Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bd. 5, Bl. 149-150
Eine Schülerin schrieb in einem Brief an einen Freund im Westen, dass sie sich vorstellen könnte aus der DDR zu fliehen. Damit erregte sie die Aufmerksamkeit des MfS.
Der Mauerbau begünstigte die Einführung der Wehrpflicht in der DDR am 24. Januar 1962. Zuvor hätte der erzwungene Dienst an der Waffe vermutlich viele junge Menschen zur Flucht in die Bundesrepublik veranlasst. Das Gesetz verpflichtete alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren zum Grundwehrdienst von 18 Monaten. Der ideologische Gegensatz zwischen der Einführung der Wehrpflicht und dem Friedensstaat der DDR, wie ihn die SED-Führung in der Öffentlichkeit propagierte, fiel den Betroffenen durchaus auf.
Im vorliegenden Brief schreibt eine Schülerin aus der DDR darüber an einen Freund im Westen. Darin bringt sie auch ihre Fluchtgedanken zum Ausdruck. Das erregte die Aufmerksamkeit des MfS, dessen Abteilung M alle Briefe in den Westen kontrollierte. Das Schreiben wurde abgefangen und gelangte so in die Stasi-Unterlagen. Das Dokument zeigt auch, wie sehr das MfS durch eine Kontrolle aller Lebensbereiche versuchte, Republikfluchten zu verhindern.
[geschwärzt] den 10.2.62
Lieber [geschwärzt]!
Wie doch die Zeit vergeht! Nun haben wir schon wieder Februar, und es wird endlich Zeit, daß ich mal wieder was von mir hören lasse. Bisher habe ich nämlich immer noch auf einen Besuch von Dir gehofft, aber es hat nicht geklappt. Schade. Ich bin hier langsam am Versauern. Es wir immer lahmer. Und jetzt noch die Wehrpflicht dazu. So langsam schaffen die uns. Das Gesetz trifft auch noch für Frauen zu! Das kann ja heiter werden. Wie hat man hier immer die Zeitungen vollgeschrieben wie: „Tausende von Jugendlichen kamen aus dem Adenauer-Staat in unsere Republik, um dort der Wehrpflicht zu entgehen, die wir in der DDR ja nicht nötig haben! Du wolltest mal wissen, wieviel Mann bei uns unter Waffen stehen. Eine genaue Zahl weiß ich nicht; das kriegen wir doch gar nicht so genau zu erfahren. Jedenfalls sind es eine ganze Menge. Die Zeit ist genauso lang wie bei Euch, nämlich 1 1/2 Jahre. Heute haben wir in der Schule wieder mal eine „dufte“ Arbeit geschrieben. Das Thema lautrete: Beweise an Beispielen aus der Gegenwart, daß der Militarismus der Todfeind der Mensch-
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bd. 5, Bl. 149-150
Eine Schülerin schrieb in einem Brief an einen Freund im Westen, dass sie sich vorstellen könnte aus der DDR zu fliehen. Damit erregte sie die Aufmerksamkeit des MfS.
Der Mauerbau begünstigte die Einführung der Wehrpflicht in der DDR am 24. Januar 1962. Zuvor hätte der erzwungene Dienst an der Waffe vermutlich viele junge Menschen zur Flucht in die Bundesrepublik veranlasst. Das Gesetz verpflichtete alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren zum Grundwehrdienst von 18 Monaten. Der ideologische Gegensatz zwischen der Einführung der Wehrpflicht und dem Friedensstaat der DDR, wie ihn die SED-Führung in der Öffentlichkeit propagierte, fiel den Betroffenen durchaus auf.
Im vorliegenden Brief schreibt eine Schülerin aus der DDR darüber an einen Freund im Westen. Darin bringt sie auch ihre Fluchtgedanken zum Ausdruck. Das erregte die Aufmerksamkeit des MfS, dessen Abteilung M alle Briefe in den Westen kontrollierte. Das Schreiben wurde abgefangen und gelangte so in die Stasi-Unterlagen. Das Dokument zeigt auch, wie sehr das MfS durch eine Kontrolle aller Lebensbereiche versuchte, Republikfluchten zu verhindern.
heit ist! Schönes Phrasenthema, was? Mal sehen, was ich für eine Zensur darauf kriege. Du mußt ja jetzt auch ganz schön pauken, wie? Wo es doch bald Zeugnisse gibt. Na, Du wirst es schon schaffen.
Was würdest Du denn sagen, wenn ich Dich eines Tages mal besuchen würde? Wenn Du es nicht machst!
Nachdem nämlich aus meiner ehemaligen Klasse welche „abgehauen“ sind und auch glücklich gelandet sind, habe ich auch so einen Floh im Ohr. Stell‘ Dir vor, die ersten Meter im Westen. Das wäre doch was, oder? Doch alles muß natürlich reiflich überlegt sein, denn draufgehen möchte man ja auch nicht. Ich glaube, ich überlegs mir nochmal.
[geschwärzt] habe ich nach längerer Zeit auch mal wieder getroffen. Sie hat jetzt ausgelernt. Nun verdiehnt sie ganz schöne „Kohle“. Ich habe dazu noch [geschwärzt] Jahre Zeit. Auch die vergeht. Und was hast Du so für Sorgen? Schreibe mir bitte bald wieder, ja?
Bis dahin die besten Grüße
Von Deiner [geschwärzt]
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Brief von Wolf Biermann an Robert Havemann Dokument, 10 Seiten
Abschrift eines Briefes Smolkas an einen Bekannten bei der Grenzpolizei Dokument, 2 Seiten
Abgehörtes Telefoninterview von Wolf Biermann mit dem NDR Dokument, 7 Seiten
Schulungskassette "Nicht nur Heimweh – Erfahrungen in einer anderen Welt" Audio, 52 Minuten, 55 Sekunden