Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 5624, Bl. 312-314
1989 geriet das SED-Regime in der DDR weiter unter Druck. Immer mehr Menschen waren mit den Verhältnissen unzufrieden. Sie wollten die DDR entweder verlassen oder versuchten, das Land zu reformieren und die Politik aktiv mitzugestalten. Im September starteten mehrere Bürgerrechtsinitiativen, die die Staatssicherheit argwöhnisch beobachtete. Nachdem eine offizielle Anmeldung der Gruppe Neues Forum vom Innenministerium als "staatsfeindliche Plattform" abgelehnt wurde, reagierten deren Initiatorinnen und Initiatoren unbeeindruckt.
Bürgerrechtsgruppen hatte es in der DDR bereits vor dem Spätsommer 1989 gegeben. Eine Übersicht, die die Stasi im Mai fertig gestellt hatte, zählte in der gesamten DDR 160 Gruppen auf, die zu einem erheblichen Teil schon seit Jahren existierten. Diese beschränkten sich allerdings in der Regel auf bestimmte Themen (Frieden, Ökologie, Gleichberechtigung der Frauen usw.) und ihre Mitglieder lehnten es ab, sich selbst als "Dissidenten" oder "Oppositionelle" zu bezeichnen. Das hatte vor allem taktische Gründe, weil sie die Diktatur nicht zu sehr herausfordern wollten. Auf der Gegenseite hat die Staatssicherheit die Gruppen genau beobachtet, mit Inoffiziellen Mitarbeitern infiltriert, einzuschüchtern und zu zersetzen versucht. Aber sie mit offen repressiven Mitteln zu zerschlagen und die Aktivistinnen und Aktivisten einzusperren, war ihr nicht möglich. Weil das als "politische" (nicht als rechtliche) Frage galt, hätte die Stasi dazu vorab eine Erlaubnis von SED-Generalsekretär Erich Honecker benötigt. Der aber zögerte, weil er einen Ansehensverlust im westlichen Ausland fürchtete.
Durch die Fluchtwelle über Ungarn im August 1989 und die Unruhe, die sie in der DDR auslöste, änderte sich die Konstellation grundlegend. Viele Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler kamen in diesen Wochen zu der Überzeugung, es sei an der Zeit, sich zu Wort zu melden und eine kritische Öffentlichkeit zu schaffen.
Die Bürgerrechtsinitiative mit der bald größten öffentlichen Resonanz war das Neue Forum, das am 9./10. September in Grünheide bei Berlin ins Leben gerufen wurde. Ihre Kernbotschaft lautete: "Die Zeit ist reif." Von der Staatssicherheit wurde sie genau beobachtet. Das Neue Forum war eine von mehreren politischen Initiativen, die in diesen Wochen gestartet wurden oder, schon etwas länger in Vorbereitung, nun zum ersten Mal an die Öffentlichkeit gingen: die Initiative für die Schaffung einer Sozialdemokratischen Partei in der DDR, die "Vereinigte Linke", der "Demokratische Aufbruch" und "Demokratie jetzt". Zudem solidarisierten sich Liedermacher und Prominente aus der Rockmusikszene mit den Forderungen der Bürgerrechtsgruppen. Das war auch aus Sicht der Stasi "eine neue Qualität" des Vorgehens "feindlicher, oppositioneller Kräfte".
Die Gründungsmitglieder des Neuen Forums verstanden ihr Vorhaben mehr als Bürgerinitiative, denn als Organisationsgründung. Sie bemühten sich, eine Plattform für breitesten gesellschaftlichen Widerstand gegen die Diktatur zu schaffen, auch einfache SED-Mitglieder sollten dafür gewonnen werden. Deshalb war ihr Aufruf relativ allgemein gehalten und betonte mehr die Anerkennung von Problemen und die Notwendigkeit offenen Dialogs, als dass er bereits politische Lösungen propagieren würde. Aus dem gleichen Grund bedienten sie sich eines legalistischen Verfahrens: Sie versuchen, das Neue Forum nach der Vereinigungsverordnung der DDR beim Innenministerium und in den Bezirken offiziell anzumelden. Am 21. September lehnte dies das Innenministerium mit der Begründung ab, es handle sich um eine "staatsfeindliche Plattform". Die Initiatorinnen und Initiatoren ließen sich dadurch nicht einschüchtern, sondern legten mit Hilfe des Anwalts Gregor Gysi rechtlichen Einspruch ein. Für die Auseinandersetzungen und Demonstrationen der folgenden Wochen war damit ein symbolisches Thema gesetzt: "Neues Forum zulassen!" wurde zu einer zentralen Parole der Protestbewegung.
In der vorliegenden "Information" der Staatssicherheit wird geschildert, wie die Personen, die zuvor einen Antrag auf Legalisierung des Neuen Forums gestellt hatten, auf die Ablehnung ihres Vorhabens reagierten. Wenig beeindruckt von der Ermahnung, alle weiteren Aktivitäten des Neuen Forums einzustellen, diskutierten die Beteiligten, wie die Bekanntheit der Initiative zu steigern und weitere Mitglieder zu gewinnen seien.
Auf Anfrage nach dem Aufenthalt der Mitunterzeichnerin Loheit erklärte Klähn, daß sich diese gegenwärtig in Berlin aufhalte, Die Zurückweisung des Antrags und die Belehrung nahm Klähn kommentarlos zur Kenntnis.
Mit den Angehörigen der Akademie der Wissenschaften der DDR, Prof. Reich und Pflugbeil, wurden des weiteren disziplinierende Gespräche durch verantwortliche Leiter geführt. Prof. Reich wurde in einem Gespräch vom 25.09.1989 deutlich zu verstehen gegeben, daß seine Aktivitäten, insbesondere seine Interviews für westliche Medien, im Widerspruch stehen zu den Verpflichtungen für Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften und entgegen seiner eigenen Versprechungen in vorangegangenen Aussprachen, sich künftig entsprechend den Gesetzen zu verhalten.
Reich äußerte daraufhin, daß er seine Handlungen zur Bildung des "Neuen Forums" als berechtigt empfinde. Nach seiner Auffassung habe nach der Verfassung der DDR nicht der Minister des Innern, sondern nur die Oberste Volksvertretung das Recht zu einer solchen Entscheidung. Er betonte, daß er beabsichtige, gegen die staatliche Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Er wolle weiter für einen "Dialog" mit der Partei- und Staatsführung eintreten über Fragen und Probleme, die "durch Fernsehen und Rundfunk der DDR nur verdreht dargestellt werden".
Pflugbeil zeigt sich im Ergebnis mehrfacher disziplinierender Aussprachen mit verantwortlichen Leitern des Zentralinstituts für Herz- und Kreislaufforschung der AdW verunsichert, insbesondere wegen der deutlichen Zurückweisung seiner Aktivitäten, die als Verstöße gegen die im Statut enthaltenen Pflichten für Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften gekennzeichnet wurden sowie wegen der in diesem Zusammenhang vorgelegten Nachweise über weitere Verstöße gegen die Arbeitsordnung der AdW. Hervorgehoben wurde, daß das Verhalten des Pflugbeil geeignet sei, seine fristlose Entlassung zu prüfen. Pflugbeil wurde der Auftrag erteilt, eine schriftliche Stellungnahme zu seinem Auftreten und Verhalten als Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu erarbeiten.
1978 wurden die AIG der Bezirksverwaltungen mit der Integration des Kontrollwesens in Auswertungs- und Kontrollgruppen umgewandelt. Analog zur ZAIG waren die AKG jetzt das Funktionalorgan der Leiter der BV mit den Aufgaben Auswertung und Information, Planung, Überprüfung und Kontrolle, Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie EDV. Darüber hinaus wurden die AKG auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die im Ministerium noch bis 1985 der Abteilung Agitation bzw. der Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen zugeordnet war. 1979 wurden auch in den meisten selbständigen Abteilungen und Hauptabteilungen der MfS-Zentrale AKG gebildet. Die AKG unterstanden den Leitern der jeweiligen Diensteinheit, wurden aber fachlich von der ZAIG angeleitet.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 5624, Bl. 312-314
1989 geriet das SED-Regime in der DDR weiter unter Druck. Immer mehr Menschen waren mit den Verhältnissen unzufrieden. Sie wollten die DDR entweder verlassen oder versuchten, das Land zu reformieren und die Politik aktiv mitzugestalten. Im September starteten mehrere Bürgerrechtsinitiativen, die die Staatssicherheit argwöhnisch beobachtete. Nachdem eine offizielle Anmeldung der Gruppe Neues Forum vom Innenministerium als "staatsfeindliche Plattform" abgelehnt wurde, reagierten deren Initiatorinnen und Initiatoren unbeeindruckt.
Bürgerrechtsgruppen hatte es in der DDR bereits vor dem Spätsommer 1989 gegeben. Eine Übersicht, die die Stasi im Mai fertig gestellt hatte, zählte in der gesamten DDR 160 Gruppen auf, die zu einem erheblichen Teil schon seit Jahren existierten. Diese beschränkten sich allerdings in der Regel auf bestimmte Themen (Frieden, Ökologie, Gleichberechtigung der Frauen usw.) und ihre Mitglieder lehnten es ab, sich selbst als "Dissidenten" oder "Oppositionelle" zu bezeichnen. Das hatte vor allem taktische Gründe, weil sie die Diktatur nicht zu sehr herausfordern wollten. Auf der Gegenseite hat die Staatssicherheit die Gruppen genau beobachtet, mit Inoffiziellen Mitarbeitern infiltriert, einzuschüchtern und zu zersetzen versucht. Aber sie mit offen repressiven Mitteln zu zerschlagen und die Aktivistinnen und Aktivisten einzusperren, war ihr nicht möglich. Weil das als "politische" (nicht als rechtliche) Frage galt, hätte die Stasi dazu vorab eine Erlaubnis von SED-Generalsekretär Erich Honecker benötigt. Der aber zögerte, weil er einen Ansehensverlust im westlichen Ausland fürchtete.
Durch die Fluchtwelle über Ungarn im August 1989 und die Unruhe, die sie in der DDR auslöste, änderte sich die Konstellation grundlegend. Viele Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler kamen in diesen Wochen zu der Überzeugung, es sei an der Zeit, sich zu Wort zu melden und eine kritische Öffentlichkeit zu schaffen.
Die Bürgerrechtsinitiative mit der bald größten öffentlichen Resonanz war das Neue Forum, das am 9./10. September in Grünheide bei Berlin ins Leben gerufen wurde. Ihre Kernbotschaft lautete: "Die Zeit ist reif." Von der Staatssicherheit wurde sie genau beobachtet. Das Neue Forum war eine von mehreren politischen Initiativen, die in diesen Wochen gestartet wurden oder, schon etwas länger in Vorbereitung, nun zum ersten Mal an die Öffentlichkeit gingen: die Initiative für die Schaffung einer Sozialdemokratischen Partei in der DDR, die "Vereinigte Linke", der "Demokratische Aufbruch" und "Demokratie jetzt". Zudem solidarisierten sich Liedermacher und Prominente aus der Rockmusikszene mit den Forderungen der Bürgerrechtsgruppen. Das war auch aus Sicht der Stasi "eine neue Qualität" des Vorgehens "feindlicher, oppositioneller Kräfte".
Die Gründungsmitglieder des Neuen Forums verstanden ihr Vorhaben mehr als Bürgerinitiative, denn als Organisationsgründung. Sie bemühten sich, eine Plattform für breitesten gesellschaftlichen Widerstand gegen die Diktatur zu schaffen, auch einfache SED-Mitglieder sollten dafür gewonnen werden. Deshalb war ihr Aufruf relativ allgemein gehalten und betonte mehr die Anerkennung von Problemen und die Notwendigkeit offenen Dialogs, als dass er bereits politische Lösungen propagieren würde. Aus dem gleichen Grund bedienten sie sich eines legalistischen Verfahrens: Sie versuchen, das Neue Forum nach der Vereinigungsverordnung der DDR beim Innenministerium und in den Bezirken offiziell anzumelden. Am 21. September lehnte dies das Innenministerium mit der Begründung ab, es handle sich um eine "staatsfeindliche Plattform". Die Initiatorinnen und Initiatoren ließen sich dadurch nicht einschüchtern, sondern legten mit Hilfe des Anwalts Gregor Gysi rechtlichen Einspruch ein. Für die Auseinandersetzungen und Demonstrationen der folgenden Wochen war damit ein symbolisches Thema gesetzt: "Neues Forum zulassen!" wurde zu einer zentralen Parole der Protestbewegung.
In der vorliegenden "Information" der Staatssicherheit wird geschildert, wie die Personen, die zuvor einen Antrag auf Legalisierung des Neuen Forums gestellt hatten, auf die Ablehnung ihres Vorhabens reagierten. Wenig beeindruckt von der Ermahnung, alle weiteren Aktivitäten des Neuen Forums einzustellen, diskutierten die Beteiligten, wie die Bekanntheit der Initiative zu steigern und weitere Mitglieder zu gewinnen seien.
Die Bohley informierte unmittelbar im Anschluß an das mit ihr und der Seidel im Ministerium des Innern geführte Gespräch den Hirsch/WB über dessen Inhalt und Verlauf. Hirsch sagte eine umgehende Weiterleitung der Information zu. Des weiteren nahm sie Kontakt zum ZDF-Büro auf und beantwortete Anfragen von DPA und "Radio 100". (In den Fernsehsendungen "heute"/ZDF und "Tagesschau"/BRD vom 25.09.1989 sowie weiteren Rundfunksendungen wurde bereits über den Inhalt des Gespräches im MdI informiert.)
Am Abend des 25.09.1989 trafen in der Wohnung der Bohley u. a. Reich, Pflugbeil, Seidel und Henrich zusammen. Es wurde darüber diskutiert, die Aktivitäten zur Popularisierung das "Neuen Forums" sowie zur Gewinnung weiterer Mitglieder fortzusetzen und zu versuchen, eine Nachprüfung der staatlichen Ablehnungsentscheidung zu erwirken.
Inoffiziell wurde erarbeitet, daß die Bohley ihr weiteres Vorgehen u. a. mit Eppelmann abstimmen will.
Zur Havemann wurde bekahnt, daß sie sich mit Henrich abgestimmt habe, der Vorladung zu einem Gespräch am 26.09.1989 im Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder nicht Folge zu leisten
und auf eine schriftliche Ablehnungsentscheidung zu warten.
Für den 26.09.1989 ist beabsichtigt. ein Zusammentreffen von Unterzeichnern des Gründungsaufrufes des "Neuen Forums", vermutlich in der Wohnung der Bohley, durchzuführen, auf dem über das weitere Vorgehen beraten werden soll.
Des weiteren liegen Hinweise über ein beabsichtigtes Treffen des Eppelmann am 26.09.1989 mit dem Presseataché der französischen Botschaft in der DDR, Rousseau, und dem 2. Sekretär der USA-Botschaft in der DDR, Troutman, in der Wohnung des Eppelmann vor.
Am 25.09.1989 traf beim Rat der Stadt Cottbus ein Einschreibbrief mit Rückschein zur Anmeldung des "Neuen Forums" ein, unterzeichnet durch
[anonymisiert]
Am 25.09.1989 ging beim Rat des Bezirkes Schwerin ein von drei operativ bekannten Personen (Unterzeichner provokativer Schreiben) "im Auftrag des Pfarr- und Mitarbeiterkonvents Beeskow" unterzeichnetes Schreiben ein, in dem die Zustimmung zum Anliegen des "Neuen Forums" sowie die Befürwortung einer rechtlichen Zulassung zum Ausdruck gebracht wird. Das Schreiben trägt die Überschrift "An den Staatsrat der DDR, an alle Räte der Bezirke und an den Rat des Kreises Beeskow".
1978 wurden die AIG der Bezirksverwaltungen mit der Integration des Kontrollwesens in Auswertungs- und Kontrollgruppen umgewandelt. Analog zur ZAIG waren die AKG jetzt das Funktionalorgan der Leiter der BV mit den Aufgaben Auswertung und Information, Planung, Überprüfung und Kontrolle, Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie EDV. Darüber hinaus wurden die AKG auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die im Ministerium noch bis 1985 der Abteilung Agitation bzw. der Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen zugeordnet war. 1979 wurden auch in den meisten selbständigen Abteilungen und Hauptabteilungen der MfS-Zentrale AKG gebildet. Die AKG unterstanden den Leitern der jeweiligen Diensteinheit, wurden aber fachlich von der ZAIG angeleitet.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
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Auskunftsmaterial der Staatssicherheit zum Umgang mit dem Verbot des Neuen Forums Dokument, 13 Seiten
Information über Bestrebungen oppositioneller Kräfte zur Schaffung DDR-weiter Sammlungsbewegungen Dokument, 27 Seiten
Information zur "Bildung der oppositionellen Sammlungsbewegung 'Neues Forum'" Dokument, 6 Seiten
Information über "weitere Vorhaben im Zusammenhang mit den 'Neuen Forum'" Dokument, 2 Seiten