichnet. Für die Funktion kamen nur politisch und nachrichtendienstlich absolut zuverlässige Personen in Frage. Ab 1968 wird die Kategorie als Führungs-IM bezeichnet. Es gab 1958 schätzungsweise 2300 GHI.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Die Verpflichtung Bereitschaftserklärung zur Tätigkeit als IM bildete den Abschluss der Werbung. Sie erfolgte in der Regel schriftlich und in Ausnahmefällen mündlich. Schriftliche Verpflichtungen erfolgten stets handschriftlich. Die Verpflichtungserklärung enthielt bestimmte Kernelemente, zu denen der Bezugspartner Staatssicherheit, die Verpflichtung zur Geheimhaltung, ein Deckname und die Unterschrift gehörten.
Signatur: BStU, MfS, GH, Nr. 2/70, Bd. 10, Bl. 96-97
Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras erschoss am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration in West-Berlin. Das Ereignis wurde zu einem Fanal für die Studentenbewegung, die sich in der Folge in Teilen radikalisierte. Der Polizist Kurras wurde zu einer Symbolfigur des repressiven Staates, den Ende der 60er Jahre viele junge Menschen in der Bundesrepublik zu erkennen glaubten.
Tatsächlich diente Kurras zum Zeitpunkt des tödlichen Schusses auf Ohnesorg schon seit vielen Jahren dem ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit als "Geheimer Mitarbeiter" (GM) mit dem Decknamen "Otto Bohl". Dies tat er aus Überzeugung, seine Führungsoffiziere bestätigten Kurras ideologische Nähe zum Sozialismus. Auf eigenen Wunsch und Dank der Empfehlung des MfS wurde Kurras sogar heimlich SED-Parteimitglied.
Die Zusammenarbeit war fruchtbar und für beide Seiten lohnenswert: das MfS gelangte an wichtige Informationen aus dem Inneren der West-Berliner Polizei. Und der "Waffennarr", Kurras bekam Anerkennung, wurde regelmäßig bezahlt und erhielt Zugang zu Schusswaffen.
Begonnen hatte die Spitzeltätigkeit 1955. Kurras meldete sich selbst damals bei der Staatssicherheit, weil er eigentlich in die DDR übersiedeln und zur Volkspolizei wechseln wollte. Er ließ sich dann aber von der Stasi überzeugen, im Westen zu bleiben und als Informant zu arbeiten.
Kurras arbeitete zunächst im Einsatz-Kommando der Schutzpolizei in Berlin-Charlottenburg. Von dort lieferte er alle ihm bekannt gewordenen Interna wie Dienstanweisungen, Alarmordnungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Stimmungsberichte und Persönlichkeitsprofile seiner Kollegen und vieles mehr.
Und Kurras machte in der Polizei Karriere. Zunächst wechselte er zur Kriminalpolizei. Daraufhin gab ihm das MfS den Auftrag, sich um eine Versetzung in die Abteilung I für Staatsschutz der Kriminalpolizei zu bemühen. Sie war unter anderem dafür zuständig, die West-Berliner Polizei gegen Infiltrierungsversuche des Ostens abzusichern. 1965 erhielt Kurras tatsächlich die gewünschte Versetzung. Der sensibelste Bereich der West-Berliner Polizei war nun für die Stasi ein offenes Buch. Kurras wurde zu einer Spitzenquelle des MfS.
Gegenüber "Lotte Schwarz" und seinem Führungsoffizier Eiserbeck äußerte sich Kurras kurz nach seiner Versetzung zur politischen Polizei besorgt, dass er als deren Mitarbeiter auch Kommunisten verhaften müsse. Dies schien Kurras Gewissensbisse zu bereiten, doch "Lotte Schwarz" beruhigte ihn, Im Bericht heißt es, sie habe ihm bedeutet, er solle "seine Arbeit ordnungsgemäß durchführen, auch wenn Festnahmen notwendig seien.
Angesichts der Bedeutun von Kurras als Informant für die Stasi zeigte sich sein Führungsoffizier Werner Eiserbeck entsetzt über seine Verwicklung in den Tod von Benno Ohnesorg. "Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser GM eine solche Handlung, auch wenn im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen, begehen konnte, da sie doch ein Verbrechen darstellt." Rasch entschied das MfS: "Die Verbindung zum GM wird vorläufig abgebrochen." Kurras sollte alle Unterlagen und Hinweise auf seine IM-Tätigkeit vernichten.
Persönlich hat Bohl keine Sorgen.
Der Treff hat Bohl etwas Sicherheit gegeben. Er war sehr zufrieden damit.
Neuen Treff haben wir nicht vereinbart.
[Unterschrift: L. Schwarz]
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Von 1953 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter, die mit der Führung anderer inoffizieller Mitarbeiter (Geheime Informatoren, Geheime Mitarbeiter) beauftragt waren. Die Kategorie wurde nach dem Juniaufstand 1953 eingeführt, um insbesondere die von der SED-Führung gewünschte Erweiterung des Bestandes inoffizieller Mitarbeiter in größeren Betrieben zu gewährleisten.
Anfangs wurden die GHI zuweilen auch als Haupt-GI (HGI) bezeichnet. Für die Funktion kamen nur politisch und nachrichtendienstlich absolut zuverlässige Personen in Frage. Ab 1968 wird die Kategorie als Führungs-IM bezeichnet. Es gab 1958 schätzungsweise 2300 GHI.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Bericht über die Übergabe des "Geheimschreibverfahrens CL/63" an den GM "Otto Bohl" Dokument, 1 Seite
Bericht von GHI "Lotte Schwarz" über ein Gespräch mit GM "Otto Bohl" zur anstehenden Festnahme eines IM Dokument, 1 Seite
Bericht über die Versetzung von Karl-Heinz Kurras zur Abteilung I der West-Berliner Polizei Dokument, 1 Seite
"Auskunftsbericht" von 1962 über GM "Otto Bohl" alias Karl-Heinz Kurras Dokument, 3 Seiten