Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AS, Nr. 1/53, Bd. 9, Bl. 113-121
Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Diese hatte zuvor, am 20. Juni, von den SED-Kreisleitungen eine Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 angefordert.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand. Entfachte sich der Protest zunächst an sozialen Fragen, die den Arbeits- und Lebensalltag der Menschen betrafen, forderten die Demonstranten bald im ganzen Land den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung. Der Aufstand nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Brandenburg wurde flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im ehemaligen Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in Orten mit größeren Betrieben statt. Der Aufstand traf das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genauso unvorbereitet wie die SED. Nur langsam gewannen die Verantwortlichen einen Überblick über die Ereignisse.
Das vorliegende Dokument zeigt, wie überrascht die Führung von den Ereignissen war. Es handelt sich dabei um ein Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Am 20. Juni wies sie die einzelnen SED-Kreisleitungen an, eine aus neun Punkten bestehende Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 herum anzufertigen.
Sozialistische Einheitspartei
Deutschland
Kreisleitung VII 0/3
– Sekretariat –
Potsdam, den 25. Juni 1953
Ha/Neu.
Tgb.Nr.: PK/ 212 /53
An die
Bezirksleitung der SED VII c
- Sekretariat
Berlin
Betr.: Gesamtanalyse.
Bezug: Fernschreiben Nr. 582 vom 20.6.53.
Zu Punkt 1.:
In einer Reihe von Schwerpunktbetrieben zeigten sich in den vergangenen Wochen Tendenzen,dass grosse Teile der Arbeiterschaft der Normenerhöhung im besonderen ablehnend gegenüber standen .
Im Kunstseidenwerk "Friedrich Engels" in Premnitz, im
Stahl- und Walzwerk "Wilhelm Florin" in Henningsdorf, kam es bereits im Monat Mai 1953 zu Arbeitsniederlegungen.
Bei den Arbeitern wurde die Stimmung dadurch gekennzeichnet, dass sie für die Zukunft mit einem enormen Lohnabbau rechneten, dem eine Steigerung der Lebenshaltungskosten gegenüber steht. Die Agentur des Gegners griff besonders in den Grossbetrieben die negative Stimmung breite Arbeiterkreise auf und die faschistischen Provokationen erreichten zu mindest nach aussen eine Massenbasis.
Arbeiter des Karl-Marx-Werkes in Babelsberg äusserten sich dahingehend, dass die Arbeiter nicht gegen die Partei und Regierung streiken, sondern darüber verärgert wären, dass man ihre berechtigten wirtschaftlichen Forderungen (Verbesserung der sanitären Einrichtungen, regelmässige Belieferung mit Waschmittel und Milch und anderes) nicht erfüllt.
Zu Punkt 2.:
Der Ausgangspunkt der Provokationen im Bezirk waren die Ereignisse in Berlin.
Am 17.6.53 begannen im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, Lokomotivbau- Elektrotechnische Werke Hennigsdorf , Schwermaschinenbau "Heinrich Rau" in Wildau , Rathenow'sche Opti-
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
aktuelle Seite 1
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
Zur Seite 8 wechseln
Zur Seite 9 wechseln
Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AS, Nr. 1/53, Bd. 9, Bl. 113-121
Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Diese hatte zuvor, am 20. Juni, von den SED-Kreisleitungen eine Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 angefordert.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand. Entfachte sich der Protest zunächst an sozialen Fragen, die den Arbeits- und Lebensalltag der Menschen betrafen, forderten die Demonstranten bald im ganzen Land den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung. Der Aufstand nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Brandenburg wurde flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im ehemaligen Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in Orten mit größeren Betrieben statt. Der Aufstand traf das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genauso unvorbereitet wie die SED. Nur langsam gewannen die Verantwortlichen einen Überblick über die Ereignisse.
Das vorliegende Dokument zeigt, wie überrascht die Führung von den Ereignissen war. Es handelt sich dabei um ein Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Am 20. Juni wies sie die einzelnen SED-Kreisleitungen an, eine aus neun Punkten bestehende Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 herum anzufertigen.
sche Werke, Kunstseidenwerk Premnitz , Industriewerke Ludwigsfelde, auf allen grösseren Baustellen der Bau-Union Potsdam Streiks.
Die aktivsten Provokationen im Bezirk waren in Brandenburg, wo faktisch die Arbeitsniederlegung im SWB ( Stahl- und Walzwerk Brandenburg ) das Signal für alle anderen Betriebe bildete. Im Industriewerk Ludwigsfelde begannen die Bauarbeiter der Bau-Union Potsdam mit dem Streik und zwangen die Produktionsarbeiter des Industriewerkes zur Teilnahme.
In Potsdam selbst zeigte sich,dass das Karl-Marx-Werk der Ausgangspunkt für eine geschlossene feindliche Aktion sein sollte.
Im Laufe den 17.6. erschienen in Werk Delegationen der Verkehrsbetriebe , des RAW u.a. und erklärten, ihr Streik beginnt mit dem des Karl Marx - Werkes.
Die Überteupelungsversuche des Gegners gegenüber den streikenden Arbeitern kamen besonders in den Grossbetrieben zum Ausdruck. Der Streik begann mit der Forderung auf Revidierung der Normen, der HO-Preise und wurde dann zum gegebenen Zeitpunkt von faschistischen Elementen mit der Forderung auf Regierungssturz zur offenen Provokation.
Kennzeichnend für den Ausgansspunkt der Ausschreitungen war die Haltung der Bauarbeiter.
In allen Grossbetrieben, wie im SWB [Stahl- und Walzwerk Brandenburg], SWH [Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf], Schwermaschinenbau [VEB Schwermaschinenbau "Heinrich Rau" Wildau], LEW [Lokomotivbau Elektrotechnische Werke Hennigsdorf], IW Ludwigsfelde, ROW und andere waren die Bauarbeiter die Triebkraft zum Streik.
Während fast die Betriebe aller Industriezweige vom Streik erfasst wurden und wenn auch nur kurzfristig daran teilnahmen ( z.B. Askania Teltow 1 Stunde ) so blieb die Landwirtschaft und der Handel mit wenigen Ausnahmen wie die MTS Niemegk und Ludwigsfelde vom Streik fern, d.h. es waren lt. Stimmung der Angestellten bestimmte Sympathien vorhanden, die jedoch ohne aktive Wirkung blieben. Man kann sagen,dass im Bankwesen die Provokationen keinerlei Anklang fanden, dass die Geldwerte durch vorsorgende Massnahmen vor einem eventuellen Zugriff geschützt wurden.
Zu Punkt 3. und 4.:
Sofort nach Bekanntgabe der Beschlüsse des Politbüros vom 8.6.53 zur Frage der Liquidierung der Normenerhöhungen u.a. mehr, wurde
folgende Massnahmen ergriffen:
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Zur Seite 1 wechseln
aktuelle Seite 2
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
Zur Seite 8 wechseln
Zur Seite 9 wechseln
Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AS, Nr. 1/53, Bd. 9, Bl. 113-121
Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Diese hatte zuvor, am 20. Juni, von den SED-Kreisleitungen eine Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 angefordert.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand. Entfachte sich der Protest zunächst an sozialen Fragen, die den Arbeits- und Lebensalltag der Menschen betrafen, forderten die Demonstranten bald im ganzen Land den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung. Der Aufstand nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Brandenburg wurde flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im ehemaligen Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in Orten mit größeren Betrieben statt. Der Aufstand traf das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genauso unvorbereitet wie die SED. Nur langsam gewannen die Verantwortlichen einen Überblick über die Ereignisse.
Das vorliegende Dokument zeigt, wie überrascht die Führung von den Ereignissen war. Es handelt sich dabei um ein Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Am 20. Juni wies sie die einzelnen SED-Kreisleitungen an, eine aus neun Punkten bestehende Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 herum anzufertigen.
1. Am 8.6.53 persönliche Anleitung der Kreissekretäre
2. Am 9.6.53 Beratung und Schulung aller Sekretäre für Landwirtschaft, MTS, LPG, VEG.
Bis zum 16.6.53 liefen diese eingeleiteten Maßsnahmen ohne
wesentliche Erscheiunngen ab.
Am 16.6.53 berichtete Gen. Randwerker, Sekretär der Bezirksleitung, der im SWH und LEW mit den Arbeitern diskutierte, dass die Arbeiter wohl sehr kritisch zur Frage der Normen Stellung nahmen, dass jedoch keinerlei Anzeichnen einer Streikbewegung oder sogar faschistischer Provokationen vorhanden war. Das Sekretariat der Bezirksleitung beschäftigte sich dennoch mit den von der Bevölkerung zugetragenen Ereignissen in Berlin und fasste den Beschluss,dass Mitarbeiter der Bezirksleitung am 17.6.53 früh in die Kreise herausfahren und dort nach einer Analyse der Situation operative Massnahmen zur Sicherung treffen.
Am 17.6.53 morgens trafen die Streiks und Demonstrationen die Partei überraschend.
Die Sachlage wurde in ihrem vollen Umfange nicht erkannt.
Es bestand bei der Bezirksleitung noch die Annahme, es handele sich um friedliche Demonstrationen für die Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen. Dennoch ergingen in den Morgenstunden des 17.6.53 an alle Kreisleitungen die Anweisungen, alle lebenswichtigen Betriebe zu besetzen und zu sichern.
Ein Kampfmaßstab, der sämtliche Massnahmen koordiniert d.h. Partei, MfS, VP, KVP, bestand noch nicht.
Es bestand auch kein Überblick bei der Partei, welche Kräfte vorhanden sind,die man den Demonstranten entgegen setzen konnte. Erst um die Mittagszeit wurde klar, dasz es sich um eine faschistische Provokation handele. Die Bezirksleitung setzte dann die Parteihochschule, die DVA ‚ die Pädagogische Hochschule und die anderen Schulen zur Agitation und Aufklärung ein.
Am 17.5.53 abends wurde in einer Sekretariatssitzung der Kampfstab unter der Führung der Partei gebildet.
Am 18.6.53 wurden in einer Sekretariatssitzung folgende Massnahmen beschlossen:
1. In die Schwerpunkte des Bezirkes
a) Hennigsdorf
b) Brandenburg
c) Rathenow
d) Wildau
f) Belzig
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
aktuelle Seite 3
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
Zur Seite 8 wechseln
Zur Seite 9 wechseln
Haftbefehl gegen einen Mann, der Fotos des Volksaufstandes in Rathenow gemacht hatte Dokument, 1 Seite
Anordnung des Ausnahmezustands im Kreis Zossen Dokument, 1 Seite
Haftbeschluss gegen einen Lackierer wegen einer Provokation gegenüber eines Parteisekretärs während des Volksaufstandes Dokument, 1 Seite
Gesamtübersicht über die Ereignisse in den Tagen um den 17. Juni 1953 im Bezirk Dresden Dokument, 26 Seiten