Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 17920, Bd. 2, Bl. 28-37
Um über Jugendkulturen im Bilde zu sein, setzte die Staatssicherheit auf Zuträger aus den entsprechenden Kreisen. Wie detailliert die Informationen waren, zeigt der Bericht eines jugendlichen Inoffiziellen Mitarbeiters an die Geheimpolizei.
Jugendkulturen jenseits des Einflussbereiches der SED-Jugendorganisation FDJ stellten für das SED-Regime eine Bedrohung dar. Die Staatsmacht fürchtete vor allem westliche Einflüsse, die die Jugendlichen von sozialistischen Erziehungszielen entfremdeten.
So waren der Staatsführung auch die Rock'n'Roll- und Beatbewegung der späten 1950er und 1960er Jahre ein Dorn im Auge. Der regelmäßige Empfang von Beat-Musik westlicher Rundfunksender habe negativen Einfluss auf die jungen Leute, so ein Urteil von Partei und MfS. Auf geschickte Weise betreibe der "Klassenfeind" so politisch-ideologische Diversion und verbreite seine imperialistische Ideologie.
In den 1980er Jahren prägten immer häufiger alternative Jugendkulturen das Straßenbild in den Städten und Gemeinden der DDR. Um über die verschiedenen Ausprägungen im Bilde zu sein, stützte sich das MfS auf Berichte von IM aus den entsprechenden Kreisen. In einem handschriftlichen Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) finden sich detaillierte Angaben zu den existierenden Subkulturen in Potsdam. Darin enthalten sind detaillierte Angaben zum Aussehen, zu Vorlieben, zum Verhalten und zugehörigen Personen mit Namen und Anschrift.
XXII
Persönliche Niederschrift
Die New Romantics sind vorwiegend zwischen 14 und 18 Jahren. Halten sich in Potsdam überwiegend in der Disothek "Orion", "Spartakus" und in der Discothek des Schuhhauses auf. Die Jungs tragen die Haare oben meist blond und die drunterliegenden sind schwarz oder entgegengesetzt. Dabei sind die oberen Haare stets abstehend während die unteren am Hals anliegen. Sind meistens in schwarzen Opaanzügen gekleidet, wobei die Hosen oben weiter sind als unten und Hochwasser sind. Dazu werden spitze Schuhe getragen und Hemden mit möglichst viel Rüschen am Hals und an den Enden der Hemden, die dann aus den Jacketts herrauskuken. Auch sind oftmals die Hemden auf der rechten Rückseite mit japanischen oder chinesischen Buchstaben bemalt. Die Mädels tragen meist enge schwarze Röcke, die eine Hand breit über'm Knie enden. Dazu dann schwarze [durchgestrichen: Röcke] Strümpfe. Die Mädels haben auch die Haare hoch und eine lange andersfarbene Strähne im Gesicht. Sie suchen gern den Kontakt von Punks, der jedoch oftmals abgelehnt wird. Musikalisch stehen diese Leute auf Limahl, Cure, Bronski Beat usw. Zu ihnen gehören u.a. [anonymisiert]
Politisch-ideologische Diversion (PID, PiD)
Die politisch-ideologische Diversion ist ein zentraler Begriff aus der Terminologie kommunistischer Staatssicherheitsdienste, der sowohl die ideologischen Einflüsse des Westens auf die Gesellschaften des kommunistischen Machtbereichs als auch politisch und ideologisch abweichendes Denken in diesen Gesellschaften bezeichnet, das grundsätzlich auf diese äußeren Einwirkungen zurückgeführt wurde. Der Begriff entstand 1956/57 in der DDR, als Ulbricht in der Auseinandersetzung mit den Anhängern einer inneren Liberalisierung neue Feindmethoden der ideologischen "Aufweichung und Zersetzung" zu erkennen glaubte. Im Februar 1958 wurden diese von der Leitung der MfS zunächst als ideologische Diversion definiert.
Als PiD avancierte der Terminus in der DDR-Geheimpolizei in wenigen Jahren zum Schlüsselbegriff. Das MfS wurde zur "Ideologiepolizei". DDR-Bürger, die öffentlichkeitswirksam abweichende politische Ansichten äußerten, wurden als "Träger der PiD" kategorisiert und entsprechend überwacht. Die PiD galt als Voraussetzung für die Herausbildung organisierter Formen politischer Opposition. Nach anfänglicher Skepsis der Sowjets gegenüber diesem Ansatz – ideologische Auseinandersetzungen galten dort eigentlich als Angelegenheit der Partei – wurde der Terminus und die damit verbundene operative Ausrichtung später von den anderen kommunistischen Geheimdiensten übernommen.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
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Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 17920, Bd. 2, Bl. 28-37
Um über Jugendkulturen im Bilde zu sein, setzte die Staatssicherheit auf Zuträger aus den entsprechenden Kreisen. Wie detailliert die Informationen waren, zeigt der Bericht eines jugendlichen Inoffiziellen Mitarbeiters an die Geheimpolizei.
Jugendkulturen jenseits des Einflussbereiches der SED-Jugendorganisation FDJ stellten für das SED-Regime eine Bedrohung dar. Die Staatsmacht fürchtete vor allem westliche Einflüsse, die die Jugendlichen von sozialistischen Erziehungszielen entfremdeten.
So waren der Staatsführung auch die Rock'n'Roll- und Beatbewegung der späten 1950er und 1960er Jahre ein Dorn im Auge. Der regelmäßige Empfang von Beat-Musik westlicher Rundfunksender habe negativen Einfluss auf die jungen Leute, so ein Urteil von Partei und MfS. Auf geschickte Weise betreibe der "Klassenfeind" so politisch-ideologische Diversion und verbreite seine imperialistische Ideologie.
In den 1980er Jahren prägten immer häufiger alternative Jugendkulturen das Straßenbild in den Städten und Gemeinden der DDR. Um über die verschiedenen Ausprägungen im Bilde zu sein, stützte sich das MfS auf Berichte von IM aus den entsprechenden Kreisen. In einem handschriftlichen Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) finden sich detaillierte Angaben zu den existierenden Subkulturen in Potsdam. Darin enthalten sind detaillierte Angaben zum Aussehen, zu Vorlieben, zum Verhalten und zugehörigen Personen mit Namen und Anschrift.
[anonymisiert] (ziemlich weiche Typen)
Hard-Core-Punx
Die Hard-Core-Punx sind vorrangig in Berlin zu finden. Sie sind so ca. zwischen 16-18 Jahren. Die Hard-Core-Punx tragen grundsätzlich einen schwarzen Iro. Dazu dann Lederjacke, Lederhose und Springerstiefel sowie irgendwelche Ketten an den Jacken und Nietenarmbänder und Nietengürtel. Sie stehen auf total aggressive Musik wie z.B. Rotz Kotz, Schleim Keim, Wutanfall, Internationale Müllabfuhr, Christliche Knüpp Brigade etc. Auch sind sie nicht grad nett zu älteren Bürgern und totalen Spießern. Dagegen sind sie zu Kleinkindern gradezu überfreundlich Träumen von der Anarchie. Zu ihnen gehören u.a. [anonymisiert]
Schmuddel Punx
Als schmuddel Punx bezeichnet man die Leute, die zwar als Punk herrumrennen, aber total
Politisch-ideologische Diversion (PID, PiD)
Die politisch-ideologische Diversion ist ein zentraler Begriff aus der Terminologie kommunistischer Staatssicherheitsdienste, der sowohl die ideologischen Einflüsse des Westens auf die Gesellschaften des kommunistischen Machtbereichs als auch politisch und ideologisch abweichendes Denken in diesen Gesellschaften bezeichnet, das grundsätzlich auf diese äußeren Einwirkungen zurückgeführt wurde. Der Begriff entstand 1956/57 in der DDR, als Ulbricht in der Auseinandersetzung mit den Anhängern einer inneren Liberalisierung neue Feindmethoden der ideologischen "Aufweichung und Zersetzung" zu erkennen glaubte. Im Februar 1958 wurden diese von der Leitung der MfS zunächst als ideologische Diversion definiert.
Als PiD avancierte der Terminus in der DDR-Geheimpolizei in wenigen Jahren zum Schlüsselbegriff. Das MfS wurde zur "Ideologiepolizei". DDR-Bürger, die öffentlichkeitswirksam abweichende politische Ansichten äußerten, wurden als "Träger der PiD" kategorisiert und entsprechend überwacht. Die PiD galt als Voraussetzung für die Herausbildung organisierter Formen politischer Opposition. Nach anfänglicher Skepsis der Sowjets gegenüber diesem Ansatz – ideologische Auseinandersetzungen galten dort eigentlich als Angelegenheit der Partei – wurde der Terminus und die damit verbundene operative Ausrichtung später von den anderen kommunistischen Geheimdiensten übernommen.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
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Information zu "Erscheinungsformen gesellschaftswidrigen Auftretens und Verhaltens negativ-dekadenter Jugendlicher" Dokument, 18 Seiten
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Anlagekarte zur Neuausschreibung von Personalausweisen wegen "Beatle-Frisuren" Dokument, 2 Seiten
"Bericht" des Volkspolizeikreisamts Leipzig zu "Jugendtanzkapellen" Dokument, 16 Seiten