Signatur: BStU, MfS, BV Gera, AOP, Nr. 924/82, Bl. 319-326
Mit einer Reihe von Schikanen löste die Stasi Ende der 1970er Jahre eine Jugendgruppe auf. Ein politisches Programm hatten die "Tramper" nicht, wie die Stasi selbst feststellte.
Im Abschlussbericht zum OV "Tramper" beglückwünscht sich die Stasi selbst für ihr Einwirken auf eine Gruppe Jugendlicher, die sich andernfalls angeblich zu Staatsfeinden entwickelt hätte. Ab 1978 entwickelte sich in und um Gera ein loser Verband von Jugendlichen, die gemeinsam Veranstaltungen besuchten. Üblicherweise fielen sie durch Störaktionen und Alkoholkonsum auf.
Darüber hinaus organisierten sie Veranstaltungen außerhalb staatlicher Organisationen und äußerten sich negativ über die Ausbürgerung Biermanns aus der DDR. Ein politisches Programm lag dem nicht zu Grunde, wie die Stasi selbst feststellte. Die Staatssicherheit initiierte in der Folge eine Reihe von Schikanen gegen die einzelnen Mitglieder, welche sich nach und nach zurückzogen. Die Gruppe hörte in Folge der Stasi-Maßnahmen auf zu existieren.
Bezirksverwaltung
für Staatssicherheit
Kreisdienststelle Gera
Gera, 20.09.82
lau-wei /82
bestätigt
[Handschriftliche Ergänzung: [unleserlich] Stellv. Operativ
[Unterschrift: Seidel]
Seidel
Oberstleutnant
Abschlußbericht
zum OV "Tramper" - Reg.-Nr. 332/78
I. Bearbeiteter Personenkreis
1. [anonymisiert]
2. [anonymisiert]
3. [anonymisiert]
4. [anonymisiert]
5. [anonymisiert]
6. [anonymisiert]
7. [anonymisiert]
8. [anonymisiert]
9. [anonymisiert]
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
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Signatur: BStU, MfS, BV Gera, AOP, Nr. 924/82, Bl. 319-326
Mit einer Reihe von Schikanen löste die Stasi Ende der 1970er Jahre eine Jugendgruppe auf. Ein politisches Programm hatten die "Tramper" nicht, wie die Stasi selbst feststellte.
Im Abschlussbericht zum OV "Tramper" beglückwünscht sich die Stasi selbst für ihr Einwirken auf eine Gruppe Jugendlicher, die sich andernfalls angeblich zu Staatsfeinden entwickelt hätte. Ab 1978 entwickelte sich in und um Gera ein loser Verband von Jugendlichen, die gemeinsam Veranstaltungen besuchten. Üblicherweise fielen sie durch Störaktionen und Alkoholkonsum auf.
Darüber hinaus organisierten sie Veranstaltungen außerhalb staatlicher Organisationen und äußerten sich negativ über die Ausbürgerung Biermanns aus der DDR. Ein politisches Programm lag dem nicht zu Grunde, wie die Stasi selbst feststellte. Die Staatssicherheit initiierte in der Folge eine Reihe von Schikanen gegen die einzelnen Mitglieder, welche sich nach und nach zurückzogen. Die Gruppe hörte in Folge der Stasi-Maßnahmen auf zu existieren.
10.[anonymisiert]
11.[anonymisiert]
Am 05.05.1978 wurde der OV "Tramper" gegen die vorgenannten Personen angelegt. In diesem OV wurde eine negativ-dekadente jugendliche Gruppierung bearbeitet, die bei einer nicht entsprechenden operativen Kontrolle und Einflußnahme sich zu einer [durchgestrichen: negativ] [handschriftliche Ergänzung: staats] -feindlichen Gruppierung hätte entwickeln können.
Die Zielstellung der operativen Bearbeitung dieses jugendlichen Personenkreises bestand in der rechtzeitigen Erkennung negativ-feindlicher Handlungen und deren vorbeugende Verhinderung sowie in der Zurückdrängung ihrer gesellschaftswidrigen Verhaltensweisen und letztendlichen Auflösung der Gruppierung.
In dem langjährigen Prozeß der operativen Bearbeitung zur Verhinderung der Bildung einer staatsfeindlichen Gruppierung und ihrer Zerschlagung wurden politisch-operative Zersetzungs- und Verunsicherungsmaßnahmen durchgeführt, die eine nachhaltige Wirkung innerhalb dieses Personenkreises hinterließen und zur Auflösung der Gruppierung führten.
Es kann eingeschätzt werden, daß der vorgenannte Personenkreis im Verantwortungsbereich unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten keine Rolle mehr spielt und als Gruppierung nicht mehr existent ist.
II. Ergebnis der politisch-operativen Bearbeitung und strafrechtlichen Einschätzung
In Gera bildete sich 1978 eine negativ-dekadente jugendliche Gruppierung heraus, die sich aus 40 - 50 Personen zusammensetzte. In der Gruppierung bestand ein "harter Kern" von ca. 15 Jugendlichen, die über umfangreiche Verbindung innerhalb des Bezirkes Gera und der DDR verfügten. Diese unter 1. - 11. genannten Jugendlichen waren im Kreis Gera als An- und Rädelsführer bekannt. Der größere Teil der Jugendlichen schloß sich der Gruppe nur an, wenn bestimmte Veranstaltungen besucht wurden. Dabei kam es jedesmal zu erheblichem Alkoholgenuß und anschließendem rowdyhaftem Verhalten.
Von der Gruppierung, insbesondere dem "harten Kern", welcher sich aus dem vorgenannten Personenkreis zusammensetzte, wurde der Besuch attraktiver Veranstaltungen bzw. eigener sogenannter "Feten" vorbereitet und organisiert wie:
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
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Bericht der Hauptabteilung IX/4 über den Todesfall Matthias Domaschk in der Untersuchungshaftanstalt Gera Dokument, 8 Seiten
Abschlussbericht zum Operativen Vorgang "Virus" Dokument, 5 Seiten
Einschätzung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin Abteilung IX zum OV "Konzert" Dokument, 3 Seiten
Information zu "Erscheinungsformen gesellschaftswidrigen Auftretens und Verhaltens negativ-dekadenter Jugendlicher" Dokument, 18 Seiten