Meldung zu erneuten Streiks im Bezirk Karl-Marx-Stadt
Signatur: BStU, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Abt. XX, Nr. 309, Bl. 273-276
Während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 kam es im Bezirk Karl-Marx-Stadt zu vergleichsweise wenig Streiks und Demonstrationen. Die Bezirksverwaltung des MfS meldete der zentralen Einsatzleitung in Berlin Vorkommnisse aus dem Bezirk vom 18. bis 19. Juni.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt lagen die Streikzentren in den Städten Freiberg, Crimmitschau, Tannenberg, Penig, und in Werdau. Eine Besonderheit der Streiks im Bezirk war, dass sie erst in der Nacht vom 17. zum 18. Juni begannen. Grund für die Arbeitsniederlegung war hier neben Normenerhöhung und der Verschlechterung der Lebensbedingungen vor allem die Verhängung des Ausnahmezustandes selbst. So traten die Metallarbeiter des VEB Wälzlagerwerks Fraureuth am frühen Morgen des 18. Juni in den Streik. Zuvor hatte die Parteileitung des Betriebes versucht, die Arbeiter einzuschüchtern. Der Parteisekretär sollte Abteilung für Abteilung die Verhängung des Ausnahmezustandes verkünden und auf die Konsequenzen von Streiks hinweisen.
Die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in Karl-Marx-Stadt meldete am 19. Juni 1953 der Stasi-Zentrale in Berlin per Fernschreiben, welche "Feindtätigkeit" an welchen Orten im Bezirk festgestellt wurde. Neben erneuten Streiks in Werdau und Freiberg dokumentierte die Stasi auch regimekritische Losungen und "Hetzschriften", die zum Streik auffriefen.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt
- Datum:
- 19.6.1953
- Rechte:
- BStU
- Überlieferungsform:
- Dokument
Fernschreiben - Fernspruch - Funkspruch
Nr. [Auslassung]
Angenommen
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[Auslassung], den [Auslassung] 19[Auslassung]
Absender: [Auslassung]
An — Blatt 2 —
Betreff: [Auslassung]
Bezug: [Auslassung]
Am 18.06.1953 gegen 8.00 Uhr wurde der Kollege [anonymisiert] Abteilungsleiter der Abteilung Landwirtschaft im Kreisrat Aue von dem Landwirt [anonymisiert], [anonymisiert], in einer äußerst frechen Form provoziert. Er brachte wörtlich zum Ausdruck:
"Wir Buaern kommen jetzt und werden von Euchen Rechenschaft fordern über Eueren Betrug, den Ihr bis jetzt an uns getan habt. Ihr habt uns bis jetzt das Weiße aus den Augen herausgezogen und der Staat hat uns betrogen wo er nur konnte. Wir werden Euere Faulheit nicht mehr unterstützen, Ihr habt am längsten auf Eueren Sesseln gesessen. Haltet Euch nur fest hier. Ich bin gestern in Karl-Marx-Stadt , Zwickau und woanders gewesen. Auch dort lassen sich die Bauern das nicht mehr bieten. Es kommt jetzt sowieso eine andere Zeit. Lass nur jetzt die Großbauern zurückkommen, dann geht des Dir an den Kragen."
Die VP-Streife des 2. Zentralreviers Zwickau - Haßlau, bestehend aus dem VP-Obwm. [anonymisiert], VP-Utwm. [anonymisiert] und VP-Utwm. [anonymisiert], wurde von dem [anonymisiert], Wilkau-Haßlau, [anonymisiert] mit folgenden Worten provoziert: "Ihr müßt doch wissen, wo Ihr hinwollt Ihr Kribel. Macht blos , daß Ihr fortkommt. Laßt Euch Krise nach 21.00 Uhr nicht mehr sehen, sonst schlagen wir Euch die Platte ein. "
Am 19.06.1953 in der Zeit von 4 bis 5.00 Uhr wurden in der Nähe der Autobahnauffahrt in Hainichen 12 Hetzschriften gefunden. Diese Hetzschriften waren an Bäumen und Wänden angeklebt worden.
Text: Achtung! Achtung! Achtung!
Kollegen streikt, es geht um die Freiheit. Denkt an Berlin. Die Volkspolizei schießt auf Arbeiter.
Die Zettel sind in der Größe eines DIN A5 - Bogens und haben sich im Laufe des Tages auf 28 erhöht.
Am 18.06.1953 19.30 Uhr wurde festgestellt, daß an der Tür zum Seminarraum der Sonderschule des ZK in Hartmannsdorf ein Hakenkreuz eingeritzt worden war. Als Täter kann nur ein Beschäftigter der Schule bzw. ein Lehrgangsteilnehmer infrage kommen, da das Gebäude gut gesichert ist und keine fremden Personen Zutritt haben.
b.w.