Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 251, Bl. 22-34
Anlässlich ihres Aufenthaltes bei der KSZE-Konferenz in Helsinki hatten die Mitarbeiter des MfS strenge Verhaltensrichtlinien zu beachten.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Das MfS versuchte den Aufenthalt der DDR-Delegation in Helsinki bestmöglich zu sichern und zu überwachen. Dabei hatte es sowohl die möglichen Gefahren durch Anschläge, als auch die Spionage durch andere Geheimdienste im Blick. Die Personenschützer des MfS waren bewaffnet und dazu ermächtigt, in Gefahrensituationen von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.
Die MfS-Mitarbeiter, vornehmlich der Hauptabteilung PS, sollten die Delegation allerdings nicht nur absichern sondern nach Möglichkeit auch für das MfS interessanten Informationen sammeln. Die vorliegende "Einweisungskonzeption" regelte die Verhaltensweisen und Aufgabenfelder bis ins Detail. Disziplin, Sauberkeit, Ordnung, sachliche Kommunikation, Misstrauen und bestimmendes Auftreten wurde von den Mitarbeitern als Repräsentanten der DDR verlangt. Wie groß das Misstrauen des MfS gegenüber seinen eigenen Leuten und den anderen Mitgliedern der DDR-Delegation war zeigt, dass Ausgang nur in einer Gruppe von mindestens drei Personen und nur nach Genehmigung und Absprache gestattet war.
1. Prinzipielle Verhaltensweisen der eingesetzten Mitarbeiter während des Aufenthaltes auf finnischem Territorium
Der Einsatz während der 3. Phase der [durchgestrichen: ISK] [Handschriftliche Ergänzung: KSZE] in Helsinki erfordert von jeden einzelnen Mitarbeiter, große Anstrengungen zu unternehmen, um die angewiesenen Aufgaben erfolgreich lösen zu können.
Neben spezifisch angewiesenen Aufgaben gilt es insbesondere, eine aufmerksame Sicherungs- und Beobachtungstätigkeit für den festgelegten Verantwortungsbereich (Beobachtungssektor) zu garantieren.
Die eingesetzten Mitarbeiter haben, soweit erkennbar, das von finnischer Seite praktizierte Sicheruagssystem in der jeweiligen unmittelbaren Umgebung und darüberhinaus der weiteren Tiefe,
zu erfassen und einzuprägen. Dabei interessiert dieses System in der Gesamtheit, festgestellte Führungspunkte, eingesetzte technische Mittel und bereitgestellte Kräfte in Uniform und Zivil sowie deren typische Verhaltensweisen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 251, Bl. 22-34
Anlässlich ihres Aufenthaltes bei der KSZE-Konferenz in Helsinki hatten die Mitarbeiter des MfS strenge Verhaltensrichtlinien zu beachten.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Das MfS versuchte den Aufenthalt der DDR-Delegation in Helsinki bestmöglich zu sichern und zu überwachen. Dabei hatte es sowohl die möglichen Gefahren durch Anschläge, als auch die Spionage durch andere Geheimdienste im Blick. Die Personenschützer des MfS waren bewaffnet und dazu ermächtigt, in Gefahrensituationen von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.
Die MfS-Mitarbeiter, vornehmlich der Hauptabteilung PS, sollten die Delegation allerdings nicht nur absichern sondern nach Möglichkeit auch für das MfS interessanten Informationen sammeln. Die vorliegende "Einweisungskonzeption" regelte die Verhaltensweisen und Aufgabenfelder bis ins Detail. Disziplin, Sauberkeit, Ordnung, sachliche Kommunikation, Misstrauen und bestimmendes Auftreten wurde von den Mitarbeitern als Repräsentanten der DDR verlangt. Wie groß das Misstrauen des MfS gegenüber seinen eigenen Leuten und den anderen Mitgliedern der DDR-Delegation war zeigt, dass Ausgang nur in einer Gruppe von mindestens drei Personen und nur nach Genehmigung und Absprache gestattet war.
Darüberhinaus sind alle weiteren gegnerischen Aktivitäten in der Umgebung unserer Sicherungsobjekte in Helsinki bedeutsam, gleich in welcher Art und Weise sie getarnt sind.
Während des Aufenthaltes in Finnland ist die strikte Einhaltung der Disziplin und festgelegter Ordnung unbedingt erforderlich. Jeder Mitarbeiter hat sich ständig in dem zugewiesenen Sicherungsbereich aufzuhalten und diesen nur auf Weisung seines unmittelbaren Vorgesetzten zu verlassen.
In sämtlichen von unseren Mitarbeitern genutzten Räumlichkeiten, am Konferenzort, in den Unterkunftsobjekten sowie im Regierungszug ist ein Höchstmaß von Ordnung und Sauberkeit zu gewährleisten.
Auf Grund der vorhandenen Möglichkeiten, daß das Verhalten eines jeden einzelnen ständig von finnischer Seite beobachtet und dokumentarisch erfaßt werden kann, haben unsere Mitarbeiter ein sachliches, korrektes, höfliches, aber in jedem Fall bestimmtes Auftreten an den Tag zu legen. Auf keinen Fall sind Erscheinungen grundlosen nervösen oder insgesamt hektischen Verhaltens auftreten zu lassen. Bei jeder Verhaltensweise ist davon auszugehen, daß wir den sozialistischen deutschen Staat repräsentieren. Analog und schwerpunktmäßig trifft auch das ständige Beobachten und dokumentarische Erfassen unserer Genossen und der eingeleiteten Sicherungsmaßnahmen durch andere gegnerische
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Liste von Journalisten, die sich kritisch zu den KSZE-Verhandlungen der DDR äußerten Dokument, 5 Seiten
Anweisung zur Überwachung "feindlich-negativer Kräfte" während der KSZE-Konferenz Dokument, 2 Seiten
Ablauf des Besuches der DDR-Delegation zur Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki Dokument, 5 Seiten
Reaktionen katholischer Geistlicher auf die Beschlüsse der KSZE-Konferenz Dokument, 2 Seiten