Schreiben des Ersten Sekretärs des FDJ-Zentralrats zu den Ereignissen an der Carl-von-Ossietzky-Schule
Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 3657, Bl. 1-8
Im Herbst 1988 wurden Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule in Berlin-Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden und Rechtsextremismus in der DDR ausgesprochen hatten. Die Betroffenen erfuhren eine Welle der Solidarität. Der Erste Sekretär des FDJ-Zentralrats gab den Bezirksleitungen der FDJ Argumentationshilfen an die Hand. Damit sollten diese die verhängten Schulstrafen an der Ossietzky-Schule in den Gruppen der Jugendorganisation verteidigen.
Am 30. September 1988 wurden drei Schüler und eine Schülerin der Carl-von-Ossietzky-Schule im Ost-Berliner Stadtteil Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden ausgesprochen und vor dem Rechtsextremismus in der DDR gewarnt hatten. Zwei weitere wurden an andere Schulen versetzt, zwei erhielten einen Verweis. Die Betroffenen wurden durch ein systematisches Zusammenspiel von Schule, Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Elternrat gemaßregelt und gedemütigt. Anders als viele ähnliche Fälle wurde dieser Vorgang jedoch öffentlich. Die sogenannte Ossietzky-Affäre schlug hohe Wellen. Der Mut der Jugendlichen rief eine Welle der Solidarität hervor.
Vom FDJ-Zentralrat kam politische Hilfestellung für die FDJ-Sekretäre. Der Erste Sekretär des FDJ-Zentralrats, Eberhard Aurich, verteilte in allen Bezirksleitungen der FDJ des Landes eine Argumentationshilfe für die befürchteten politischen Diskussionen zum Geschehen an der Carl-von-Ossietzky-Schule.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Zentralrat der FDJ
- Datum:
- 28.11.1988
- Rechte:
- BStU
Die Lehrer und die Organe der Volksbildung tun alles, diese jungen Menschen auf den richtigen Weg führen.
Vorwiegend inspiriert durch die [anonymisiert] werden gegen besseres Wissen dieser und anderer Verfasser in einem Papier in demagogischer Weise die ehrlich arbeitenden Lehrer dieser Schule, Vertreter der Volksbildung und des Jugenverbandes, die Mehrheit der Schüler und Parteifunktionäre verleumdet.
Es wird unterstellt, daß die Strafen deshalb ausgesprochen wurden, weil diese Jugendlichen Gegen Neonazis seien, überzeugte Pazifisten seien (was diese selbst von sich nicht behaupten) daß sie die einzigen aufrichtigen und ehrlichen Schüler dieser Schule seien im Gegensatz zu allen anderen, die Heuchler wären.
In diesem Zusammenhang sei auch festgestellt, daß einige Schüler und ihre Eltern unrechtmäßigerweise sich Vorzüge gegenüber anderen Schülern verschafft haben, weil Sie unter Angabe von Berufs- und Studienwünschen, die sie nie die Absieht hätten zu ergreifen, sich eine Zulassung zur erweiterten Oberschule erschlichen haben. [anonymisiert]
Wie weit die Unterstellungen und Verleumdungen gehen, zeigt, daß in den genannten Papier über einen Jugendfunktionär der Kreisleitung der Freien Deutschen Jugend folgendes behauptet wird: Er habe erklärt, "mit Schändern jüdischer Gräber und Skinhead könnte man zusammenarbeiten, aber nicht mit diesen Jugendlichen."