Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5337, Bl. 109-147
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Regierung sehr genau. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung im Juli 1989 daher über die politische Situation in den "sozialistischen Bruderländern".
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Der vorliegende Bericht der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Staatssicherheit umfasst neben der Wahl von General Wojciech Jaruzelski zum Präsidenten und die Entwicklung in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) auch die wirtschaftliche Lage der Volksrepublik Polen. Ebenfalls werden die politischen Entwicklungen in den anderen staatssozialistischen Staaten in den Monaten Juni und Juli 1989 aus Sicht der DDR-Geheimpolizei zusammengefasst.
Geremek führte aus, die PVAP sei politisch so geschwächt und die Wirtschaftssituation in der VRP derart katastrophal, daß die Anerkennung der "Solidarnosc" als Machtfaktor unerläßlich sei. Eine Regierungsbeteiligung der "Solidarnosc" sei dennoch nicht akzeptabel, da die PVAP noch nicht bereit sei, das Machtmonopol völlig aufzugeben. Insbesondere das "Nomenklatura"-Prinzip sei noch unangetastet. Eine Regierungsbeteiligung der "Solidarnosc" würde darüber hinaus zum Rückgang des Einflusses auf die Wähler führen. Deshalb bleibe die "Solidarnosc" auch weiter in Opposition.
Innerhalb der nächsten 18 Monate wolle sie "freie Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen" gewinnen sowie "unabhängige" Gerichte und Massenmedien schaffen.
In einer weiteren Zweijahresperiode sollten dann das "Parteiproblem" gelöst sowie der Sieg in "völlig freien Parlamentswahlen" und damit faktisch die Machtübernahme angestrebt werden.
Vorerst sei jedoch ein behutsames Herangehen an die PVAP notwendig. Diese müsse zur Teilnahme am "demokratischen Prozeß" interessiert werden, um nicht erneut die Gefahr des Ausnahmezustandes zu schaffen. Zielgerichtet müsse die PVAP in eine Partei von Managern und schließlich in eine sozialdemokratische Partei umgewandelt werden. Eine Spaltung der Partei sei gefährlich, da mit der gegenwärtigen Führung die beste Grundlage für die "Transformation" vorhanden sei.
Ebenso werde eine Umwandlung der gegenwärtig noch "regierungskonformen Parteien" angestrebt mit dem Ziel, eine Mehrheit im Parlament zu erreichen.
Auch aus der "Solidarnosc" selbst könnten sozialdemokratische, christdemokratische und liberale Parteien hervorgehen. Um diesen Prozeß zu fördern und große soziale Unruhen zu vermeiden, forderte Geremek die britische Regierung auf, Umschuldungsvereinbarungen mit Polen zu unterstützen, verstärkt Investitionen in Polen zu tätigen und Lebensmittel bereitzustellen.
Die PVAP sei soweit, daß sie einen Verkauf der staatlichen Betriebe oder deren Umwandlung in Aktiengesellschaften und den Verkauf der Aktien an kapitalistische Konzerne, einen gewissen Teil auch an die Bevölkerung, akzeptieren würde. Damit würde die Basis für die "demokratische Umwandlung" in Polen geschaffen.
Andere oppositionelle Politiker sind der Meinung, daß der Prozeß der Demokratisierung, der vorangehe, gefährdet wäre, wenn in absehbarer Zeit keine Verbesserung der Lebenslage weiter Kreise der Bevölkerung erreicht werden kann. Das sei aber nur
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5337, Bl. 109-147
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Regierung sehr genau. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung im Juli 1989 daher über die politische Situation in den "sozialistischen Bruderländern".
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Der vorliegende Bericht der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Staatssicherheit umfasst neben der Wahl von General Wojciech Jaruzelski zum Präsidenten und die Entwicklung in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) auch die wirtschaftliche Lage der Volksrepublik Polen. Ebenfalls werden die politischen Entwicklungen in den anderen staatssozialistischen Staaten in den Monaten Juni und Juli 1989 aus Sicht der DDR-Geheimpolizei zusammengefasst.
bei entsprechender Unterstützung von außen (vom Westen) möglich. Wenn sich der Westen dem entziehe, versäume er möglicherweise eine einmalige Chance.
Die von der "Solidarnosc" ursprünglich nur für die Organisierung des Wahlkampfes gebildeten örtlichen "Bürgerkomitees" werden weiter bestehen bleiben. Dies haben Ende Juni die Delegierten des zentralen "Bürgerkomitees Solidarnosc" entschieden, nachdem es innerhalb der "Solidarnosc" Auseinandersetzungen über das Weiterbestehen der Komitees gegeben hatte. Diese hätten sich in letzter Zeit dynamischer als die "Solidarnosc"-Betriebszellen entwickelt, woraus sich Kompetenzstreitigkeiten und Richtungskämpfe ergaben.
Erstmals legale Teilnahme eines "Solidarnosc"-Vertreters an Seminar in UdSSR
Michnik nahm Mitte Juli an einem Seminar über die Perestrojka in der UdSSR und anderen sozialistischen Staaten in der UdSSR teil. Er war einer Einladung der sowjetischen Bewegung für den Frieden gefolgt.
Zunehmender Antisowjetismus zu verzeichnen
In der Öffentlichkeit sind Anzeichen für einen zunehmenden Antisowjetismus unter der Bevölkerung zu verzeichnen. Auffällig sind zahlreiche Hakenkreuz-Schmierereien. Antikommunistische bzw. antisowjetische Veranstaltungen wurden von den staatlichen Organen geduldet oder z.T. nur sehr zurückhaltend zerstreut.
Ende Juni/Anfang Juli gab es in Wroclaw, Poznan, Katowice, Krakow, Gdansk und Warschau staatsfeindliche und antisowjetische Demonstrationen, Straßenkrawalle und Ausschreitungen, die von antisozialistischen Gruppen - darunter der "Kämpfenden Solidarnosc", der "KPN", "NZS" und "Wolnosc i Pokoj" - organisiert worden waren (Losungen: "Sowjets nach Hause", "Bolschewisten raus", "Nieder mit der Kommune"). Nicht in jedem Fall schritten Ordnungskräfte ein.
In mehreren Städten kam es auch zu Demonstrationen gegen die Kandidatur des Genossen Jaruzelski für das Amt des Staatspräsidenten, bei denen auch sein Rücktritt gefordert wurde.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5337, Bl. 109-147
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Regierung sehr genau. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung im Juli 1989 daher über die politische Situation in den "sozialistischen Bruderländern".
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Der vorliegende Bericht der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Staatssicherheit umfasst neben der Wahl von General Wojciech Jaruzelski zum Präsidenten und die Entwicklung in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) auch die wirtschaftliche Lage der Volksrepublik Polen. Ebenfalls werden die politischen Entwicklungen in den anderen staatssozialistischen Staaten in den Monaten Juni und Juli 1989 aus Sicht der DDR-Geheimpolizei zusammengefasst.
Besuch des französischen Präsidenten Mitterrand in Polen (14. - 16.06.1989)
Während seiner Gespräche mit der polnischen Partei- und Staatsführung vertrat Mitterrand uneingeschränkt die Politik des NATO-Blocks und mischte sich in die inneren Angelegenheiten der VRP ein. Er äußerte den Wunsch, daß sich das, was sich in Polen, Ungarn und teilweise in der UdSSR entwickele, auch auf die übrigen Länder Osteuropas ausdehne. Frankreich stelle der VR Polen keine politischen Bedingungen, aber im Falle der Realisierung von Wirtschaftshilfe sei keine Gleichgültigkeit gegenüber der Art und Weise der Entwicklung der Demokratie in Polen möglich.
Während des Mitterrand-Besuches wurde eine Reihe von Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen unterzeichnet. So wurden u.a. Abkommen über Jugendaustausch und über den Umweltschutz, eine Vereinbarung über die Ausbildung von Leitungskadern für Unternehmen sowie ein Abkommen über die Aussetzung der Schuldenrückzahlungen Polens für die nächsten 4 Jahre unterzeichnet.
Weiter wurden mittel- und kurzfristige Kredite für Objekte im Bereich Hotelwesen, Touristik und Nahrungsmittelindustrie vereinbart.
Mitterrand traf sich während seines Aufenthalts mit Walesa, dessen Berater Geremek und weiteren
Mitarbeitern der "Solidarnosc"-Führung in Gdansk. Ein weiteres Treffen hatte er mit Primas
Kardinal Glemp. (Diese Gespräche wurden genutzt, um den Eindruck zu erwecken, daß der Besuch und
die zustandegekommenen Vereinbarungen in erster Linie Verdienst der "Solidarnosc" seien.)
Die französische Seite verfolgte mit dem Besuch das Ziel, die Basis für den weiteren Ausbau ihres politischen und ökonomischen Einflusses in den sozialistischen Staaten zu erweitern, wobei die Beziehungen zu Polen Modellcharakter erhalten sollen.
Besuch Kohls in Polen wird verschoben; Geremek in Bonn und Paris
Bundeskanzler Kohl wird vorerst nicht nach Polen reisen. Der vorgesehene Termin (Juli) wurde vom Regierungssprecher Klein als nicht mehr realistisch bezeichnet; ein neuer Termin steht noch nicht fest (evtl. Herbst). Kohl wolle erst die anstehenden Veränderungen in der Partei- und Staatsführung abwarten. Er verwies auch darauf, daß die Wirtschaftsverhandlungen noch nicht abgeschlossen wurden. Am 6. Juli reiste Geremek nach Bonn, wo er u.a. von Kohl und Genscher empfangen wurde. Es ging um Fragen der ökonomischen Unterstützung. Am 12. Juli begab er sich nach Paris, wo er mehrere westliche Politikern erneut um Unterstützung bei der Realisierung der "Solidarnosc"-Wirtschaftspläne bat.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
"Monatsübersicht 8/89 über aktuelle Probleme der Lageentwicklung in sozialistischen Staaten" Dokument, 34 Seiten
Zum zweiten Wahlgang in Polen am 18. Juni 1989 Dokument, 1 Seite
Information zu Wahlen in der Volksrepublik Polen Dokument, 9 Seiten
Bericht über die Trauerfeier für Imre Nagy in Budapest Dokument, 2 Seiten