Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16677, Bl. 29-33
In einem Maßnahmeplan listete die Stasi kurz vor der Ausbürgerung des kritischen Liedermachers Wolf Biermann noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung als Vorwand, den Künstler hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Der vorliegende Maßnahmeplan listet, basierend auf dem Plan von 1973, noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten. Im Anhang befindet sich zudem eine „Argumentationshilfe“, die das Vorgehen der DDR rechtfertigen sollte.
Berlin, den 15. 11. 1976
Maßnahmen zum Abschluß der Bearbeitung Karl-Wolf Biermanns
Biermann reiste am 11. 11. 1976 über die Grenzübergangsstelle Berlin -Bahnhof Friedrichstraße nach Westberlin und von dort zu einem Besuchsaufenthalt in die BRD aus.
Am 13. 11. 1976 trat Bierman in der Zeit von 19.00 - 23.30 Uhr in der Kölner Sporthalle vor ca. 6500 Zuschauern öffentlich auf. In dieser Veranstaltung, die teilweise vom "Westdeutschen Rundfunk" übertragen wurde, sang und rezitierte Biermann insgesamt 25 Texte, die überwiegend
beinhalteten und von ihm in hetzerischer Weise kommentiert wurden. Aus den vorliegenden Informationen und Beweisen ergibt sich eindeutig, daß Biermann mit diesem Vorgehen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale eines Verbrechens der staatsfeindlichen Hetze im schweren Fall gemäß § 106 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 Abs. 2 StGB erfüllte.
Biermann hat durch die dargelegten Handlungen weiterhin während eines Aufenthaltes im Ausland seine staatsbürgerlichen Pflichten grob verletzt, so daß die Voraussetzungen für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR gemäß § 13 Staatsbürgerschaftsgesetz vorliegen.
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Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16677, Bl. 29-33
In einem Maßnahmeplan listete die Stasi kurz vor der Ausbürgerung des kritischen Liedermachers Wolf Biermann noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung als Vorwand, den Künstler hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Der vorliegende Maßnahmeplan listet, basierend auf dem Plan von 1973, noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten. Im Anhang befindet sich zudem eine „Argumentationshilfe“, die das Vorgehen der DDR rechtfertigen sollte.
Ausgehend von diesem Sachverhalt ist Biermann im Falle des Erscheinens zur Einreise in die DDR mitzuteilen:
"Sie haben während Ihres Aufenthaltes in der BRD Ihre staatsbürgerlichen Pflichten grob verletzt. Deshalb wurde Ihnen gemäß § 13 Staatsbürgerschaftsgesetz die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt. Auf Grund dessen wird Ihnen hiermit eine Einreise in das Gebiet der DDR untersagt."
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Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16677, Bl. 29-33
In einem Maßnahmeplan listete die Stasi kurz vor der Ausbürgerung des kritischen Liedermachers Wolf Biermann noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung als Vorwand, den Künstler hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Der vorliegende Maßnahmeplan listet, basierend auf dem Plan von 1973, noch einmal alle Eckpunkte auf, die zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen sollten. Im Anhang befindet sich zudem eine „Argumentationshilfe“, die das Vorgehen der DDR rechtfertigen sollte.
Gesichtspunkte zur Argumentation
Die für die Argumentation bedeutsamen Fakten des Sachverhaltes sind:
Davon ausgehend können folgende Gesichtspunkte für die Argumentation herausgearbeitet werden:
1. In jedem Staat ist immanenter Bestandteil der Staatsbürgerschaft die Treuepflicht des Bürgers gegenüber dem Staat. Das gilt selbstverständlich auch bei einem Aufenthalt außerhalb des Staatsgebietes.
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