Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 5366, Bd. 39, Bl. 1-3
Am 27. Februar 1975 wurde der CDU-Politiker Peter Lorenz durch die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" entführt. Zwei Inoffizielle Mitarbeiter berichteten der Staatssicherheit über die Fahndungen nach den Entführern in der Bundesrepublik und über die Stimmung in der Öffentlichkeit
Am 27. Februar 1975 entführte die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" den CDU-Politiker Peter Lorenz. Die Entführer verlangten die Freilassung und Ausreise der sechs inhaftierten Gesinnungsgenossen Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle. Die Bundesregierung entschloss sich, auf die Forderung der Entführer einzugehen. Bis auf Horst Mahler, der einen Austausch abgelehnt hatte, wurden die Gefangenen am 3. März 1975 in den Jemen ausgeflogen. Im Gegenzug kam auch Peter Lorenz frei.
Da die durch die Lorenz-Entführung freigepressten Terroristen erneut Anschläge verübten und Menschen töteten, entschloss sich die Bundesregierung, den Forderungen von Terroristen nicht noch einmal nachzugeben. So ließ sich die Regierung der Bundesrepublik bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF, dann auch auf keine Zugeständnisse ein. Als sich die Bewegung 2. Juni am 2. Juni 1980 offiziell auflöste, schlossen sich einige Mitglieder der RAF an.
Nach der Entführung von Peter Lorenz fahndete die Westberliner Polizei intensiv nach den Entführern. Die Staatsicherheit ließ sich auch von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen detailliert über Auto- und Personenkontrollen und über die in der Bevölkerung vorherrschende Meinung zur Entführung berichten.
verlangte die Ausweispapiere und übergab diese einem in der Kabine aufhältigen Polizisten. Hier wurden Notierungen aus den Personalausweisen genommen. Ein weiterer Polizist sicherte mit der Maschinenpistole.
Am Sonnabend, dem 8.3.1975, gegen 11.00 Uhr, Kontrolle der Pkw an der GÜSt Sonnenallee.
Ein Westberliner Zollangehöriger, bewaffnet mit Maschinenpistole, kontrollierte Innen- und Kofferräume der Pkw. Ein Angehöriger der Westberliner Polizei, mit Pistole bewaffnet, kontrollierte Personaldokumente, ohne daß Notierungen oder Weitergabe erfolgten, direkt im Pkw.
Am Mittwoch, dem 12.3.1975, wurden am Kontrollpunkt Invalidenstraße Westberliner Zoll- und Polizeiangehörige in der dortigen Baracke festgestellt. Pkw konnte passieren, ohne daß offene Kontrollhandlungen durchgeführt wurden.
Vom IM wird eingeschätzt, daß sich die Lage seit Montag, dem 10.3.1975, wieder normalisiert hat, zumindest ist kein offenes und breites Auftreten der Polizeiangehörigen mehr festzustellen.
Er schätzt ein, daß im Senat für Arbeit und Soziales der überwiegende Teil der dortigen Angestellten durch die im Zusammenhang mit dem Fall Lorenz entwickelte Propaganda-Maschine emotional stark auf die dortigen Beschäftigten einwirkte. Stündlich wurden während der Arbeitszeit die Radiomeldungen verfolgt, um etwas über den Ausgang der Entführung zu erfahren. Der überwiegende Teil der Angestellten läßt auch seine Sympathie für Lorenz erkennen und wäre bereit, bei Möglichkeit der Polizei Hinweise zu geben.
In einem Fall wurde von einer Mitarbeiterin, die der SPD angehört, mitgeteilt, daß sie in der Nacht - als Lorenz entlassen wurde - gegen 01.00 Uhr in der Nähe ihrer Wohnung 2 jugendliche Personen mit Pkw feststellte, die sich dort verdächtig bewegten. Sie hat sofort die Polizei angerufen und das Kennzeichen übermittelt, konnte eine Reaktion aber nicht mehr feststellen, da dieser Pkw kurzfristig diesen Ort verlassen hatte.
Als Motiv erklärte sie, daß sie das als eine patriotische Pflicht ansah und dabei keine Gedanken an eine Belohnung eine Rolle gespielt haben. Von dieser Frau wurde aber auch geäußert, daß eine solche Tat "denen da drüben" zuzutrauen wäre, womit sie deutlich auf die DDR anspielte. Mit dieser Äußerung konnte sie jedoch im Mitarbeiterkreis keine Zustimmung erreichen. Hinsichtlich des Ausganges des Wahlergebnisses schätzte sie ein, daß durch diesen Vorfall der SPD 5 bis 10 Prozent der Stimmen verloren gegangen sind.
IMV "Werner Höfer", Reg.-Nr. 1117/72, teilt mit:
Am 27. Februar 1975, gegen 11.00 Uhr, wurden die Angehörigen im Archiv des Axel-Springer-Verlages in Westberlin (Sitz Springer-Hochhaus) über die Funksprechanlage des Hauses informiert, daß in den Morgenstunden des 27.2.1975 der CDU-Landesvorsitzende Peter Lorenz am Quermatenweg in Zehlendorf entführt worden sei. Es erfolgten Anweisungen über die Sprechanlage, die folgendes zum Inhalt hatten:
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 5366, Bd. 39, Bl. 1-3
Am 27. Februar 1975 wurde der CDU-Politiker Peter Lorenz durch die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" entführt. Zwei Inoffizielle Mitarbeiter berichteten der Staatssicherheit über die Fahndungen nach den Entführern in der Bundesrepublik und über die Stimmung in der Öffentlichkeit
Am 27. Februar 1975 entführte die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" den CDU-Politiker Peter Lorenz. Die Entführer verlangten die Freilassung und Ausreise der sechs inhaftierten Gesinnungsgenossen Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle. Die Bundesregierung entschloss sich, auf die Forderung der Entführer einzugehen. Bis auf Horst Mahler, der einen Austausch abgelehnt hatte, wurden die Gefangenen am 3. März 1975 in den Jemen ausgeflogen. Im Gegenzug kam auch Peter Lorenz frei.
Da die durch die Lorenz-Entführung freigepressten Terroristen erneut Anschläge verübten und Menschen töteten, entschloss sich die Bundesregierung, den Forderungen von Terroristen nicht noch einmal nachzugeben. So ließ sich die Regierung der Bundesrepublik bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF, dann auch auf keine Zugeständnisse ein. Als sich die Bewegung 2. Juni am 2. Juni 1980 offiziell auflöste, schlossen sich einige Mitglieder der RAF an.
Nach der Entführung von Peter Lorenz fahndete die Westberliner Polizei intensiv nach den Entführern. Die Staatsicherheit ließ sich auch von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen detailliert über Auto- und Personenkontrollen und über die in der Bevölkerung vorherrschende Meinung zur Entführung berichten.
alle Artikel und Berichte zu selektieren, die Auskunft über folgendes geben:
Gegen Mittag des 27.2.1975 konnte festgestellt werden, daß auf der westlichen Seite der GÜSt Heinrich-Heine-Straße etwa 7 bis 8 Beamte der Westberliner Polizei Kontrollen der grenzüberschreitenden Pkw sowie der Insassen vornahmen. Die Polizisten trugen die normale Dienstuniform und Mütze. Außer 2 Beamten waren alle mit Maschinenpistolen und Funksprechgeräten ausgerüstet. Im Bezirk Neukölln konnten keine besonderen Polizeimaßnahmen festgestellt werden.
Bis zum 4. März 1975 wurde die Lage als verhältnismäßig normal eingeschätzt.
Am 4.3.1975 erfolgten dann verstärkte Kontrollen von Pkw. Von einem Kraftfahrer einer Bäckerei wurde mitgeteilt, daß er innerhalb einer Stunde 8mal kontrolliert worden sei.
Auch in U-Bahn und Bussen fanden Ausweiskontrollen statt.
Nach Feststellung des IM war die Fahndungsaktion besonders auf die Bezirke Schöneberg und Wilmersdorf konzentriert. Im Bezirk Neukölln wurden keine inoffiziell erkennbaren Maßnahmen sichtbar.
Am 11.3.1975, gegen 20.00 Uhr, wurde in Berlin-Britz, Pintsch-Allee, ein namentlich bekannter Student festgenommen, als er sich auf dem Nachhauseweg befand.
Ein vorbeifahrender Streifenwagen hielt plötzlich, drei Polizeiangehörige drehten dem Studenten die Arme auf den Rücken und brachten ihn in den VW-Bus. Nach Überführung in das Polizeirevier am Britzer Damm erklärte man ihm, daß man ihn schon 10 Minuten beobachtet hatte. Er würde im Verdacht stehen, ein gesuchter Bankräuber zu sein. Der Student hatte keine Ausweispapiere bei sich. Nach einstündiger Wartezeit erklärte ihm ein Angehöriger der Kriminalpolizei, daß er einem der gesuchten Bankräuber ähnlich sehe, der während der Entführung von Lorenz einen Banküberfall in Britz vorgenommen hatte. Der Kriminalbeamte entschuldigte sich und bat um Verständnis.
Zur Stimmung in der Westberliner Bevölkerung wird eingeschätzt, daß bis auf wenige Ausnahmen die Entführung von allen verurteilt wird; auch von Menschen, die entgegengesetzter Ansicht zur CDU-Politik stehen, sei in diesen Tagen Sympathie für Lorenz bekundet worden.
Häufig wird der SPD und der Polizei Versagen nachgesagt und schwerste Bestrafung der Entführer gefordert.
[Signatur: Büchner]
Büchner
Oberst
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Karte der MfS-Spezialkräfte (AGM/S) zur Entführung von Peter Lorenz Dokument, 2 Seiten
Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Peter Lorenz Dokument, 4 Seiten
Weisung zur Sicherheit und Ordnung auf der Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße Dokument, 26 Seiten
Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Aldo Moro Dokument, 6 Seiten