Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 3744, Bl. 4-6
Deutsch-deutsche Fussballduelle stellten das Ministerium für Staatssicherheit vor besondere Herausforderungen. Von der Begegnung zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart im April 1989 berichtete Stasi-Minister Mielke dem Politbüro persönlich.
Fußballduelle zwischen Mannschaften aus den beiden deutschen Staaten waren auch für die Stasi eine Herausforderung. Bei Heimspielen organisierte sie umfangreiche Sicherungs-, Kontroll-, und Überwachungsmaßnahmen. Vor allem "Störversuche" und mögliche "provokatorische Handlungen" von DDR-Bürgern sollten verhindert werden.
Mit der vorliegenden "Information" berichtete Stasi-Chef Erich Mielke dem Politbüro persönlich über die Abläufe des Europapokal-Halbinfal-Rückspiels zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart vom 19. April 1989. Der Bericht geht insbesondere auf einen Vorfall ein, bei dem sich ein junger Westdeutscher gegen die Mauer aussprach. Gegen ihn wurde ein "Ordnungsstrafverfahren" eingeleitet.
Alle eingeleiteten Maßnahmen erwiesen sich als wirksam und zweckmäßig. Die eingesetzten Sicherungskräfte der Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die Ordnungskräfte des Veranstalters zeigten
während der gesamten Einsatzzeit eine hohe Einsatzbereitschaft und Disziplin.
Zum Cup-Spiel reisten am 19. 4. 1989 insgesamt 926 Touristen aus der BRD, davon 778 mit insgesamt 15 KOM von BRD-Reiseunternehmen über die Grenzübergangsstelle Hirschberg und 148 Einzeltouristen mittels KOM der Reise-Agentur "Travel-Service" über die Grenzübergangsstelle Drewitz, in die DDR ein. Letztere übernachteten im Hotel "Bellevue" und im Motel Dresden. Die Abreise der 778 Touristen erfolgte am 19. 4. 1989, 24.00 Uhr ohne Vorkommnisse.
Die Gastmannschaft reiste am 18. 4. 1989 gegen 12.30 Uhr über die Grenzübergangsstelle Drewitz in die DDR ein und bezog nach Ankunft in Dresden Quartier im Hotel "Bellevue".
(Ihre Ausreise ist für den 20. 4. 1989 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr über die Grenzübergangsstelle Hirschberg vorgesehen.)
In den Abendstunden des 18. und 19. 4. 1989 versammelten sich vor diesem Hotel jeweils ca. 15 bis 25 Fußballfans, vorwiegend aus dem Bezirk Dresden. Ihnen wurden ingeringem Umfang durch Sportler des VfB Stuttgart Autogramme gewährt und Sportwimpel übergeben. Dabei kam es zu keinen Vorkommnissen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 3744, Bl. 4-6
Deutsch-deutsche Fussballduelle stellten das Ministerium für Staatssicherheit vor besondere Herausforderungen. Von der Begegnung zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart im April 1989 berichtete Stasi-Minister Mielke dem Politbüro persönlich.
Fußballduelle zwischen Mannschaften aus den beiden deutschen Staaten waren auch für die Stasi eine Herausforderung. Bei Heimspielen organisierte sie umfangreiche Sicherungs-, Kontroll-, und Überwachungsmaßnahmen. Vor allem "Störversuche" und mögliche "provokatorische Handlungen" von DDR-Bürgern sollten verhindert werden.
Mit der vorliegenden "Information" berichtete Stasi-Chef Erich Mielke dem Politbüro persönlich über die Abläufe des Europapokal-Halbinfal-Rückspiels zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart vom 19. April 1989. Der Bericht geht insbesondere auf einen Vorfall ein, bei dem sich ein junger Westdeutscher gegen die Mauer aussprach. Gegen ihn wurde ein "Ordnungsstrafverfahren" eingeleitet.
Am 19. 4. 1989 gegen 16.00 Uhr rief im Stadtzentrum Dresdens, unmittelbar vor der Großgaststätte "Am Zwinger", ein unter starkem Alkoholeinfluß stehender BRD-Tourist (22 Jahre) die Lösung "Die Mauer muß weg - morgen hat Hitler Geburtstag". Er wurde dem VPKA Dresden zugeführt. In der Befragung gab er zum Motiv seiner Handlung an "gegen die Mauer zu sein, damit sich alle Deutschen - so wie heute in Dresden - begegnen können". Gegen den BRD-Touristen wurde ein Ordnungsstrafverfahren eingeleitet. Er wurde nach Beendigung des Fußballspiels an den zuständigen Reiseleiter übergeben und reiste zusammen mit seiner Reisegruppe aus der DDR aus.
Von den 86 vorgemeldeten Korrespondenten aus dem sozialistischen und nichtsozialistischen Ausland hatten sich 46 im Pressebüro akkreditieren lassen. Sie traten während ihres Aufenthaltes in Dresden nicht negativ in Erscheinung.
Während des Einlasses der Zuschauer in das Stadion und im gesamten Zeitraum des Spieles sowie nach dem Spiel kam es zu keinen Vorkommnissen.
Mit dem Ziel der vorbeugenden Verhinderung von Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wurden am 19. 4. 1989 im Stadtgebiet von Dresden insgesamt 8 Personen aus mehreren Bezirken der DDR im Alter zwischen 19 und 35 Jahren zugeführt. Gründe für die Zuführungen waren Trunkenheit und Beleidigung bzw. Belästigung von Angehörigen der DVP und weiteren Bürgern sowie Versuche des Verkaufs von Eintrittskarten für das Europapokalspiel in spekulativer Absicht. Gegen alle Personen wurden differenzierte ordnungsstrafrechtliche Maßnahmen realisiert. Sie wurden nach Spielende entlassen bzw. wurde ihre Rückführung in die Heimatbezirke veranlaßt.
Die staatliche Sicherheit sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit waren durchgängig gewährleistet.
[Unterschrift Mielke]
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Information über anreisende Touristen zum Europacup-Halbfinale in Dresden am 19. April 1989 Dokument, 1 Seite
Bericht über Vorbereitung auf das Europapokal-Halbfinalspiel Dresden gegen Stuttgart am 19. April 1989 Dokument, 1 Seite
Kräfteeinsatz zum Europapokal-Rückspiel Dresden gegen Stuttgart am 19. April 1989 Dokument, 1 Seite
Übersichtsplan zum Einsatz von Sicherheitskräften im Dynamo-Stadion Dokument, 1 Seite