Fernschreiben von Schwanitz an die Leiter der Bezirks- und Kreisämter mit der Anweisung, das Eindringen von Demonstranten zu verhindern
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 8998, Bl. 4
Am 4. und 5. Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger etliche Bezirks- und Kreisämter des neu gegründeten Amts für Nationale Sicherheit. Vorausgegangen waren Gerüchte über die Vernichtung von Akten. AfNS-Chef Wolfgang Schwanitz befahl zunächst den Dienststellen in einem Telegramm, die Besetzungen zu verhindern.
Mit der Wahl einer neuen Regierung durch die Volkskammer der DDR am 17. November 1989 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) umgewandelt. Das Amt unterstand nun nicht mehr direkt der SED-Führung, sondern dem Ministerpräsidenten. Dem AfNS unterstellt waren die Bezirks- und Kreisämter, ehemals Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen des MfS.
Nur wenige Tage nach dieser Zäsur, am 4. und 5. Dezember 1989, verschafften sich mutige Bürgerinnen und Bürger, angeführt von Mitgliedern der Bürgerbewegung, Zugang zu den Bezirks- und etlichen Kreisämtern in der gesamten DDR. Die Protagonisten forderten, die Aktenvernichtung zu unterbinden und die Archive der Stasi zu versiegeln. Sie wollten Einsicht in die Heizanlagen, in die Aschetonnen sowie in die Kofferräume der Pkws und Aktentaschen der Mitarbeiter der Geheimpolizei haben. Hintergrund waren Gerüchte über die Vernichtung von Unterlagen der Staatssicherheit, die sich bestätigten.
In einem Telegramm befahl der AfNS-Leiter Wolfgang Schwanitz den Diensteinheiten (vergeblich) "den Zutritt unberechtigter Personen unbedingt zu verhindern".
Metadaten
- Diensteinheit:
- Amt für Nationale Sicherheit, Leiter
- Datum:
- Dezember 1989
- Rechte:
- BStU
- Überlieferungsform:
- Dokument
Abschrift eines Fernschreibens des Leiters des Amtes für Nationale Sicherheit an alle Leiter der Bezirks- und Kreisämter
Am heutigen Tage drang eine große Menschenmenge gewaltsam in das Bezirksamt Erfurt ein. Weitere Objekte sind bedroht.
Die Situation ist noch nicht bereinigt.
Aus diesem Anlaß wird angewiesen, sofort alle möglichen zusätzlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Objektsicherung zu verstärken und kurzfristig zusätzliche Sperrmaßnahmen durchzusetzen.
Der Zutritt unberechtigter Personen ist unbedingt zu verhindern.
Es sind alle zur Verfügung stehenden Mittel, Löscheinrichtungen und übergebenen speziellen Mittel - außer gezielte Schußwaffenanwendung - zum Einsatz zu bringen.
Alle verfügbaren Kräfte sind auf diese Situation einzustellen und entsprechend zu orientieren, um die vorgenannte Aufgabe voll durchzusetzen.
Mit der Deutschen Volkspolizei sind weitere Abstimmungen zum Einsatz zusätzlicher Kräfte herbeizuführen.
Schwanitz
Generalleutnant