Analyse der Ereignisse des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 im Bezirk Potsdam
Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AS, Nr. 1/53, Bd. 9, Bl. 113-121
Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Diese hatte zuvor, am 20. Juni, von den SED-Kreisleitungen eine Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 angefordert.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand. Entfachte sich der Protest zunächst an sozialen Fragen, die den Arbeits- und Lebensalltag der Menschen betrafen, forderten die Demonstranten bald im ganzen Land den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung. Der Aufstand nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Brandenburg wurde flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im ehemaligen Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in Orten mit größeren Betrieben statt. Der Aufstand traf das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genauso unvorbereitet wie die SED. Nur langsam gewannen die Verantwortlichen einen Überblick über die Ereignisse.
Das vorliegende Dokument zeigt, wie überrascht die Führung von den Ereignissen war. Es handelt sich dabei um ein Antwortschreiben des 1. Kreissekretärs der SED-Kreisleitung Potsdam an die SED-Bezirksleitung Berlin. Am 20. Juni wies sie die einzelnen SED-Kreisleitungen an, eine aus neun Punkten bestehende Gesamtanalyse der Ereignisse um den 17. Juni 1953 herum anzufertigen.
Metadaten
- Diensteinheit:
- SED Kreisleitung VII 0/3
- Datum:
- 25.6.1953
gesunde Kritik des Werktätigen beinhaltet ist, aber auch in welchem Masse sich Provokateure diese Forderung zu Nutze machten;
z.B.. dass diese Forderungen überall durch Sturz, Regierungswechsel erwirkt werden kann.
Bei den Demonstrationen der Streikenden konnte besonders beobachtet werden,dass führende Funktionäre des Staatsapparates und der Partei herbeigezerrt und vor der Demonstration gezwungen waren, zu marschieren.
Zu Punkt 7.):
Siehe Anlage-Blatt 1 und 2.
Zu Punkt 8).:
In den Betrieben zeigt die gegenwärtige Stimmung eine abhaltende Haltung.
In durchgeführten Versammlungen wurden Entschliessungen einstimmig angenommen. Doch zeigen Stimmungsberichte‚ dass diese Zustimmung nicht echt ist.
Im Allgemeinen wird praktisch von dem Streik wenig gesprochen. Die Beschlüsse des Politbüros finden rege Zustimmung,dennoch besteht die allgemeine Ansicht, dass erst deren Realisierung ein volles Vertrauen herstellt.
Auf dem Lande besteht die Tendenz , es sei zweckmäseig, die Pflichtablieferung nicht mit herabzusetzen , :sondern abzuschaffen. Aus Besprechungen die, der Hohe Kommissar der UdSSR mit Funktionären der Blockparteien hatte , schliesst man vornehmlich in Angestelltenkreisen eine Regierungsumbildung. Es bestehen Meinungen in nicht geringer Zahl , welche die neuen Verfügungen der Regierung der DDR ausschliesslich ein Ergebnis der Streiks ansehen.
Bezüglich der Kriegsgerichtsurteile ist in der Mehrheit ein objektivistischer Standpunkt zu verzeichnen.
Wahrend die Todesurteile als Vergeltung gemeiner Morde zurecht angesehen wird, besteht gegenüber anderen Urteilen der Vergleich mit dem Westen, wo mann "Provokateure" welche gegen die bestehende kapitalistische Staatsmacht rebellieren ebenfall verurteilt.
Zu Punkt 9.):
Aufgrund der Ereignisse war in fast allen Produktionsbetrieben