Signatur: BStU, MfS, OV Wismut, AIM, Nr. 728/69, Bl. 20
1951 verpflichtete sich Albert Schuster, als "Geheimer Informator" für die Stasi zu arbeiten. Die Zusammenarbeit endete 1969, als Beweise für von Schuster begangene Kriegsverbrechen auftauchten.
Die SED-Machthaber propagierten die DDR als einen antifaschistischen Staat. Sie nahmen für ihr Land in Anspruch, im Gegensatz zur Bundesrepublik, mit sämtlichen Kontinuitäten der NS-Zeit gebrochen zu haben. Allein schon durch die "antifaschistisch-demokratische Umwälzung", die Übernahme aller staatlichen Kontrolle durch die Sozialistische Einheitspartei SED, war in dieser Sicht die Aufarbeitung der NS-Diktatur in der DDR abgeschlossen.
Die Bundesrepublik wurde gleichzeitig angeprangert, in Kontinuität des NS-Regimes zu stehen. Hinter dieser Fassade jedoch fand sorgsam verhüllt ein doppeltes Spiel statt. Die Stasi verzichtete häufig auf die Offenlegung ihrer Ermittlungen gegen NS-Verstrickte oder auch -Täter in der DDR, wenn das dem propagierten Image zuwiderlief oder auch der SED-Diktatur und ihrer Geheimpolizei nützlich sein konnte.
Albert Schuster, 1912 geboren, seit 1931 im Polizeidienst, trat 1933 in die NSDAP ein. Während des 2. Weltkrieges wurde er von 1942 bis 1945 nach Polen versetzt. Unmittelbar nach Kriegsende nahm ihn die sowjetische Militärkommandantur Schwarzenberg zur Überprüfung möglicher Kriegsverbrechen fest. Nach kurzer Zeit auf Grund mangelnder Beweise wieder entlassen, arbeitete er anschließend als Kraftfahrer für die Militärkommandantur.
Bereits im September 1945 warb ihn der sowjetische Geheimdienst unter dem Decknamen "Siegfried" als Informant. In dessen Auftrag besuchte er mehrfach seine in Westdeutschland lebende Schwester und lieferte Berichte über sie. Während der Besuche nahm er auftragsgemäß Kontakt zum CIC, dem militärischen Abwehrdienst der USA, auf und ging - wieder im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes - auf dessen Werbungsversuch ein.
Obwohl 1948 von der Entnazifizierungskommission in Aue als belastet eingestuft, bekam Schuster eine verantwortungsvolle Tätigkeit im erzgebirgischen Uranbergbau übertragen.
Hier geriet er in das Blickfeld des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), das - mit dem Ziel seiner Werbung - Informationen über sein Leben während der NS-Zeit sammelte. Die Außendienststelle Johanngeorgenstadt der Objektverwaltung Wismut warb ihn dann 1951 unter dem Decknamen "Wagner" an. Er lieferte vor allem Berichte über Schachtarbeiter, sollte aber auch seine Schwester auf eine Anwerbung durch die Staatssicherheit einstimmen. Auf Wunsch des MfS trat er 1953 in die Ost-CDU ein und besuchte Veranstaltungen der Zeugen Jehovas. Für seine Spitzeltätigkeit erhielt er wiederholt finanzielle Zuwendungen sowie Auszeichnungen.
1969 brach das MfS die inoffiziellen Verbindungen zu Schuster ab. Es begann nahtlos die operative Bearbeitung durch die Stasi. Grund dafür waren die nun bekannt gewordenen Informationen über die von Schuster verübten Kriegsverbrechen in Polen. Ein Jahr später wurde er verhaftet und 1972 angeklagt. Das Bezirksgericht Karl-Marx-Stadt verurteilte ihn am 9. Februar 1973 zum Tode. Das Urteil wurde am 31. Mai 1973 in Leipzig vollstreckt.
Hiermit verpflichte ich mich, dem Ministerium für Staatssicherheit im Kampf gegen alle Feinde der DDR in der Form Hilfe zu leisten, indem ich alles, was ich in dieser Richtung in Erfahrung bringe, ohne Ansehen der Personen, ihren Beauftragten mitzuteilen.
Ich verpflichte mich weiterhin, alle diesbezüglichen Anweisungen des Ministeriums für Staatssicherheit zu befolgen und meine Beziehungen zum Ministerium für Staatssicherheit gegen jedermann, auch gegenüber Familienangehörigen, strengstens Stillschweigen zu wahren.
Ich bin darüber belehrt worden, daß ich bei Nichteinhaltung dieser Schweigepflicht nach §353c, Abs. 1 des StGB zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Meine Berichte unterscheibe ich mit den Decknamen "Wagner".
Schwarzenberg, den 23 Mai 1951
[Unterschrift: Albert Schuster]
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
Verharmlosende Bezeichnung aller Aktivitäten und Maßnahmen der "politisch-operativen Arbeit", also der geheimdienstlich-geheimpolizeilichen Tätigkeit in Bezug auf Personen oder zur Klärung von Sachverhalten, wenn aus Sicht des MfS Hinweise auf "feindlich-negative Handlungen" vorlagen. Die "Bearbeitung" konnte u. a. die Durchführung einer Operativen Personenkontrolle umfassen oder einen Operativen Vorgang betreffen.
Die Verpflichtung Bereitschaftserklärung zur Tätigkeit als IM bildete den Abschluss der Werbung. Sie erfolgte in der Regel schriftlich und in Ausnahmefällen mündlich. Schriftliche Verpflichtungen erfolgten stets handschriftlich. Die Verpflichtungserklärung enthielt bestimmte Kernelemente, zu denen der Bezugspartner Staatssicherheit, die Verpflichtung zur Geheimhaltung, ein Deckname und die Unterschrift gehörten.
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Bescheinigung über eine Geldzuwendung an den "Geheimen Informator" mit dem Decknamen "Wagner" Dokument, 1 Seite
Befehl zur Auszeichnung des GI "Wagner" für "treue Zusammenarbeit" Dokument, 1 Seite
Haftbefehl gegen Albert Schuster wegen Kriegsverbrechen während des 2. Weltkriegs Dokument, 1 Seite
Vorschlag für eine Auszeichnung des GI "Wagner" alias Albert Schuster für "treue Dienste" Dokument, 1 Seite