Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2477, Bl. 8-21
Nach Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki verzeichnete das MfS "massive gegnerische Interventionen" westlicher Menschenrechtsgruppen in "innere Angelegenheiten der DDR".
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte stellten ab 1976 immer mehr DDR-Bürger einen Antrag auf Ausreise in den Westen. Darüber berichteten wiederum westliche Medien, und verschiedene westdeutsche Menschenrechtsorganisationen informierten Ausreisweillige über ihre Optionen. Die Stasi war alarmiert und setzte die SED-Führung mit der vorliegenden Information davon in Kenntnis, dass es zu "massiven gegnerischen Interventionen in innere Angelegenheiten der DDR" im Zusammenhang mit ausreisewilligen DDR-Bürgern komme.
In der Information unterbreitet das MfS außerdem Vorschläge, wie dieser Entwicklung zu begegnen sei. Die DDR müsse der westlichen Einmischung diplomatisch und politisch so offensiv wie möglich begegnen, "in geeigneter Form und zum geeigneten Zeitpunkten".
Daß den Argumenten des Gegners in zunehmendem Maße gefolgt wird, "nicht lockerzulassen; den DDR-Behörden derartig viel Ärger zu machen, daß sie schließlich nachgeben müssen; Durchstehvermögen aufzubringen und auf den Antrag zu beharren; sich "vertrauensvoll" an die Behörden der BRD und an die UNO zur Unterstützung ihrer Bemühungen zur Übersiedlung zu wenden", wird besonders darin deutlich, daß in vielen Fällen wiederholt Anträge und Eingaben eingereicht werden sowie Vorsprachen bei den verschiedensten staatlichen Organen der DDR erfolgen und die Übersiedlung von einer erheblichen Anzahl antragstellender DDR-Bürger hartnäckig betrieben wird.
Die Antragsteller verschließen sich in den meisten Fällen den ihnen gegenüber zum Ausdruck gebrachten sachlichen und politischen Argumenten. Bei diesen Personen handelt es sich im wesentlichen um hartnäckige Dauerantragsteller. Die Mehrzahl von ihnen ist mehrfach vorbestraft, asozial oder kriminell gefährdet und besitzt eine verfestigte negative Grundeinstellung zu unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung.
Aus der Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung nach der BRD wird sichtbar, daß die Handlungen und Verhaltensweisen im wesentlichen in Einflüssen und Auswirkungen der politisch-ideologischen Diversion und der zielgerichteten gegnerischen Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit motiviert sind.
Die Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin weist aus, daß im Zeitraum vom 1.1.1972 bis 31.12.1975 insgesamt 37.972 Bürger der DDR offiziell einen Antrag auf Übersiedlung gestellt haben. Darüber hinaus wenden sich zunehmend Bürger der DDR mit schriftlichen Eingaben, Gesuchen oder durch Vorsprachen an die zuständigen staatlichen Organe, um ihrer Antragstellung auf Übersiedlung Nachdruck zu verleihen oder nach Ablehnung der Genehmigung erneut einen diesbezüglichen Antrag zu stellen.
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Von der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten im Zuge der Entspannungspolitik verfolgte vertragliche Erleichterung und Förderung von Ost-West-Kontakten. Findet sich zumeist mit dem Begriff Kontakttätigkeit als Begriffspaar (KP/KT). Die MfS-Führung war der Überzeugung, dass die Bundesrepublik die Kontaktpolitik nutzte, um durch ideologische Beeinflussung der Bevölkerung die politischen Machtverhältnisse in der DDR in ihrem Sinne zu verändern.
Das westliche Interesse an der Erleichterung des privaten Reiseverkehrs, an Städtepartnerschaften, wissenschaftlichem Austausch, der Entsendung diplomatischer Vertreter und Korrespondenten in die DDR, selbst das Bemühen um den Ausbau der Handelsbeziehungen sah das MfS auch als Ausdruck einer gezielten Kontaktpolitik, die das Normalisierungsinteresse nur als Vorwand nutzte.
Da KPdSU und SED als Initiatoren der Entspannungspolitik auftraten, übte das MfS keine grundsätzliche Kritik, machte seine Mitarbeiter aber intern immer wieder auf die Gefahren dieser Politik aufmerksam und forderte zu vermehrten Anstrengungen auf, die Kontakttätigkeit als Auswirkung der Kontaktpolitik einzudämmen. Letztlich waren die Möglichkeiten des MfS aber zu begrenzt, um nachhaltig Gegenwirkung zu erzeugen. Selbst SED-Mitglieder waren im Laufe der Jahre immer weniger bereit, auf Westkontakte zu verzichten.
Auf der vermeintlichen Kontaktpolitik westlicher Staaten basierende Ost-West-Kontakte, denen vom MfS unterstellt wurde, einer zielgerichteten ideologischen und politischen Unterminierung der DDR und anderer kommunistischer Länder sowie der Beschaffung von Informationen zu dienen. Findet sich zumeist zusammen mit dem Begriff Kontaktpolitik als Begriffspaar (KP/KT).
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2477, Bl. 8-21
Nach Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki verzeichnete das MfS "massive gegnerische Interventionen" westlicher Menschenrechtsgruppen in "innere Angelegenheiten der DDR".
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte stellten ab 1976 immer mehr DDR-Bürger einen Antrag auf Ausreise in den Westen. Darüber berichteten wiederum westliche Medien, und verschiedene westdeutsche Menschenrechtsorganisationen informierten Ausreisweillige über ihre Optionen. Die Stasi war alarmiert und setzte die SED-Führung mit der vorliegenden Information davon in Kenntnis, dass es zu "massiven gegnerischen Interventionen in innere Angelegenheiten der DDR" im Zusammenhang mit ausreisewilligen DDR-Bürgern komme.
In der Information unterbreitet das MfS außerdem Vorschläge, wie dieser Entwicklung zu begegnen sei. Die DDR müsse der westlichen Einmischung diplomatisch und politisch so offensiv wie möglich begegnen, "in geeigneter Form und zum geeigneten Zeitpunkten".
Von den 37.972 offiziellen Anträgen auf Übersiedlung, darunter allein 20.270 aus dem Jahr 1975, wurden bisher 15.809 Übersiedlungen (darunter 7.618 aus dem Jahr 1975) genehmigt.
22.163 Übersiedlungsanträge (darunter 12.652 aus dem Jahr 1975) wurden bisher nicht genehmigt, da keine den geltenden Grundsätzen entsprechenden Gründe vorlagen.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß diese Zahlen nur von den gegenwärtig vorliegenden Angaben ausgehen, d.h., daß die zu verzeichnende Tendenz hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Antragstellung unter Beachtung der eingangs dargestellten massiven Einwirkungsversuche des Gegners auf Bürger der DDR und die evtl. daraus erwachsenden zukünftigen Probleme aus diesen Zahlen allein nicht sichtbar werden.
Aus der Sicht der dem Ministerium für Staatssicherheit vorliegenden Erkenntnisse über das gegnerische Vorgehen und die Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung werden folgende Vorschläge bzw. Empfehlungen zur Prüfung bestimmter Maßnahmen unterbreitet, die geeignet sein könnten, dem gegnerischen Vorgehen entgegenzuwirken und den Umfang der Antragstellungen kontinuierlich zurückzudrängen.
1. Den zunehmend massiven Einmischungsversuchen in die inneren Angelegenheiten der DDR seitens reaktionärer Kräfte der BRD und Westberlins sollte in geeigneter Form und zu geeigneten Zeitpunkten auf politischem und diplomatischem Wege offensiv entgegengewirkt werden.
2. Ausgehend von den neuen Erscheinungsformen des massiven Einwirkens des Gegners auf die Probleme der Übersiedlung von Bürgern der DDR nach nichtsozialistischen Staaten (besonders nach der BRD) und Westberlin, sollte erwogen werden, die gegenwärtig geltenden Grundsätze für die Bearbeitung von Anträgen auf Übersiedlung zu präzisieren.
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2477, Bl. 8-21
Nach Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki verzeichnete das MfS "massive gegnerische Interventionen" westlicher Menschenrechtsgruppen in "innere Angelegenheiten der DDR".
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte stellten ab 1976 immer mehr DDR-Bürger einen Antrag auf Ausreise in den Westen. Darüber berichteten wiederum westliche Medien, und verschiedene westdeutsche Menschenrechtsorganisationen informierten Ausreisweillige über ihre Optionen. Die Stasi war alarmiert und setzte die SED-Führung mit der vorliegenden Information davon in Kenntnis, dass es zu "massiven gegnerischen Interventionen in innere Angelegenheiten der DDR" im Zusammenhang mit ausreisewilligen DDR-Bürgern komme.
In der Information unterbreitet das MfS außerdem Vorschläge, wie dieser Entwicklung zu begegnen sei. Die DDR müsse der westlichen Einmischung diplomatisch und politisch so offensiv wie möglich begegnen, "in geeigneter Form und zum geeigneten Zeitpunkten".
Das gilt insbesondere für Antragsteller, die eine ablehnende Haltung zu unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung als Motiv für die Antragstellung auf Übersiedlung vorgeben bzw. kriminelle oder andere gegen die staatliche Sicherheit und Ordnung gerichtete Handlungen androhen, um durch massiven Druck auf die staatlichen Organe eine Übersiedlung zu erzwingen.
In die Prüfung der Antragstellung sollte deshalb stärker als bisher die Frage einbezogen werden, ob die vorgegebenen Antragsgründe auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen oder inwieweit durch die verschiedensten Formen der Einwirkung des Gegners derartige Motive als Vorwand für die Antragstellung genommen werden.
3. Die durch das Politbüro am 30.4.1974 bestätigten Grundsätze für die Einleitung und Realisierung von Reisesperren von aus der DDR nach nichtsozialistischen Staaten und nach Westberlin übergesiedelten Personen sind noch konsequenter in Anwendung zu bringen.
4. Ausgehend davon, daß ein Teil der Antragsteller (19,1 %) auf Übersiedlung sein Anliegen mit zugespitzten Konfliktsituationen (u.a. ungeklärten Wohnungsverhältnissen, Antreten einer Erbschaft) begründet, sollte im Rahmen des engen kameradschaftlichen Zusammenwirkens zwischen den Schutz- und Sicherheitsorganen, mit den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, den Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen und den gesellschaftlichen Organisationen und Kräften, durch eine zügige, den konkreten Umständen angemessene Klärung des Problems, die Beseitigung der Antrags-gründe auf Übersiedlung erreicht werden.
5. Im stärkeren Umfang als bisher sollte in konsequenter Wahrnehmung der Verantwortlichkeiten der Leiter der zuständigen Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie durch
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Anweisung Mielkes die Folgen der KSZE-Vereinbarungen abzuschätzen Dokument, 6 Seiten
Referat Erich Mielkes zur "Übersiedlung" auf einer Dienstbesprechung Dokument, 60 Seiten
Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf die erste offizielle "Reiseverordnung" Dokument, 11 Seiten
"Feindliche Ausnutzung" der KSZE-Beschlüsse durch die Bundesrepublik Deutschland, die USA und Frankreich Dokument, 7 Seiten