Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 15/54, Bd. 8, Bl. 200-201
Im November 1953 fielen der Stasi Dokumente der Organisation Gehlen in die Hände, die ein großes Ausmaß an Ahnungslosigkeit beim westdeutschen Geheimdienst offenbarten.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Sie offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen.
Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste an das Gegenteil. In einem der Dokumente vom 20. Juni 1953 werden die "Vorgänge in Ost-Berlin und der Zone" als "von östlicher Seite inszenierte Aktionen" bezeichnet. Sie hätten als Ziel gehabt, die Wiedervereinigung "ins Rollen zu bringen".
Eilt sehr
An A
20.06.53
Betr.: Politische Gesamtlage
Der bisherige Gesamteindruck über die Vorgänge in Ost-Berlin und in der Zone verstärkt die Auffassung, dass es sieh um von östlicher Seite inszenierte Aktionen mit dem Ziel handelt, die Wiedervereinigung im grossdeutschen Rahmen zu Gunsten anderer wichtiger aussen- oder innerpolitischen Absichten ins Rollen zu bringen.
Als erste Phase wurde vermutlich die Ausschaltung des diesen Absichten entgegenwirkenden Momentes in Gestalt der bisherigen ostzonalen Politiker ins Auge gefasst. Die Aktion ging jedoch über den gewünschten Rahmen durch das Eingreifen unvermuteter Widerstandskräfte hinaus.
Die Auswirkung der sowjetischen Gegenmassnahmen kann noch nicht übersehen werden. Die Klärung der Konsequenzen, die von den Sowjets im Hinblick auf die ursprünglich gefassten Absichten und die tatsächliche Entwicklung gezeigt werden, wird Aufschluss über die zukünftige Grossraumpolitik geben und ist darum dringend erforderlich.
Im Zusammenhang damit ist die Klärung folgender Fragen wichtig:
1) War der Termin der Aktion von Oben gesteuert ?
(Präzise Berichterstattung mit allen Einzelheiten über den Beginn der Demonstrationen).
2) In welcher Form war die Steuerung erkennbar ?
3) Wie [durchgestrichen: wirkte][Handschriftliche Ergänzung: weitete] sich die Demonstration aus ?
4) Verhalten der ostdeutschen und sowjetisch Ordnungsorgane. (Plastische aber korrekte Schilderung).
5) Erkennbare Änderung im wirtschaftlichen und politischen Bereich.
6) Werden militärische und rüstungswirtschaftlich bedeutende Projekte fortgeführt ?
a) Bau von Flugplätzen
b) Bau von strategisch wichtigen Strassen, Bahnen, Bauten.
c) Fortführung der Werbung für die VP.
d) Tendenzänderung in der Durchführung des Fünfjahresplanes (Beibehaltung des alten Zieles oder Umschaltung auf Verbrauchsgüterproduktion für den zivilen Sektor).
e) Tendenzänderung beim Ausbau wichtiger Rüstungsbetriebe (Junkers - Dessau).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 15/54, Bd. 8, Bl. 200-201
Im November 1953 fielen der Stasi Dokumente der Organisation Gehlen in die Hände, die ein großes Ausmaß an Ahnungslosigkeit beim westdeutschen Geheimdienst offenbarten.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Sie offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen.
Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste an das Gegenteil. In einem der Dokumente vom 20. Juni 1953 werden die "Vorgänge in Ost-Berlin und der Zone" als "von östlicher Seite inszenierte Aktionen" bezeichnet. Sie hätten als Ziel gehabt, die Wiedervereinigung "ins Rollen zu bringen".
7) Gegenwärtiges Verhalten der Sowjets der Regierung gegenüber.
3) Stimmung bei der SED, den bürgerlichen Parteien und den Verwaltungsorganen.
9) Stimmung bei der VP.
10) Auswirkung der bisher getroffenen Gegenmassnahmen bei der Bevölkerung.
11) Verhaftungen (Umfang und Art)
12) Beobachtete Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs und Postversandes.
Zur schnellen Klärung der vorstehend aufgeführten Fragen wird gebeten, folgende Massnahmen umgehend einzuleiten:
1) Aussenbeobachtungen und Meinungserforschungen an den Sektorengrenzen durch alle verfügbaren [durchgestrichen: Kräfte][handschriftliche Ergänzung: Hilfs-] und Führungsorgane.
2) Meinungserforschung bei geflüchteten Ostzonen-Bewohnern.
3) Eingehende Befragung aller evtl. doch noch ankommenden Quellen.
Diese Aktion ist mit grossem Nachdruck durchzuführen und schnellstens unter dem Stichwort "Berolina" durchzugeben.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Schreiben der Organisation Gehlen zu Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus dem Volksaufstand in der DDR Dokument, 3 Seiten
Propagandabroschüre zum Volksaufstand des 17. Juni 1953 Dokument, 34 Seiten
Operative Aufgabenstellung der Abteilung O nach der Entdeckung des Spionagetunnels in Altglienicke Dokument, 2 Seiten
Gesamtanalyse des Aufstandes vom 17. Juni 1953 im ehemaligen Bezirk Frankfurt/Oder Dokument, 18 Seiten