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Geschichten
Aktion "Leder"
Die Stasi und die Fußball-Weltmeisterschaft 1974
1974 nahm die
DDR das erste Mal an einer Fußball-Weltmeisterschaft teil. Die Teilnahme barg direkt politischen Sprengstoff: Das Turnier fand ausgerechnet in der Bundesrepublik statt, in der Vorrunde spielte die
DDR gegen die favorisierte westdeutsche Mannschaft. Das alles warf zahlreiche politische Fragen für die
SED-Diktatur auf – die
Stasi sollte das Turnier "absichern" und politische Risiken für die
DDR entschärfen.
Aktion "Leder"
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Einleitung
Als Jürgen Sparwasser am 22. Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion jubelnd zum Purzelbaum ansetzte, war gerade mehr als nur ein Tor gefallen. Sein Treffer entschied das einzige Duell der A-Fußball-Nationalmannschaften aus der DDR und der Bundesrepublik, noch dazu in der Vorrunde der WM 1974. Das 1:0 der ostdeutschen Auswahl gegen den späteren Weltmeister aus dem Westen war auch ein wichtiger Punktsieg in der innerdeutschen Konkurrenz der Systeme. So sah es zumindest die SED-Führung, die international gerne mit sportlichen Erfolgen glänzte. Sportlicher Wettkampf war für sie immer auch Klassenkampf.
Der Triumph über die Bundesrepublik war umso süßer, da er eher überraschend kam. Anders als bei anderen großen Sportveranstaltungen zählte die DDR bei der Fußballweltmeisterschaft nicht unbedingt zu den Favoriten. Die Mannschaft sollte sich achtbar verkaufen, und möglichst eine Blamage gegen die westdeutsche Auswahl vermeiden. Die war schließlich bereits Europameister und verfügte über einen Weltklassekader, während sich die DDR 1974 das erste Mal für ein großes Turnier qualifiziert hatte.
Auch weltpolitisch war das Jahr 1974 vom Ost-West-Gegensatz und den Stellvertreterkonflikten der beiden Supermächte geprägt. So hatte das Militär in Chile im Herbst 1973 die Regierung des Sozialisten Salvador Allende gestürzt und durch eine Diktatur ersetzt. Die USA hatten den Umsturz zumindest geduldet, die Sowjetunion hatte scharf protestiert. Gleichzeitig musste die Nationalmannschaft der Sowjetunion ein entscheidendes Playoff um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft absolvieren, und das ausgerechnet gegen Chile. Zum Rückspiel, das im Nationalstadion von Santiago de Chile stattfinden sollte, trat die UdSSR aus Protest nicht an. In diesem Stadion hatte das neue Regime zehntausende Unterstützer der gestürzten Regierung internieren lassen, dort war gefoltert und gemordet worden. Das Spiel wurde für Chile gewertet, die Sowjetunion verlor das Playoff.
Auch die Auslosung der Vorrundengruppen zur Fußballweltmeisterschaft barg politischen Sprengstoff: Die DDR sollte ausgerechnet den Mannschaften aus Chile und, besonders pikant, der Bundesrepublik begegnen.
Einleitung
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Politische Einschätzung zur Lage und den Vorbereitungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Politische Einschätzung zur Lage und den Vorbereitungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Politische Aspekte der Auslosung zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Politische Aspekte der Auslosung zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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"Absicherung" im Land des "Klassenfeinds"
Die Teilnahme an einem Turnier beim "Klassenfeind" warf zahlreiche Fragen auf. So hatte die DDR Anspruch auf tausende Eintrittskarten. Sie einfach an Fußballfans zu verteilen war undenkbar. Was, wenn die DDR-Bürger in westdeutschen Stadien plötzlich dem Klassenfeind zujubelten? Womöglich hätten die Fans die Westreise sogar zur "Republikflucht" genutzt. Keine Besucher in den Westen zu entsenden war jedoch auch nicht möglich, hätte dies die Undurchdringlichkeit des Eisernen Vorhangs der Weltöffentlichkeit einmal mehr bewusst gemacht. Und auch viele Bürger der DDR wären damit höchst unzufrieden gewesen.
Auch mussten die Mannschaft und ihre Begleiter überwacht werden: Die Spieler würden wochenlang in der Bundesrepublik untergebracht sein und könnten sich womöglich ebenfalls absetzen. Schließlich hätten einige Bundesligisten gerne talentierte Kicker aus der DDR verpflichtet.
Die Stasi übernahm daher die Aufgabe, die Teilnahme der DDR an der Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik "abzusichern" und den befürchteten Probleme entgegen zu wirken. Die Angelegenheit war Chefsache. Erich Mielke ließ alle Aktivitäten seines Apparates seit Ende 1973 bündeln, zunächst unter dem Decknamen "Meisterschaft A", dann als Aktion "Leder". Mit Befehl Nr. 11/74 vom 14. Mai 1974 wies Mielke die Diensteinheiten seines Ministeriums dann offiziell an, die Aktion "vorzubereiten und durchzuführen".
"Absicherung" im Land des "Klassenfeinds"
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Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Nichts dem Zufall überlassen
Die Antwort der Diktatur auf die vielen Unwägbarkeiten war es, die politischen Risiken so gering wie möglich zu halten und nichts dem Zufall zu überlassen. Alles wurde minutiös geplant und unter Kontrolle gehalten. In der Frage der "Fußballfans" beschloss das Zentralkomitee der SED, "Touristendelegationen" aus allen Bezirken der DDR zu bilden. Daran sollten nur DDR-Bürger teilnehmen, die "prinzipien- und charakterfest" waren und die ihre "politische Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben". Sie sollten sich als sogenannte "Reisekader" schon einmal in der "ideologischen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus" bewährt haben. Nach Möglichkeit sollten sie sich also bei einer vorangegangenen Westreise diszipliniert verhalten haben und ohne Zwischenfälle in die DDR zurückgekehrt sein.
Die Teilnehmer der Delegationen sollten jetzt erneut "klassenbewusst" auftreten und die DDR im Ausland im Sinne der Staatsführung repräsentieren. Was das bedeutete, war genau festgelegt: ordentliches und diszipliniertes Auftreten war gefordert, die Bürger sollten die DDR und "unsere Politik des Friedens würdig und offensiv" vertreten.
Das MfS sollte bei der Auswahl geeigneter Kandidaten helfen und die Delegationen "absichern". Die Geheimpolizei wollte nur verheiratete Bürgerinnen und Bürger reisen lassen, und jeweils nur ein Ehepartner durfte in den Westen - weil dies eine Rückkehr wahrscheinlicher machte. Außerdem sollten die Touristendelegationen unter ständiger Beobachtung sein. Einer von zehn Teilnehmern musste Inoffizieller Mitarbeiter (IM) oder Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit (GMS) der Staatssicherheit sein.
Nichts dem Zufall überlassen
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Information zur Auswahl von Touristen für Reisen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Information zur Auswahl von Touristen für Reisen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Anlagen zum Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Anlagen zum Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Ein IM für zehn "Touristen"
Zur Instruktion der Inoffiziellen Mitarbeiter verfasste Generalmajor Mittig, der Leiter der Aktion "Leder", einen Katalog mit Hinweisen und Aufträgen. Wichtigste Aufgabe war, Anzeichen für eine bevorstehende Republikflucht bei Mitgliedern der Delegation zu ermitteln und sofort zu melden. Gleiches galt für Kontakte zu Westdeutschen, besonders wenn eine "Abschöpfung" von Informationen durch westliche Geheimdienste zu befürchten war. Unbedingt zu melden waren jedoch auch Delegationsteilnehmer, die sich "unwürdig" verhielten und durch "Trunkenheit, negative Diskussionen, Verkauf von Eintrittskarten u. ä." auffielen.
Ein IM für zehn "Touristen"
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Instruktion für Inoffizielle Mitarbeiter in den Touristendelegationen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Instruktion für Inoffizielle Mitarbeiter in den Touristendelegationen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Anweisung zur Instruktion von Inoffiziellen Mitarbeitern in Touristendelegationen zur WM 1974
Anweisung zur Instruktion von Inoffiziellen Mitarbeitern in Touristendelegationen zur WM 1974
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"Selbstbewerber" im Visier der Stasi
Wie streng die "Touristen" ausgesucht und überwacht wurden, wusste die Bevölkerung der DDR nicht. Zwar dürfte den meisten Bürgerinnen und Bürgern klar gewesen sein, dass sie wohl nicht an Karten und eine Genehmigung für eine Westreise gelangen würden. Trotzdem versuchten zahlreiche echte Fußballfans ihr Glück, ermutigt von einem Gerücht, dass solche Reisen beim Reisebüro der DDR gebucht werden könnten. Auch einige Mitarbeiter der Bezirksdirektionen des Reisebüros, vielleicht selbst falsch informiert oder ratlos, gaben Interessenten am Telefon die Auskunft, dass sie ihren Reisewunsch schriftlich an die Zentrale in Berlin richten sollten.
Diese "Selbstbewerber" waren von Interesse für die Stasi. Die Geheimpolizei fürchtete, dass nach der Ablehnung der Reisewünsche durch das Reisebüro einige der Interessenten auf die Idee kommen könnten, auf anderem Wege zu den Spielen zu gelangen – also "Republikflucht" zu begehen. Die zuständigen Kreisdienststellen der Stasi wurden deshalb regelmäßig über neue Selbstbewerber informiert. Um " negative Verhaltensweisen" rund um die Fußballweltmeisterschaft zu verhindern, wollte die Stasi "vorbeugende politisch-operative Maßnahmen" einleiten. Insbesondere sollten Kreisdienststellen die "Selbstbewerber" genauer unter die Lupe nehmen.
"Selbstbewerber" im Visier der Stasi
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Brief eines "Selbstwerbers" für eine Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Brief eines "Selbstwerbers" für eine Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Meldung zu "Selbstbewerbern" für eine Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Meldung zu "Selbstbewerbern" für eine Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Terrorangst und Schutz der Mannschaft
Zur "Absicherung" des DDR-Teams zählte der Schutz der Spieler. Denn die Angst vor terroristischen Anschlägen überschattete die Weltmeisterschaft. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München lag gerade einmal zwei Jahre zurück - und pünktlich zur Weltmeisterschaft erreichten die westdeutschen Sicherheitsbehörden neue Terrorwarnungen. So erhielt die Münchner Polizei eine Morddrohung der IRA gegen zwei protestantische Spieler der schottischen Mannschaft und ein angeblich von der RAF stammender Kettenbrief drohte mit einem Raketenanschlag auf das Hamburger Volksparkstadion. Die Stasi beobachtete deshalb die Lage, um möglichst früh auf konkrete Gefahren für die Mannschaft der DDR reagieren zu können. Dazu gehörte es, die Terrordrohungen zu dokumentieren.
Terrorangst und Schutz der Mannschaft
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Hinweise auf Terrordrohungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Hinweise auf Terrordrohungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Angeblicher Drohbrief der RAF zu einem Anschlag auf das Hamburger Volksparkstadion während der WM 1974
Angeblicher Drohbrief der RAF zu einem Anschlag auf das Hamburger Volksparkstadion während der WM 1974
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Geheimpolizeilich durchleuchtete Spieler
Gleichzeitig wurden die Spieler geheimpolizeilich durchleuchtet. Wer hatte Verwandte im Westen und war deshalb vielleicht am ehesten geneigt in der Bundesrepublik zu bleiben? Wer hatte undurchsichtige Kontakte zu BRD-Bürgern?
Um die laufende Überwachung des Kaders während der Weltmeisterschaft sicherzustellen, installierte die Stasi eine ganze Reihe Inoffizieller Mitarbeitern und GMS in der Reisegruppe. Auch Spieler waren als IM verpflichtet. Auch ein hauptamtlicher Mitarbeiter war Teil der Delegation des DDR-Fußballverbandes DFV: Er sollte die Inoffiziellen Mitarbeiter anleiten und Verbindung mit der Zentrale in Berlin halten. Verdächtige Vorkommnisse sollte er sofort melden.
Geheimpolizeilich durchleuchtete Spieler
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Überwachung der DDR-Mannschaft während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Überwachung der DDR-Mannschaft während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Beobachtung der westdeutschen Konkurrenz
Auch auf die Mannschaft des Gegners hatte die Stasi stets ein Auge. Die Beobachtung der Nationalmannschaft der Bundesrepublik gehörte dabei zur Analyse der Lage während der Weltmeisterschaft. Offenbar ohne Spitzel in der Nähe des Teams stützte sich die Stasi hier auf die Berichterstattung westlicher Medien. Entsprechend banal sind auch die gewonnenen Erkenntnisse über die westdeutschen Spieler. Paul Breitner sei ein "roter Student" und bei seinen Mannschaftskameraden unbeliebt, Günther Netzer habe sich mit seinem Trainer Hennes Weisweiler nicht verstanden.
Beobachtung der westdeutschen Konkurrenz
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Information über die Mannschaft der Bundesrepublik während der Fußballweltmeisterschaft 1974
Information über die Mannschaft der Bundesrepublik während der Fußballweltmeisterschaft 1974
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Heiße Phase der Aktion
Am 14. Juni 1974 begann die heiße Phase der Aktion "Leder". An diesem Tag startete die Nationalmannschaft der DDR mit dem Spiel gegen Australien ins Turnier. Auch die Organisation der Touristendelegationen ging es nun richtig los. Während der Vorrundenspiele war kein längerer Aufenthalt geplant, Tagesreisen mussten genügen. Sonderzüge der Reichsbahn brachten die streng ausgesiebten Fußballfans an die Austragungsorte, mit dem Bus ging es zum Stadion. Direkt nach dem Spiel fuhr man wieder zurück.
Viele Freiheiten blieben den DDR-Bürgern im Westen also nicht. In Hamburg etwa machten die Busse nur kurze Stopps für ein paar Fotoaufnahmen. Wer die Gruppe kurz verlassen wollte, zum Beispiel um zur Toilette zu gehen, musste sich unbedingt abmelden. Zumindest hatten die Organisatoren für das körperliche Wohl gesorgt. Viele IM erwähnten die hervorragende Verpflegung schon im Zug, wo jeder Mitreisende einen Beutel mit Bier, Saft, Obst und Bonbons auf seinem Platz vorfand. Während der Fahrt brachten Mitropa-Mitarbeiter dann auf Wunsch Kaffee und heiße Würstchen an den Platz. Für die Organisation der Sonderzüge und der üppigen Versorgung war die unter anderem für das Verkehrswesen zuständige Hauptabteilung XIX verantwortlich.
Heiße Phase der Aktion
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Vermerk über die Verpflegung der Touristendelegationen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Vermerk über die Verpflegung der Touristendelegationen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Inoffizielle Erkenntnisse aus den Touristendelegationen
Die eingesetzten Inoffiziellen Mitarbeiter berichteten weisungsgemäß über ihre Mitreisenden, den Ablauf der Reise und das besuchte Spiel. Kleinste Regelübertretungen hielten sie penibel fest. Im Großen und Ganzen lief jedoch alles nach Wunsch, negative Vorkommnisse blieben aus. Auch sportlich lief es gut für die DDR: Das Spiel gegen den Außenseiter Australien gewann sie mit 2:0, die zweite Partie gegen Chile endete unentschieden 1:1. Erst im letzten Spiel der Vorrunde sollten die beiden deutschen Mannschaften aufeinander treffen.
Inoffizielle Erkenntnisse aus den Touristendelegationen
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Touristenreise zum Spiel DDR-Australien während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Touristenreise zum Spiel DDR-Australien während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Touristenreise zum Spiel DDR-Chile während der WM 1974
Touristenreise zum Spiel DDR-Chile während der WM 1974
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Das Spiel gegen die Bundesrepublik
Auch zum Spiel der DDR gegen die Bundesrepublik in Hamburg berichteten IM aus der Touristendelegation. In einigen Berichten ist die Genugtuung über den Sieg förmlich greifbar. "Die BRD-Bürger, die vorher immer Deutschland gerufen haben, wurden so klein, da wir mit unseren Rufen 'DDR, DDR' sie dann niedergeschrien haben", heißt es etwa bei IM "Rolf Sanders" über die Momente nach dem Sparwasser-Tor. "Sie aber wurden ganz klein, und man hat sie nicht gehört." Insgesamt bewerteten die anwesenden IM das Spiel überschwänglich, jede auch noch so kleine Aufwertung der DDR war willkommen – etwa durch das Abspielen der ostdeutschen Nationalhymne auf westdeutschem Boden. Kleinere Störungen wie Pfiffe während der Hymne und einzelne "Mauermörder"-Rufe konnten das Bild kaum trüben. Der triumphierende Ton der IM-Berichte entsprach ganz der Linie der SED. Ob die sorgfältig ausgewählten Zuträger selbst tatsächlich so dachten, oder nur berichteten, was von ihnen erwartet wurde, lässt sich nicht herausfinden.
Das Spiel gegen die Bundesrepublik
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Reise der Touristendelegation zum Spiel DDR-Bundesrepublik während der WM 1974
Reise der Touristendelegation zum Spiel DDR-Bundesrepublik während der WM 1974
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Abschluss der Aktion
Im weiteren Turnierverlauf blieb die DDR chancenlos. Der Erfolg gegen die Bundesrepublik erwies sich als Pyrrhussieg. Dadurch zog die DDR als Gruppensieger in die Zwischenrunde ein und traf auf die Gegner Brasilien, Argentinien und den späteren Vizeweltmeister Niederlande. Gegen Brasilien und die Niederlande verlor die DDR-Auswahl, gegen Argentinien gelang ein Unentschieden. Die Bundesrepublik hingegen, der Legende nach gestärkt durch den heilsamen Schock der Niederlage im deutsch-deutschen Duell, behauptete sich gegen die leichter eingeschätzten Gegner Polen, Jugoslawien und Schweden und wurde später Weltmeister.
Für die DDR-Mannschaft, die sich nie wieder für eine WM qualifizieren konnte, war ihr Abschneiden trotzdem ein Erfolg. Auch die Stasi betrachtete die eigene Leistung während des Turniers sehr zufrieden. Ein abschließender Bericht des Zentralen Operativstabes der Stasi zur Aktion "Leder" verteilte Lob und Anerkennung.
Zudem hatte die engmaschige Überwachung gut funktioniert. Lediglich ein Delegationsteilnehmer war von seiner Reise in den Westen nicht zurückgekehrt. Die Mannschaft war ebenfalls vollzählig wieder in die DDR gereist, ohne dass es zu unliebsamen Kontakten gekommen wäre.
Abschluss der Aktion
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Abschlussbericht des Zentralen Operativstabs zur Aktion "Leder" während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Abschlussbericht des Zentralen Operativstabs zur Aktion "Leder" während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
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Lehren für die Zukunft
Die penible Vorbereitung hatte sich also ausgezahlt und diente als Vorbild für die Absicherung weiterer Großveranstaltungen. Auch aus den Fehlern der westdeutschen Veranstalter wollte man lernen. So war es bei verschiedenen Spielen zu Protesten gekommen, unter anderem beim Spiel der DDR gegen Chile. Dort hatten Bürger der Bundesrepublik gegen den Putsch und das rücksichtslose Vorgehen der Militär-Junta protestiert.
So etwas sollte in der DDR nicht passieren: Ende 1974 formulierte der Zentrale Operativstab die gezogenen Lehren. Bei "Großsportveranstaltungen" seien besondere Lautsprecher hilfreich, um gegebenenfalls unliebsame Sprechchöre übertönen zu können. Im Publikum sollten bei internationalen Spielen neben den Stadionsprechern Dolmetscher zum Einsatz kommen die "auf ausländische Demonstranten und Störenfriede in deren Muttersprache einwirken" könnten.
Lehren für die Zukunft
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Auswertung der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 für die Sicherung zukünftiger Sportveranstaltungen
Auswertung der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 für die Sicherung zukünftiger Sportveranstaltungen
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Erfolg der Überwachung
Auch die vielen DDR-Bürger, deren Reise zu den Spielen abgelehnt worden war, hatten ihren Unmut zumindest nicht laut geäußert. Dennoch hatte die Bevölkerung sehr wohl registriert, dass es stets dieselben Genossen waren, die zu solchen Reisen aufbrechen durften. So half die Vergabepraxis für die Karten der Stasi dabei, alles unter Kontrolle zu behalten. Für viele Bürgerinnen und Bürger war die WM deswegen ein weiterer Beweis für die großen und kleinen Ungerechtigkeiten des Systems.
Erfolg der Überwachung