Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2438, Bl. 1-5
Die "Klaus-Renft-Combo" war im Sommer 1975 verboten worden. Die Stasi behielt die Musiker weiter im Auge, wie ein Bericht vom September 1975 zeigt.
Jugendkulturen neben der Jugendorganisation FDJ betrachtete das SED-Regime skeptisch. Die Staatsmacht fürchtete vor allem westliche Einflüsse, welche die Jugendlichen von sozialistischen Erziehungszielen entfremden könnten. So waren der Staats- und Parteiführung auch die Rock'n'Roll- und Beatbewegung der späten 50er und 60er Jahre ein Dorn im Auge.
Eine dieser Rockgruppen war die "Klaus-Renft-Combo", die sich 1958 in Leipzig gründete. Mit ihren systemkritischen Texten zogen die Musiker den Unmut der DDR-Führung auf sich, die ihnen Auftritte immer wieder untersagte. 1975 musste sich die Band komplett auflösen. Der vorliegende ZAIG-Bericht entstand wenige Monate nach dem Verbot der Gruppe. Er zeigt, dass die Musiker weiter unter Kontrolle der Stasi standen.
Ministerium für Staatssicherheit
Berlin, den 29. Sep. 1975
Streng geheim!
Um Rückgabe wird gebeten!
5 Blatt
7 Blatt Anl.
9. Exemplar
Nr. 690/75
Information über weitere negativ-feindliche Aktivitäten der Tanzmusikformation "Klaus-Renft-Combo“, Leipzig
Ergänzend zu in der Information des MfS Nr. 448/75 vom 23.7.1975 getroffenen Feststellungen über negativ-feindliches Auftreten der "Klaus-Renft-Combo" und des Texters [geschwärzt] wurden dem MfS weiter Aktivitäten bekannt.
Die "Klaus-Renft-Combo", die seit 1973 einen Exklusivvertrag mit der Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst der DDR hatte, hielt sich nicht an die Vertragsverpflichtungen und gab in mehreren Konzerten dem feindlich eingestellten Texter [geschwärzt] die Möglichkeit, eigene sowie Biermann-Lieder mit antisozialistischer Aussage vorzutragen. Obwohl [geschwärzt] die Auftrittsgenehmigung als Chansoninterpret durch die Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes Leipzig entzogen worden war, gestattete ihm die "Renft-Combo11 auch weiterhin im Rahmen ihrer Konzerte Auftritte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
aktuelle Seite 1
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2438, Bl. 1-5
Die "Klaus-Renft-Combo" war im Sommer 1975 verboten worden. Die Stasi behielt die Musiker weiter im Auge, wie ein Bericht vom September 1975 zeigt.
Jugendkulturen neben der Jugendorganisation FDJ betrachtete das SED-Regime skeptisch. Die Staatsmacht fürchtete vor allem westliche Einflüsse, welche die Jugendlichen von sozialistischen Erziehungszielen entfremden könnten. So waren der Staats- und Parteiführung auch die Rock'n'Roll- und Beatbewegung der späten 50er und 60er Jahre ein Dorn im Auge.
Eine dieser Rockgruppen war die "Klaus-Renft-Combo", die sich 1958 in Leipzig gründete. Mit ihren systemkritischen Texten zogen die Musiker den Unmut der DDR-Führung auf sich, die ihnen Auftritte immer wieder untersagte. 1975 musste sich die Band komplett auflösen. Der vorliegende ZAIG-Bericht entstand wenige Monate nach dem Verbot der Gruppe. Er zeigt, dass die Musiker weiter unter Kontrolle der Stasi standen.
(Z.B. am 4. 3. 1975 im Metropoltheater Berlin in der Veranstaltungsreihe "Beat im Metropol" und am 5. 3. 1975 in der Mensa der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt.) Die "Renft-Combo" arbeitete auch in der Folgezeit eng mit [geschwärzt] als Text-Autor zusammen, und die Musiker brachten bei einigen Veranstaltungen öffentlich Sympathie für [geschwärzt] zum Ausdruck, indem sie z. B. dem Publikum zu verstehen gaben, [geschwärzt] könne "leider nicht mehr auftreten", aber sie würden weiterhin Texte von ihm vortragen.
Auf Grund der politisch-ideologischen Haltung der Combo wurde der Exklusivvertrag der Gruppe mit der Generaldirektion für 1975 nicht verlängert und im Mai 1975 endgültig gekündigt, wobei die Gruppe zur weiteren Betreuung an die Konzert- und Gastspieldirektion, Leipzig, übergeben wurde. Von dort wurde mit ihr ein Fördervertrag abgeschlossen.
Obwohl mit der "Klaus-Renft-Combo" Auseinandersetzungen wegen ihres Verhaltens geführt worden waren und der Fördervertrag durch die Konzert- und Gastspieldirektion Leipzig konkrete Auflagen für die Combo enthielt, wurden diese durch die Combo ignoriert. (Z.B. wurde während einer Veranstaltung im Kulturhaus der Interflug Schönefeld am 17.9.1975 erneut die Position von [geschwärzt] eindeutig verteidigt.)
So weigerte sich die "Renft-Combo", rechtzeitig Texte für die Titel eines neuen Programms vorzulegen. Dadurch mußte die für den 18.9.1975 vorgesehene Abnahme des neuen Repertoires, die im Kulturhaus "Alfred Frank", Leipzig, stattfinden sollte und für die alle Vorbereitungen getroffen worden waren, kurzfristig abgesetzt werden. In der Auseinandersetzung über die Notwendigkeit der Absetzung der Programmabnahme verhielten sich die Combo-Mitglieder uneinsichtig und sprachen die Drohung aus, die Öffentlichkeit gegen diese Entscheidung zu mobilisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Zur Seite 1 wechseln
aktuelle Seite 2
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Information über negative Auswirkungen bei Auftritten von Beat-Formationen Dokument, 13 Seiten
Vermerk über das Auftreten Udo Lindenbergs Dokument, 1 Seite
Bericht über die Aktivitäten von Biermann-Freunden in der DDR nach dessen Ausbürgerung Dokument, 10 Seiten
Operative Information Nr. 30/83 über Udo Lindenberg hörende Studenten Dokument, 1 Seite