Signatur: BStU, MfS, ZMD, Nr. 107, Bl. 1
Bei der Vorbereitung des Olympia-Kaders spielte auch Doping eine Rolle. In der Sektion Schwimmen etwa wurde getestet, wie die Leistungen der Sportler durch Injektionen verbessert werden könnten, ohne dass die Betroffenen die genauen Folgen und Nebenwirkungen der Präparate kennen sollten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine Mannschaft mit eigenen Staatssymbolen. Vier Jahre davor in Mexiko gab es zwar auch schon zwei getrennte deutsche Teams, doch traten die noch unter gemeinsamer Flagge und Hymne an. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit, als souveräner Staat aufzutreten und internationale Anerkennung zu verbuchen. Die DDR-Führung betrachtete ihre Athleten gerne als „Diplomaten im Trainingsanzug“. Sie sollten die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, unabhängige Berichterstattung über die Olympiade möglichst zu unterbinden, Werbung aus dem Westen zu unterfangen, Doping zu verheimlichen und zu verhindern, dass ostdeutsche Athleten in der Bundesrepublik bleiben würden
Die Sportler sollten mit ihren Erfolgen auch der DDR mehr Anerkennung bescheren. So bekamen die Sportler ein genaues Programm vorgeschrieben. Dazu gehörten optimale Trainingsbedingungen, unter der Umschreibung „begleitenden Maßnahmen“ aber auch staatlich verordnetes Doping.
Sportärztliche Hauptberatungsstelle
- Abt. Leistungssport –
Berlin, den 6.7.1970
Re/Km
Absprache mit Gen. Chefarzt Dr. Wuscheck über die Vorbereitung der O-Kader der Sektion Schwimmern zur Vorbereitung für die DDR- und Europameisterschaft
Während meiner Abwesenheit in Polen wurde folgende Behandlung der O-Kader abgesprochen:
[anonymisiert]: 1000 mg Glucose + 2 Amp. Cocarboxylase
+ Vitamin B12
+ Ascorvit
je nach Intensität des Trainings ca 2 x in der Woche
[anonymisiert] und [anonymisiert] und [anonymisiert]: 50 mg Retabolil
[anonymisiert]: 100 mg Rtabolil
Diese 4 Sportler je 1 x in der Woche.
insgesamt 3 x
Die 1. Retabolil-Injektion erfolgte am 25.6.70 durch [anonymisiert].
Am selben Tag übernahm ich die Weiterbehandlung der Schwimmer.
Die 2. Retabolil-Injektion erfolgte durch mich am 2.7.70 bei [anonymisiert] (5mg), [anonymisiert] (50 mg), [anonymisiert] (100 mg).
Da [anonymisiert] eine Gewichtszunahme von 3 kg hatte, setzte ich bei ihr die 2. Retabolil-Injektion ab. (Gewicht am 24.6. 70 kg
am 2.7. 73 kg)
Sie empfand eine Muskelzunahme, besonders in den Armen, ohne daß entsprechend Kraft vorhanden war.
Die Sportler wurden vorher weder von mir noch von einem anderen Arzt über die Wirkung und Nebenwirkungen der Retabolil-Behandlung aufgeklärt. Sie wußten lediglich, daß eine Behandlung zur Leistungssteigerung vorgenommen wird.
Am 6.7.70 führten ChA Dr. Wuschech, [anonymisiert], [anonymisiert], und [anonymisiert] eine Absprache. Ich wies Gen. Chefarzt auf die Gewichtszunahme bei [anonymisiert] hin und darauf, daß den Sportlern die Nebenwirkungen von Retabolil unbekannt seien, zumal 2. Sportlerinnen [anonymisiert] und [anonymisiert] damit behandelt wurden. Wir setzten die Retabolilbehandlung ab. Wir bereiten die Sportler weiterhin mit Cocarboxylase vor.
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Der Zentrale Medizinische Dienst (ZMD) entstand 1974 aus der Abteilung Medizinischer Dienst. Seine Aufgaben waren: Gewährleistung der medizinischen, ggf. auch psychologischen Versorgung/Betreuung der hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS als auch der UMA, OibE, HIM und zurückgezogener "Kundschafter"; Leitung des MfS-Krankenhauses in Berlin-Buch, der MfS-Poliklinik Berlin-Lichtenberg und des Haftkrankenhauses Berlin-Hohenschönhausen (Abt. Haftkrankenhaus).
Tonbandabschrift eines IM-Berichts über eine Beratung beim Stellvertretenden Staatssekretär für Körperkultur und Sport Dokument, 3 Seiten
Information über Diskussionen zum Umgang und zur Anwendung von unterstützenden Mitteln im Leistungssport Dokument, 2 Seiten
Information Olympiaaufträge/Olympiakader Dokument, 7 Seiten
Vorbereitung und Umsetzung der Überwachung von beantragten und genehmigten Reisen von DDR-Bürgern zu den Olympischen Spielen 1972 nach München Dokument, 2 Seiten