Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 21775, Bl. 1-183
Welche Faktoren sind ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit mit der Stasi? Eine Dissertation, verfasst an der Juristischen Hochschule des MfS, ging dieser Frage aufgrund von empirischen Daten nach.
Insgesamt 174 Dissertationen wurden an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam / Golm geschrieben. In den 50er und 60er Jahren sollten Mitarbeiter des MfS, die für höhere Aufgaben vorgesehen waren, aber nur einen einfachen Bildungsweg beschritten hatten, hier eine "klassenbewusste" Allgemeinbildung und Einweisung in wissenschaftliche Standards erhalten. Danach ging fast jeder Hauptamtliche Mitarbeiter dorthin, zum Fach- oder Hochschulstudium oder zur Qualifikation und Weiterbildung.
Die vorliegende Dissertation des höheren Stasi-Offiziers Manfred Hempel befasst sich mit der Anwerbung von Informanten, den Inoffiziellen Mitarbeitern. Im Mittelpunkt stehen dabei moralische Faktoren, die für eine Zusammenarbeit von DDR-Bürgerinnen und -Bürger mit dem MfS relevant waren.
In erster Linie setzten die MfS-Anwerber auf Freiwillige, öfter auf deren politische Einstellung, seltener auf materielle Verlockungen. Noch seltener wählten die Stasi-Offiziere bewusst das Mittel der Erpressung, um Informanten zu gewinnen. In sehr vielen Fällen kamen die Überzeugungskünste der Geheimpolizisten zum Tragen und sie schlichen sich ins Vertrauen der zukünftigen Spitzel ein. Gleichzeitig aber nutzte die Stasi auch private Notsituationen, kompromittierendes Material oder Angstgefühle aus, um "Quellen" zu gewinnen. Diese Methoden der Nötigung wurden in den 50er und 60er Jahren vergleichsweise oft eingesetzt.
Hempel erlangte mit dieser Arbeit den akademischen Titel eines Dr. jur. mit der Benotung magna cum laude.
4. Die verhaltensbeeinflussende Wirkung des Gewissens und des Ehrerlebens verleiht der Forderung nach zielstrebiger und systematischer politisch-ideologischer, besonders auch moralischer Erziehungsarbeit im Prozeß der Zusammenarbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern besondere Relevanz.
2.4.4. Die Wirksamkeit von moralischen Sanktionen in der Zusammenarbeit
Das Verhalten der inoffiziellen Mitarbeiter im Prozeß der Zusammenarbeit wird durch vielfältige äußere und innere Faktoren beeinflußt. In diesem komplizierten und komplexen Mechanismus nehmen Sanktionen einen zentralen Platz ein. 210) Zur näheren Bestimmung der Wirksamkeit von moralischen Sanktionen wurde in der Untersuchung den inoffiziellen Mitarbeitern eine Skala von möglichen Einwirkungen (darunter solche sanktioneller Art) vorgelegt und gefordert, deren jeweiligen Wirkungsgrad für ihre eigene innere Bereitschaft zur Auftragserfüllung und zur Zusammenarbeit zu bestimmen. 211) Im Ergebnis ergab sich:
(in Prozent der Population)
Art des Faktors: Erklärung und Unterweisungen des operativen Mitarbeiters; Wirkungsgrad 212) schwach: 14,0, Wirkungsgrad 212) mittel: 31,1, Wirkungsgrad 212) hoch 54,9; Durchschnittswert: 5,1
Art des Faktors: eigene Erfolge in der Arbeit; Wirkungsgrad 212) schwach: 32,5, Wirkungsgrad 212) mittel: 34,5, Wirkungsgrad 212) hoch 33,0; Durchschnittswert: 3,7
Art des Faktors: Lob und Anerkennung; Wirkungsgrad 212) schwach: 43,0, Wirkungsgrad 212) mittel: 30,3, Wirkungsgrad 212) hoch 26,7; Durchschnittswert: 3,2
Art des Faktors: Tadel und Kritik; Wirkungsgrad 212) schwach: 48,8, Wirkungsgrad 212) mittel: 28,8, Wirkungsgrad 212) hoch 22,4; Durchschnittswert: 2,8
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 21775, Bl. 1-183
Welche Faktoren sind ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit mit der Stasi? Eine Dissertation, verfasst an der Juristischen Hochschule des MfS, ging dieser Frage aufgrund von empirischen Daten nach.
Insgesamt 174 Dissertationen wurden an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam / Golm geschrieben. In den 50er und 60er Jahren sollten Mitarbeiter des MfS, die für höhere Aufgaben vorgesehen waren, aber nur einen einfachen Bildungsweg beschritten hatten, hier eine "klassenbewusste" Allgemeinbildung und Einweisung in wissenschaftliche Standards erhalten. Danach ging fast jeder Hauptamtliche Mitarbeiter dorthin, zum Fach- oder Hochschulstudium oder zur Qualifikation und Weiterbildung.
Die vorliegende Dissertation des höheren Stasi-Offiziers Manfred Hempel befasst sich mit der Anwerbung von Informanten, den Inoffiziellen Mitarbeitern. Im Mittelpunkt stehen dabei moralische Faktoren, die für eine Zusammenarbeit von DDR-Bürgerinnen und -Bürger mit dem MfS relevant waren.
In erster Linie setzten die MfS-Anwerber auf Freiwillige, öfter auf deren politische Einstellung, seltener auf materielle Verlockungen. Noch seltener wählten die Stasi-Offiziere bewusst das Mittel der Erpressung, um Informanten zu gewinnen. In sehr vielen Fällen kamen die Überzeugungskünste der Geheimpolizisten zum Tragen und sie schlichen sich ins Vertrauen der zukünftigen Spitzel ein. Gleichzeitig aber nutzte die Stasi auch private Notsituationen, kompromittierendes Material oder Angstgefühle aus, um "Quellen" zu gewinnen. Diese Methoden der Nötigung wurden in den 50er und 60er Jahren vergleichsweise oft eingesetzt.
Hempel erlangte mit dieser Arbeit den akademischen Titel eines Dr. jur. mit der Benotung magna cum laude.
Art des Faktors: Einschätzung über die Arbeit der Staatssicherheitsorgane in Publikationsorganen; Wirkungsgrad 212) schwach: 29,2, Wirkungsgrad 212) mittel: 31,1, Wirkungsgrad 212) hoch 39,7; Durchschnittswert: 4,1
Art des Faktors: Meinungen über die Arbeit der Staatssicherheitsorgane im Arbeitskollektiv; Wirkungsgrad 212) schwach: 52,6, Wirkungsgrad 212) mittel: 22,3, Wirkungsgrad 212) hoch 25,1; Durchschnittswert: 2,7
Art des Faktors: Darstellung von Vorbildern in Filmen, Fernsehen, Büchern u.a.; Wirkungsgrad 212) schwach: 40,3, Wirkungsgrad 212) mittel: 25,6, Wirkungsgrad 212) hoch 34,1; Durchschnittswert: 3,7
Diese in die Befragung aufgenommenen Faktoren haben also bei den einzelnen inoffiziellen Mitarbeitern einen sehr unterschiedlichen Wirkungsgrad. Sämtliche Faktoren erscheinen in allen Wirkungsgruppen, was darauf schließen läßt, daß ihr Wirkungsgrad nicht aus ihnen selbst, sondern von anderen Faktoren des Gesamtsystems der Verhaltensdetermination bestimmt wird.
Die größte Rolle spielen - entsprechend der prozentualen Verteilung und vor allem dem errechneten Durchschnittswert - die Erklärungen und Unterweisungen des operativen Mitarbeiters. Ihre Wirkung auf die innere Bereitschaft der inoffiziellen Mitarbeiter zur Auftragserfüllung und zur Zusammenarbeit wird im Durchschnitt weit höher bewertet als die Einwirkungen durch die Publikationsorgane und die öffentliche Meinung und sogar höher als Lob/Anerkennung sowie Tadel/Kritik.
Dieses Ergebnis unterstreicht nachdrücklich, daß der operative Mitarbeiter ein hohes Maß an Verantwortung für das Verhalten der inoffiziellen Mitarbeiter in der Zusammenarbeit trägt. Von seiner Persönlichkeit, seiner Autorität und auch besonders von seinen Fähigkeiten zur Menschenführung und -formung, zur überzeugenden Argumentation und Beeinflussung, zur individuell-gestalteten Vermittlung gesellschaftlicher Anschauungen usw, ist wesentlich eine zuverlässige und erfolgreiche Zusammen-
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 21775, Bl. 1-183
Welche Faktoren sind ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit mit der Stasi? Eine Dissertation, verfasst an der Juristischen Hochschule des MfS, ging dieser Frage aufgrund von empirischen Daten nach.
Insgesamt 174 Dissertationen wurden an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam / Golm geschrieben. In den 50er und 60er Jahren sollten Mitarbeiter des MfS, die für höhere Aufgaben vorgesehen waren, aber nur einen einfachen Bildungsweg beschritten hatten, hier eine "klassenbewusste" Allgemeinbildung und Einweisung in wissenschaftliche Standards erhalten. Danach ging fast jeder Hauptamtliche Mitarbeiter dorthin, zum Fach- oder Hochschulstudium oder zur Qualifikation und Weiterbildung.
Die vorliegende Dissertation des höheren Stasi-Offiziers Manfred Hempel befasst sich mit der Anwerbung von Informanten, den Inoffiziellen Mitarbeitern. Im Mittelpunkt stehen dabei moralische Faktoren, die für eine Zusammenarbeit von DDR-Bürgerinnen und -Bürger mit dem MfS relevant waren.
In erster Linie setzten die MfS-Anwerber auf Freiwillige, öfter auf deren politische Einstellung, seltener auf materielle Verlockungen. Noch seltener wählten die Stasi-Offiziere bewusst das Mittel der Erpressung, um Informanten zu gewinnen. In sehr vielen Fällen kamen die Überzeugungskünste der Geheimpolizisten zum Tragen und sie schlichen sich ins Vertrauen der zukünftigen Spitzel ein. Gleichzeitig aber nutzte die Stasi auch private Notsituationen, kompromittierendes Material oder Angstgefühle aus, um "Quellen" zu gewinnen. Diese Methoden der Nötigung wurden in den 50er und 60er Jahren vergleichsweise oft eingesetzt.
Hempel erlangte mit dieser Arbeit den akademischen Titel eines Dr. jur. mit der Benotung magna cum laude.
Chartschew, A. G.: Zu den bisherigen Ergebnissen der Diskussion über die Kategorien der Ethik, in: Gewi 12/1965
Claus, G.: Zur statischen Auswertung von Befragungsergebnissen, in: PEP III/IV/1962
Clauß, G.: Zur Methodik pädagogisch-psychologischer Untersuchungen, in: Methodische Probleme der Jugendforschung (Psychologische Beiträge)Abteilung I, VWV Berlin 4/1965
Deutschländer, H.: Zur Quantifizierung gesellschaftlicher Erscheinungen, speziell ideologisch-moralischer Prozesse, in: DZfPh 5/1965
Drobnizke, O. G.: Über die Kategorie Pflicht in der marxistischen Ethik, in: Gewi 2/ 1962
Dorst, W.: Erziehung zur gesellschaftlichen Verantwortung, in: Einheit 11/12/ 1965
Eichhorn, W.: Zu einigen Fragen der Entwicklung der Ethik als Wissenschaft, in: DZfPh 3/1963
Eichhorn, W.: Gedanken zur konkret sozialistischen Forschung, in: DZfPh 3/1963
Eichhorn, W./Thiel, R.: Einige Fragen der systematischen Gestaltung soziologischer Untersuchungen, in: Fragen der marxistischen Soziologie, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin 1964 (Sonderband)
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Konspirative Ermittlungsmethode, auch "Maßnahme A" genannt. Die Telefonüberwachung zählte zu den Hauptaufgaben der Abt. 26. Die Einleitung einer telefonischen Abhörmaßnahme erfolgte in den Schaltstellen der Deutschen Post durch dort tätige OibE oder IM, die Aufzeichnung der Gespräche in den Abhörstützpunkten des MfS.
In den 50er Jahren wurden die Inhalte der Telefonüberwachung handschriftlich protokolliert. Seit Mitte der 60er Jahre kamen manuell bediente Kassettenrekorder zum Einsatz, seit 1978 Geräte, die ein automatisches Mitschneiden von Telefongesprächen erlaubten. Seit 1986 wurden die verschiedenen Abhörgeräte durch ein einheitliches Abhörsystem abgelöst.
Die Auswerter zeichneten je nach Auftrag die Gespräche auszugsweise oder ganz auf. Die Gesprächsteilnehmer wurden in einer Arbeitskartei der Abt. 26 registriert. Darüber hinaus wurde ein Datenspeicher zu Personen und Sachverhalten und eine Stimmendatenbank zur Identifikation verdächtiger Personen geführt.
Werber hatten planmäßig Kandidaten für die inoffizielle Arbeit im Operationsgebiet zu kontaktieren und zu rekrutieren. Seit 1984 wurde zwischen zwei Typen von Werbern unterschieden: Werber I wurden für die Kontaktierung, Vorbereitung und Durchführung von Werbungen eingesetzt oder nahmen die "unmittelbare Bearbeitung" von Werbekandidaten vor. Werber II waren für die Hinweis- und Dossierarbeit zur Aufklärung von Personen, Sachverhalten und Objekten eingesetzt. 1988 gab es 275 bundesdeutsche Werber.
Dissertation "Zur Rolle und dem aktuell-politischen Inhalt eines aufgabenbezogenen Feindbildes in der Zusammenarbeit mit IM" Dokument, 363 Seiten
Richtlinie 1/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Dokument, 65 Seiten
Anforderungen und Wege der weiteren Qualifizierung der Arbeit mit Führungs-IM Dokument, 359 Seiten
Dissertation "Die Planung der politisch-operativen Arbeit im Ministerium für Staatssicherheit" Dokument, 298 Seiten