Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 241-245
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Aus Protest löste es die Wohnung auf und beklebte die Fenster mit Papier. Das MfS startete "OPK Sonne" und löste einen Gardinenkrieg damit aus.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden.
Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Daraufhin wurden sie zum Rat des Kreises Mühlhausen, Abteilung Inneres, vorgeladen. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten überall in der DDR Druck auf Ausreisewillige aus und arbeiteten eng mit der Staatssicherheit zusammen.
Bei der Befragung verteidigte das Ehepaar die zugeklebten Fenster. Diese würden Einblicke von außen verwehren und seien ästhetisch ansprechend. Es gäbe kein Gesetz, das eine derartige Fenstergestaltung verbieten würde.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
Im Oktober 1984 fertigte das MfS einen sogenannten Übersiedlungsvorschlag an, sodass sie Ende Dezember desselben Jahres in den Westen ausreisen durften.
Nach ihrer Ausreise in den Westen überwachte die Staatssicherheit die Briefpost und Telefonate in die DDR.
Der vorliegende Abschlussbericht gibt einen Überblick über den gesamten Vorgang "OPK Sonne"
Die Bearbeitung der OPK ergab weiterhin, daß die Ehefrau des [anonymisiert] stark vom [anonymisiert] beeinflußt wird, da sie sich in persönlichen Aussprachen stets auf die Antragstellung und Übersiedlungsgründe ihres Ehemannes stützte, diese ebenfalls als ihre eigenen angab und inoffiziell eingeschätzt wurde, daß eine gewisse sexuelle Hörigkeit der [anonymisiert] zu ihrem Ehemann existiert.
Charakterlich wurde der [anonymisiert] als unausgeglichener, überheblicher, aroganter und mürrischer junger Mensch eingeschätzt, welcher keine konkreten Lebensvorstellungen besitzt und sich der Heirat seiner Frau ausschließlich eine neue "Heimat" verschaffen wollte. Inoffiziell wurde erarbeitet, daß [anonymisiert] in der BRD vorhat, mit dem erarbeiteten Geld seiner Ehefrau ein Chemie- oder Medizinstudium zu absolvieren.
Über die Abteilung PM des VPKA wurde bekannt, daß die Frau des [anonymisiert], [anonymisiert] freundschaftliche Kontakte zu einer
[anonymisiert]
geb. am [anonymisiert] in [anonymisiert]
wh.: Mühlhausen, [anonymisiert]
Lehrerin, [anonymisiert]
unterhält. Bei der [anonymisiert] handelt es sich um einen AIM.
Im Rahmen der Bearbeitung wurde mit der [anonymisiert] am 25.10.1984 auf der Abteilung Volksbildung eine Aussprache geführt, um eine Beeinflussung hinsichtlich der Zurückdrängung der Familie [anonymisiert] über die [anonymisiert] zu erreichen. Es konnten bei dieser Aussprache neue Hinweise zum Antragsteller [anonymisiert] erarbeitet werden, jedoch teilte die [anonymisiert] mit, daß ihr Einfluß zur [anonymisiert] seit deren Ehe mit dem [anonymisiert] nicht mehr existiert und die [anonymisiert] alles tut, was ihr Ehemann sagt. Die [anonymisiert] bestätigte, daß mehrere Einrichtungsgegenstände der Wohnung fehlen - diese wurden am 29.09.1984 durch den [anonymisiert] bei einer Haushaltsauflösung verkauft. In diesem Zusammenhang teilte die [anonymisiert] mit, daß die beiden Kinder der [anonymisiert] kein Kinderzimmer mehr haben und auf Sesseln schlafen.
Seit Mitte September hatte der [anonymisiert] die Fenster seiner Wohnung mit Zeitungen und Plakaten verklebt. Nach Bekanntwerden o. g. Sachverhalte wurden koordinierte Maßnahmen im Rahmen des Rückdrängungsprozesses mit dem AWG-Vorstand wegen der beklebten Fenster und mit der Jugendhilfe bezüglich der schlechten Lebensbedingungen der Kinder der [anonymisiert] eingeleitet, welche jedoch alle ohne Erfolg blieben.
Bei einer weiteren Aussprache mit dem [anonymisiert] bei der Abteilung Inneres brachte dieser zum Ausdruck, daß Aussprachen nicht nötig sind, da er und seine Frau sich nicht vom Übersiedlungsersuchen abbringen lassen und daß das Fensterverkleben ein Ausdruck dessen ist, daß [anonymisiert] und seine Frau bereits 2 Jahre Widerwillen in der DDR leben müssen.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
aktuelle Seite 3
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
aktuelle Seite 1
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Übersichtsbogen zur "OPK Sonne" Dokument, 2 Seiten
Aussprache mit einem Übersiedlungsersuchenden und einem Vertreter der Abteilung Inneres Dokument, 6 Seiten
Abschlußbericht zur Operativen Personenkontrolle "Abflug II" Dokument, 4 Seiten
Bericht zum Trägerkreis für die Schaffung eines Kommunikationszentrums Dokument, 4 Seiten