Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 505, Bl. 82
Am 5. September um 5 Uhr morgens wurde das Quartier der israelischen Mannschaft im Olympischen Dorf von acht Terroristen der palästinensischen Gruppe "Schwarzer September" überfallen. Das Ziel der Geiselnahme war die Freipressung von über 200 Palästinensern in israelischen Gefängnissen sowie die Freilassung der bundesdeutschen Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
Zwei Sportler wurden sofort erschossen. Bei einem gescheiterten Rettungsversuch der Polizei auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck starben neben allen neun israelischen Geiseln auch ein Polizist und fünf der acht Palästinenser. Drei Terroristen wurden festgenommen.
Am 08. September 1972, kurz nach dem Terroranschlag, berichtet eine "zuverlässige inoffizielle Quelle" der Hauptabteilung XX/3 (Politische Repression und Überwachung/Abteilung Sport), dass es im Vorfeld Hinweise auf einen bewaffneten Überfall gegeben habe. Quelle sei ein westdeutscher Wirtschafts-Journalist gewesen. Das MfS prüfte diese Informationen sofort. Anfragen bei der DDR-Nachrichtenagentur ADN und beim Rundfunk- und Fernsehen der DDR ergaben jedoch keinerlei weitere Kenntnisse von Hinweisen auf einen geplanten Terrorakt während der Olympischen Spiele.
Hauptabteilung XX/3
Berlin, den 8. 9. 1972
Information
Eine zuverlässige inoffizielle Quelle der Hauptabteilung XX/3, informierte am 8. 9. 1972 zu dem bewaffneten Überfall im olympischen Dorf folgendes:
Der westdeutsche Wirtschafts-Journalist [anonymisiert] äusserte gegenüber der Quelle, dass es rechtzeitig Hinweise auf den bewaffneten Überfall gegeben habe. Sinngemäß erklärte [anonymisiert]: Die Vorkommnisse wären nicht nötig gewesen, wenn man auf die Meldung gehört hätte, die der Korrespondent des, [anonymisiert] in Tel Aviv bereits vor drei Monaten gegeben habe. Lt. dieser Meldung sei der Terrorakt für den Beginn der zweiten Hälfte der Olympischen Sommerspiele in München vorausgesagt worden.
Die genannte Mitteilung hätten 30 Tageszeitungen in der BRD und angeblich auch der ADN in der DDR erhalten. Deshalb schlussfolgerte [anonymisiert], trage auch die DDR Verantwortung mit.
[anonymisiert] selbst habe die erhaltene Meldung gesondert auch an das Bundeskanzleramt der BRD gesandt. Von dort habe er jedoch keine Reaktion und Antwort erhalten.
Die inoffizielle Quelle ist zuverlässig und mehrfach überprüft.
[Unterschrift]
Radeke
Hauptmann
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Information zu Hinweisen über den Terroranschlag während der Olympischen Spiele 1972 Dokument, 1 Seite
Vermerk - Überprüfung vorliegende Hinweise Dokument, 2 Seiten
Dokumentation über die Ereignisse des 5. Septembers im Olympischen Dorf Dokument, 14 Seiten
Bericht über die Einreise Horst Mahlers in die DDR Dokument, 2 Seiten