Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 3374, Bl. 15-39
Die steigende Verschuldung führte dazu, dass der DDR in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission (SPK), forderte in einem Schreiben an Generalsekretär Erich Honecker im April 1988 einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik der DDR. Der Wirtschaftssekretär beim ZK der SED, Günter Mittag, lehnte Schürers Vorschläge ab.
Seit Beginn der 70er Jahre galt die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" als "Markenzeichen des Sozialismus in der DDR" (Günter Mittag). Konkret waren damit umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen wie neue Kindergartenplätze, bezahlter Mutterschutzurlaub, Mietsubventionen, höhere Mindestlöhne und Renten, kürzere Arbeitszeiten für berufstätige Mütter und nicht zuletzt ein großangelegtes Wohnungsbauprogramm verbunden. Bezahlt wurde diese als "Hauptaufgabe" bezeichnete Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allerdings mit dem rapiden Verschleiß des Produktionspotentials, ökologischem Raubbau, wachsenden Krediten und einer zu niedrigen Akkumulationsrate (Anteil der Investitionen am Nationaleinkommen) vor allem im produktiven Bereich. Infolgedessen stieg die Verschuldung nach innen und nach außen kontinuierlich an, bis in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Dass sich die DDR am Rand der Zahlungsunfähigkeit bewegte, war vor allem auf ihre Verschuldung gegenüber dem westlichen Ausland zurückzuführen.
Der SED-Apparat befasste sich wie in jedem Jahr auch im Frühjahr 1988 mit dem Volkswirtschafts- und Staatshaushaltsplan für das folgende Jahr. Die Staatliche Plankommission (SPK) entwarf dazu eine Vorlage für das Politbüro. Doch etwas war ungewöhnlich: Am 26. April 1988 fügte der SPK-Vorsitzende und Kandidat des Politbüros Gerhard Schürer dem Entwurf ein Schreiben an Honecker persönlich bei, in dem er angesichts von Bilanzierungslücken und steigender Auslandsverschuldung in zweistelliger Milliardenhöhe gegenüber dem "Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW) einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik forderte.
In dem Schreiben an SED-Generalsekretär Honecker zeichnet Planungschef Schürer ein kritisches Bild der Wirtschaftslage und macht verschiedene Vorschläge, um einen Wirtschafts- und Staatsbankrott abzuwenden.
Honecker reichte das Schreiben Schürers zur "Prüfung" an das verantwortliche Politbüro-Mitglied, den Wirtschaftssekretär beim ZK der SED Günter Mittag, weiter. Dessen "Prüfungsergebnis" fiel vernichtend aus. In seiner Vorlage lehnt Mittag die von Schürer vorgeschlagenen Änderungen in der Wirtschaftspolitik ab. Er argumentiert, dass diese nicht den Beschlüssen des VIII. und des XI. SED-Parteitages zur ökonomischen Strategie entsprechen würden. Darüber hinaus verweist er auf die vermeintlichen Erfolge der DDR-Planwirtschaft, insbesondere in der Mikroelektronik.
Dazu ist festzustellen:
- Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es für die Bildung der RGW-Vertragspreise im Zeitraum 1991 bis 1995 im RGW keine Vereinbarung über den Basiszeitraum für die zugrunde zu legenden durchschnittlichen Weltmarktpreise.
- Bei der Beurteilung der Situation im Zeitraum 1991 bis 1995 ist auch die mögliche künftige Entwicklung des Exportpreisniveaus der DDR zu berücksichtigen.
Der auf Seite 10 der "Überlegungen ..." enthaltene Vorschlag, anzustreben, [unterstrichen: Leistungsimporte] aus sozialistischen Ländern schrittweise abzulösen, liegt im Interesse des rationellen Einsatzes von Nationaleinkommen der DDR.
Die Entwicklung der Leistungsimporte der letzten Jahre belastet insbesondere die Zahlungsbilanz mit der VR Polen. Das wird aus folgender Übersicht deutlich:
- Mio Mark -
Leistungsimporte
Gesamt; darunter
VRP; UVR; CSSR; SFRJ
1981; 688; 386; 177; 42; 83
1985; 999; 743; 211; 30; 15
1988 Plan; 1.129; 908; 166; 42; 14
1989 Entwurf Staatliche Aufgaben; 1.130; 906; 169; 41; 14
Die Bezahlung der Leistungsimporte aus der VR Polen erfolgt
- zu 57 Prozent mit Erzeugnissen der metallverarbeitenden Industrie
- zu 37 Prozent mit Erzeugnissen vor allem aus der Chemie und mit Halbfabrikaten
- zu 6 Prozent mit Konsumgütern.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 3374, Bl. 15-39
Die steigende Verschuldung führte dazu, dass der DDR in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission (SPK), forderte in einem Schreiben an Generalsekretär Erich Honecker im April 1988 einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik der DDR. Der Wirtschaftssekretär beim ZK der SED, Günter Mittag, lehnte Schürers Vorschläge ab.
Seit Beginn der 70er Jahre galt die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" als "Markenzeichen des Sozialismus in der DDR" (Günter Mittag). Konkret waren damit umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen wie neue Kindergartenplätze, bezahlter Mutterschutzurlaub, Mietsubventionen, höhere Mindestlöhne und Renten, kürzere Arbeitszeiten für berufstätige Mütter und nicht zuletzt ein großangelegtes Wohnungsbauprogramm verbunden. Bezahlt wurde diese als "Hauptaufgabe" bezeichnete Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allerdings mit dem rapiden Verschleiß des Produktionspotentials, ökologischem Raubbau, wachsenden Krediten und einer zu niedrigen Akkumulationsrate (Anteil der Investitionen am Nationaleinkommen) vor allem im produktiven Bereich. Infolgedessen stieg die Verschuldung nach innen und nach außen kontinuierlich an, bis in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Dass sich die DDR am Rand der Zahlungsunfähigkeit bewegte, war vor allem auf ihre Verschuldung gegenüber dem westlichen Ausland zurückzuführen.
Der SED-Apparat befasste sich wie in jedem Jahr auch im Frühjahr 1988 mit dem Volkswirtschafts- und Staatshaushaltsplan für das folgende Jahr. Die Staatliche Plankommission (SPK) entwarf dazu eine Vorlage für das Politbüro. Doch etwas war ungewöhnlich: Am 26. April 1988 fügte der SPK-Vorsitzende und Kandidat des Politbüros Gerhard Schürer dem Entwurf ein Schreiben an Honecker persönlich bei, in dem er angesichts von Bilanzierungslücken und steigender Auslandsverschuldung in zweistelliger Milliardenhöhe gegenüber dem "Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW) einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik forderte.
In dem Schreiben an SED-Generalsekretär Honecker zeichnet Planungschef Schürer ein kritisches Bild der Wirtschaftslage und macht verschiedene Vorschläge, um einen Wirtschafts- und Staatsbankrott abzuwenden.
Honecker reichte das Schreiben Schürers zur "Prüfung" an das verantwortliche Politbüro-Mitglied, den Wirtschaftssekretär beim ZK der SED Günter Mittag, weiter. Dessen "Prüfungsergebnis" fiel vernichtend aus. In seiner Vorlage lehnt Mittag die von Schürer vorgeschlagenen Änderungen in der Wirtschaftspolitik ab. Er argumentiert, dass diese nicht den Beschlüssen des VIII. und des XI. SED-Parteitages zur ökonomischen Strategie entsprechen würden. Darüber hinaus verweist er auf die vermeintlichen Erfolge der DDR-Planwirtschaft, insbesondere in der Mikroelektronik.
Die Leistungsimporte werden im Jahre 1988 und sollen 1989 vor allem in folgenden Bereichen eingesetzt werden:
- Mio Mark -
Ministerium; 1988; 1989
Ministerium für Kohle und Energie; 410; 407
Ministerium für Chemische Industrie; 145; 147
Ministerium für Schwermaschinen- und Anlagenbau; 236; 223
Ministerium für Bauwesen; 158; 163
Die Leistungsimporte werden für folgende Gebiete eingesetzt:
- Reparatur von Kraftwerksanlagen
_ Anlagenmontage in der Energiewirtschaft, der Chemie und im Schwermaschinen- und Anlagenbau
- Isolierleistungen
- Feuerungsbau
- Dachsanierungen.
Auf der Grundlage von Leistungsimporten war in der Volkswirtschaft der DDR folgende Anzahl von Arbeitskräften tätig:
- Personen -
Land; Ende 1980; Ende 1985; 29.02.1988
VRP; 10.767; 15.298; 22.242
UVR; 2.134; 3.208; 3.286
CSSR; 439; 341; 373
SFRJ; 1.252; 6.669; 896
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 3374, Bl. 15-39
Die steigende Verschuldung führte dazu, dass der DDR in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission (SPK), forderte in einem Schreiben an Generalsekretär Erich Honecker im April 1988 einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik der DDR. Der Wirtschaftssekretär beim ZK der SED, Günter Mittag, lehnte Schürers Vorschläge ab.
Seit Beginn der 70er Jahre galt die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" als "Markenzeichen des Sozialismus in der DDR" (Günter Mittag). Konkret waren damit umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen wie neue Kindergartenplätze, bezahlter Mutterschutzurlaub, Mietsubventionen, höhere Mindestlöhne und Renten, kürzere Arbeitszeiten für berufstätige Mütter und nicht zuletzt ein großangelegtes Wohnungsbauprogramm verbunden. Bezahlt wurde diese als "Hauptaufgabe" bezeichnete Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allerdings mit dem rapiden Verschleiß des Produktionspotentials, ökologischem Raubbau, wachsenden Krediten und einer zu niedrigen Akkumulationsrate (Anteil der Investitionen am Nationaleinkommen) vor allem im produktiven Bereich. Infolgedessen stieg die Verschuldung nach innen und nach außen kontinuierlich an, bis in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Dass sich die DDR am Rand der Zahlungsunfähigkeit bewegte, war vor allem auf ihre Verschuldung gegenüber dem westlichen Ausland zurückzuführen.
Der SED-Apparat befasste sich wie in jedem Jahr auch im Frühjahr 1988 mit dem Volkswirtschafts- und Staatshaushaltsplan für das folgende Jahr. Die Staatliche Plankommission (SPK) entwarf dazu eine Vorlage für das Politbüro. Doch etwas war ungewöhnlich: Am 26. April 1988 fügte der SPK-Vorsitzende und Kandidat des Politbüros Gerhard Schürer dem Entwurf ein Schreiben an Honecker persönlich bei, in dem er angesichts von Bilanzierungslücken und steigender Auslandsverschuldung in zweistelliger Milliardenhöhe gegenüber dem "Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW) einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik forderte.
In dem Schreiben an SED-Generalsekretär Honecker zeichnet Planungschef Schürer ein kritisches Bild der Wirtschaftslage und macht verschiedene Vorschläge, um einen Wirtschafts- und Staatsbankrott abzuwenden.
Honecker reichte das Schreiben Schürers zur "Prüfung" an das verantwortliche Politbüro-Mitglied, den Wirtschaftssekretär beim ZK der SED Günter Mittag, weiter. Dessen "Prüfungsergebnis" fiel vernichtend aus. In seiner Vorlage lehnt Mittag die von Schürer vorgeschlagenen Änderungen in der Wirtschaftspolitik ab. Er argumentiert, dass diese nicht den Beschlüssen des VIII. und des XI. SED-Parteitages zur ökonomischen Strategie entsprechen würden. Darüber hinaus verweist er auf die vermeintlichen Erfolge der DDR-Planwirtschaft, insbesondere in der Mikroelektronik.
Der volkswirtschaftliche Aufwand bei Leistungsimporten aus der VR Polen beträgt pro Arbeitskraft und Jahr 63.000 Mark. Der Aufwand pro Arbeitskraft und Stunde beträgt je nach Leistungsart zwischen 7 bis 11 transferable Rubel, das sind 33 bis 51 Mark.
Da im Planansatz der Staatlichen Plankommission für das Jahr 1989 Leistungsimporte aus sozialistischen Ländern in der gleichen Höhe wie für das Jahr 1988 vorgesehen sind, sollte bei der weiteren Arbeit an den staatlichen Aufgaben für das Jahr 1989 konkret vorgeschlagen werden, auf welchen Gebieten der Leistungsimport reduziert werden kann und welche Maßnahmen dazu erforderlich sind.
Für den Planansatz des nächsten Fünfjahrplanes halten wir es für erforderlich, daß durch die Staatliche Plankommission generell der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in der DDR und der Einsatz von Arbeitskräften der DDR im Ausland, insbesondere an Objekten der Investitionsbeteiligung in der UdSSR, hinsichtlich des Gewinns oder des Verlustes für das in der DDR verwendbare Nationaleinkommen berechnet und mit Entscheidungsvorschlägen vorgelegt wird.
8. In den "Überlegungen ..." wird dargestellt, daß die [unterstrichen: Politik der stabilen Verbraucherpreise] für den Grundbedarf der Bevölkerung eine große Errungenschaft der Politik der Hauptaufgabe darstellt, was in der Bevölkerung und international große Anerkennung findet. [Unterstrichen: Weiter heißt es, daß es jedoch zugleich ökonomische Probleme gibt, deren Lösung Verständnis und Unterstützung durch die Bevölkerung finden könnte.]
Zu den angeführten Fragen auf dem Gebiet der Mietpreise, von Verbraucherpreisen für die Bevölkerung und der Energietarife kann im einzelnen nicht Stellung genommen werden, da keine Fakten vorgelegt werden, die eine ökonomische und politische Wertung ermöglichen.
[Absatz wurde am linken Rand handschriftlich markiert.]
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Notizen aus der Politbürositzung zur Schürer-Mittag-Kontroverse Dokument, 29 Seiten
Schreiben Gerhard Schürers an Erich Honecker mit Überlegungen zum Volkswirtschaftsplan 1989 Dokument, 14 Seiten
"Zum Stand der Arbeit an der Staatlichen Aufgabe 1989 und einigen sich dabei abzeichnenden Problemen" Dokument, 11 Seiten
Information über volkswirtschaftlich und sicherheitspolitisch bedeutsame Probleme im Zusammenhang mit dem Volkswirtschaftsplan 1983 Dokument, 18 Seiten