Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 23291, Bl. 1-12
Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerinnen und Bürger die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Am 5. Februar wählte die Volkskammer aus den oppositionellen Gruppen acht zusätzliche Minister ohne Geschäftsbereich und stellte die endgültige Auflösung des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) unter zivile Kontrolle.
Die Erstürmung der Stasi-Zentrale von Bürgerinnen und Bürgern am 15. Januar 1990 läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Die politische Entwicklung beschleunigte sich in diesen Wochen erneut. Freie Wahlen und Wiedervereinigung rückten in greifbare Nähe. In die Regierung Modrow traten am 5. Februar eine Bürgerrechtlerin und sieben Bürgerrechtler als Mitglieder des Ministerrats ein. Das erweiterte Kabinett fasste einen Beschluss, durch den die Auflösung der Staatssicherheit ziviler Kontrolle unterstellt und ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" gebildet wurde.
Drei Personen, die dafür vom Runden Tisch benannt worden waren (Werner Fischer von der Initiative Frieden und Menschenrechte, Georg Böhm von der Demokratischen Bauernpartei und als Beauftragter der Regierung Fritz Peter), wurden für diese Aufgabe mit "Regierungsvollmacht" ausgestattet. Zugleich wurde ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" als "Zentrales Staatsorgan" gebildet. Dessen Leiter, Günter Eichhorn, ein ehemaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium, war über mehrere Jahre Inoffizieller Mitarbeiter des MfS (was damals unbekannt war). Das Komitee hatte die "Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten" des ehemaligen AfNS zu übernehmen. In der Anlage 4 des Dokuments wird für die ehemaligen (hauptamtlichen) Stasi-Mitarbeiter in begrenztem Maße die "Schweigepflicht" über ihre frühere Tätigkeit aufgehoben.
3. Bis zum 31.03.1990 sind
berechtigt, im Rahmen der ihnen bestätigten Fonds in abgeschlossene Wirtschaftsverträge einzutreten. Soweit ein Vertragseintritt gegenüber dem Vertragspartner bis zum 31.03.1990 nicht erklärt wird, gelten die Wirtschaftsverträge als aufgehoben.
[Absatz wurde seitlich markiert]
4. Die bewaffneten Organe und Staatsorgane, an die Aufgaben des Ministeriums für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit übergeleitet wurden, haben die dafür erforderlichen Bestände an Technik, Bewaffnung und Ausrüstung revisionssicher zu übernehmen und im Rahmen ihres für 1990 geplanten bzw. für die Folgejahre zu planenden Bedarfs versorgungs- und planwirksam zu machen.
Verantwortlich: Minister und Leiter der zuständigen Staatsorgane
5. Notwendige Vertragsänderungen und -aufhebungen erfolgen sanktionslos.
6. Entstandene Aufwendungen gemäß § 79 des Vertragsgesetzes aus Maßnahmen nach den Ziffern 2 und 3 dieses Beschlusses sind durch die Wirtschaftseinheiten revisionssicher nachzuweisen und bis zum 31.12.1990 durch den Staatshaushalt auszugleichen.
Die Antragstellung hat an das Komitee zu erfolgen, das darüber entscheidet.
7. Die Ziffer 16, erster Anstrich des Ministerratsbeschlusses vom 14.12.1989 (6/18a/89) wird aufgehoben.
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 23291, Bl. 1-12
Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerinnen und Bürger die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Am 5. Februar wählte die Volkskammer aus den oppositionellen Gruppen acht zusätzliche Minister ohne Geschäftsbereich und stellte die endgültige Auflösung des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) unter zivile Kontrolle.
Die Erstürmung der Stasi-Zentrale von Bürgerinnen und Bürgern am 15. Januar 1990 läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Die politische Entwicklung beschleunigte sich in diesen Wochen erneut. Freie Wahlen und Wiedervereinigung rückten in greifbare Nähe. In die Regierung Modrow traten am 5. Februar eine Bürgerrechtlerin und sieben Bürgerrechtler als Mitglieder des Ministerrats ein. Das erweiterte Kabinett fasste einen Beschluss, durch den die Auflösung der Staatssicherheit ziviler Kontrolle unterstellt und ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" gebildet wurde.
Drei Personen, die dafür vom Runden Tisch benannt worden waren (Werner Fischer von der Initiative Frieden und Menschenrechte, Georg Böhm von der Demokratischen Bauernpartei und als Beauftragter der Regierung Fritz Peter), wurden für diese Aufgabe mit "Regierungsvollmacht" ausgestattet. Zugleich wurde ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" als "Zentrales Staatsorgan" gebildet. Dessen Leiter, Günter Eichhorn, ein ehemaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium, war über mehrere Jahre Inoffizieller Mitarbeiter des MfS (was damals unbekannt war). Das Komitee hatte die "Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten" des ehemaligen AfNS zu übernehmen. In der Anlage 4 des Dokuments wird für die ehemaligen (hauptamtlichen) Stasi-Mitarbeiter in begrenztem Maße die "Schweigepflicht" über ihre frühere Tätigkeit aufgehoben.
Anlage 3
Grundsätze
zum Umgang mit dienstlichem Schriftgut und Archivgut unabhängig von der Art des Trägers der Information
1. Das dienstliche Schriftgut und das Archivgut
2. Die Sicherung des Schriftgutes und des Archivgutes, die Verwaltung und der Schutz der Depots erfolgen in Verantwortung des Ministeriums für innere Angelegenheiten.
3. Im Interesse des Schutzes der persönlichen Daten der Bürger wird das Schriftgut und Archivgut gemäß Ziffer 1 bis zu einer gesetzlichen Regelung gesperrt.
In dieser Zeit wird Einsicht in dieses Schriftgut nur der Staatsanwaltschaft und dem Gericht im Zusammenhang mit Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren gewährt. Über weitere Einsichtnahmen entscheiden die Regierungsbevollmächtigten gemäß Ziffer 1 des Beschlusses einstimmig.
4. Personen, die Daten verarbeiten oder Dateien verwalten, ist es untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt an Dritte weiterzugeben oder in anderer Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie sind von den mit der Leitung beauftragten Regierungsbevollmächtigten unterschriftlich zu verpflichten.
[Absatz wurde seitlich markiert]
5.Über die Vernichtung von mehrfach vorhandenen und nicht mehr benötigtem Schriftgut kann vor Ort im Einvernehmen mit den Bürgerkomitees entschieden werden.
[Absatz wurde seitlich markiert]
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 23291, Bl. 1-12
Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerinnen und Bürger die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Am 5. Februar wählte die Volkskammer aus den oppositionellen Gruppen acht zusätzliche Minister ohne Geschäftsbereich und stellte die endgültige Auflösung des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) unter zivile Kontrolle.
Die Erstürmung der Stasi-Zentrale von Bürgerinnen und Bürgern am 15. Januar 1990 läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Die politische Entwicklung beschleunigte sich in diesen Wochen erneut. Freie Wahlen und Wiedervereinigung rückten in greifbare Nähe. In die Regierung Modrow traten am 5. Februar eine Bürgerrechtlerin und sieben Bürgerrechtler als Mitglieder des Ministerrats ein. Das erweiterte Kabinett fasste einen Beschluss, durch den die Auflösung der Staatssicherheit ziviler Kontrolle unterstellt und ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" gebildet wurde.
Drei Personen, die dafür vom Runden Tisch benannt worden waren (Werner Fischer von der Initiative Frieden und Menschenrechte, Georg Böhm von der Demokratischen Bauernpartei und als Beauftragter der Regierung Fritz Peter), wurden für diese Aufgabe mit "Regierungsvollmacht" ausgestattet. Zugleich wurde ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" als "Zentrales Staatsorgan" gebildet. Dessen Leiter, Günter Eichhorn, ein ehemaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium, war über mehrere Jahre Inoffizieller Mitarbeiter des MfS (was damals unbekannt war). Das Komitee hatte die "Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten" des ehemaligen AfNS zu übernehmen. In der Anlage 4 des Dokuments wird für die ehemaligen (hauptamtlichen) Stasi-Mitarbeiter in begrenztem Maße die "Schweigepflicht" über ihre frühere Tätigkeit aufgehoben.
Anlage 4
Festlegungen
zur Aufhebung der Schweigepflicht
1. Alle ehemaligen bzw. zeitweise noch mit der Auflösung beschäftigten Mitarbeiter des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Amtes für Nationale Sicherheit werden von der ihnen durch Befehle und Weisungen auferlegten Schweigepflicht über anvertraute Staats- und Dienstgeheimnisse im folgenden Umfang entbunden:
1.1. Gegenüber den mit der Untersuchung von Sachverhalten gemäß den Ziffern 1.2. und 1.3. beauftragten Staatsanwälten oder Angehörigen der Kriminalpolizei ohne Ein Rahmen von Ermittlungshandlungen.
Die Geheimhaltung von Staatsgeheimnissen wird durch das Dienstverhältnis der Staatsanwälte gewahrt.
1.2. Im Umfang des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes, soweit es die nach innen gerichtete, die Verfassung der DDR verletzende Tätigkeit des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Amtes für Nationale Sicherheit und Strukturen und Arbeitsweise betrifft, gegenüber
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Beschluss der AG Sicherheit des Zentralen Runden Tisches zur Auflösung der HV A Dokument, 15 Seiten
Schreiben von Schwanitz an Modrow über die Auflösung der Kreisämter Dokument, 4 Seiten
Bericht des Regierungsbeauftragten Peter Koch am Zentralen Runden Tisch Dokument, 18 Seiten
Protokoll der ersten Sitzung des Zentralen Runden Tisches in der DDR Dokument, 6 Seiten