Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Die Leiter der Diensteinheiten haben die sorgfältige Einschätzung der politisch-operativen Lage in ihren Verantwortungsbereichen, einschließlich der Reaktion der Bevölkerung insgesamt sowie operativ bedeutsamer Personenkreise auf die Ergebnisse des Wiener Treffens und deren erste Wertung durch den Außenminister der DDR, zu gewährleisten.
Sie haben die erforderlichen Maßnahmen zur rechtzeitigen Aufklärung der Pläne, Absichten und Maßnahmen von Kräften des politischen Untergrundes, von Antragstellern auf ständige Ausreise bzw. Übersiedlungsersuchenden, von reaktionären Kirchenkräften sowie Angehörigen von unter dem Dach der Kirchen agierenden sogenannten Basisgruppen im Zusammenhang mit den Ergebnissen des Wiener Treffens einzuleiten und durchzusetzen.
Alle Hinweise sind durch konzentrierten Einsatz der Kräfte und Mittel kurzfristig zu überprüfen und zu klären. Es darf keinerlei Unterschätzung jeglicher Hinweise auf feindlich-negative Handlungen zugelassen werden. Das lehrt uns auch das Vorkommnis in Leipzig und - wenn auch in anderer Form - das Vorkommnis in Halle.
In enger Zusammenarbeit der zuständigen Diensteinheiten sind die erforderlichen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung der Realisierung erkannter Pläne und Absichten sowie zur wirksamen Unterbindung feindlich-negativer Handlungen durchzusetzen.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Darüber hinaus haben die Leiter aller operativen Diensteinheiten unverzüglich damit zu beginnen, die sich aus der nach dem Wiener Treffen entstandenen Lage für ihren Verantwortungsbereich ergebenden konkreten Sicherheitserfordernisse herauszuarbeiten und auf dieser Grundlage vorausschauend die politisch-operative Arbeit zu organisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Genossen!
Zu einem weiteren, sich aus der aktuellen Lage ergebenden bedeutsamen politisch-operativen Problem.
Bekanntlich gelang erstmalig einer [durchgestrichen: neofaschistischen][Handschriftliche Ergänzung: neonazistischen] Partei - den "Republikanern" - der Einzug in das Westberliner Abgeordnetenhaus. Es handelt sich um eine Partei, die eine extrem nationalistische, rassistische und ausländerfeindliche Politik vertritt und deren Mitglieder in Schlägermanier mit zum Teil brutaler Gewalt gegen progressive Kräfte auftreten.
Damit ist ein deutlicher Rechtsruck im politischen Kräfteverhältnis in Westberlin eingetreten, der auch erhebliche Gefahren für die staatliche Sicherheit der DDR in sich birgt. Dieser Entwicklung ist in der politisch-operativen Arbeit mit Rechnung zu tragen.
Durch eine gezielte, zwischen den operativen Diensteinheiten koordinierte objekt-, personen- und vorgangsbezogene Aufklärungs- und Abwehrarbeit gilt es, die Pläne, Absichten und Aktivitäten dieser Partei genauestens zu verfolgen und zu analysieren, besonders hinsichtlich ihrer weiteren Profilierung und Einflußnahme auf die politische Entwicklung in der BRD sowie ihres Wirksamwerdens gegenüber der DDR und anderen sozialistischen Staaten.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Schreiben Mielkes an die Leiter der Diensteinheiten zur Veröffentlichung des KSZE-Dokuments Dokument, 3 Seiten
Anweisung Mielkes die Folgen der KSZE-Vereinbarungen abzuschätzen Dokument, 6 Seiten
Referat Erich Mielkes auf einer Dienstbesprechung kurz vor den Kommunalwahlen 1989 Dokument, 177 Seiten
Anweisung zur Überwachung "feindlich-negativer Kräfte" während der KSZE-Konferenz Dokument, 2 Seiten