Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 17059, Bl. 66-70
Im November 1970 lieferten sich an der US-Luftwaffenbasis in Ramstein drei Mitglieder der "Black Panther Party" einen Schusswechsel mit einem deutschen Wachmann der Basis. Einer der Angreifer konnte fliehen – und setzte sich mit Hilfe der Stasi nach Algerien ab.
An der US-amerikanischen Militärflugbasis in Ramstein ereignete sich am 19. November 1970 ein bewaffneter Zwischenfall: Drei Mitglieder der Black Panther Party, einer revolutionär-sozialistischen Bewegung für die Rechte von Schwarzen in den USA, lieferten sich mit einem deutschen Wachposten im Einfahrtsbereich einen Schusswechsel. Der Wachmann wurde verletzt, die Black Panther-Mitglieder flohen. Ein Suchtrupp fasste zwei von ihnen. Einem dritten Mitglied der Gruppe, dem ehemaligen amerikanischen Soldaten David Jenkins, gelang die Flucht. Mit Hilfe von zwei westdeutschen Unterstützern der Black Panther-Bewegung sollte Jenkins mit dem Auto in die DDR gebracht und von dort über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Algerien fliegen.
Zwei Tage später entdeckten Stasi-Mitarbeiter am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bei der Passkontrolle Jenkins im Kofferraum eines Frankfurter PKWs. Zu Befragungen brachte die Stasi alle drei in das konspirative Objekt "Loburg". Die Stasi-Bezirksverwaltung in Magdeburg registrierte die beteiligten Personen in ihrem Karteikartensystem und meldete das "Vorkommnis" wenige Stunden später mit dem Zusatz "dringend" an die Zentrale nach Berlin. Ab diesem Zeitpunkt behandelte die Stasi den Fall auf Leitungsebene. Stimmten die geschilderten Hintergründe des Vorfalls? Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Ausflug nach Algerien möglich? Und welche Konsequenzen seien zu befürchten, sollte die Fluchthilfe öffentlich werden? Bis ins kleinste Detail gaben Mitarbeiter Vorlagen und Sachstände zum Fall "Schwarzer Panther" an ihre jeweiligen Leiter weiter.
Über drei Wochen wartete der US-Amerikaner auf die Entscheidung über seine Zukunft. Verzögert hatte sich der Prozess auch, da dieser bei seiner Flucht Verletzungen davongetragen hatte. Erst in der zweiten Dezemberwoche unterschrieb Minister Erich Mielke persönlich die letztendliche Entscheidungsvorlage, in der Oberst Fiedler empfahl, "dem Jenkins die Ausreise nach Algerien zu gestatten."
Der Flug von Schönefeld nach Algier erfolgte laut Unterlagen "ohne Zwischenfälle" am 13. Dezember 1970. Die DDR-Geheimpolizei hatte damit einem in Westdeutschland straffällig gewordenen Mitglied der Black Panther Party geholfen, sich dem Zugriff der Gerichte in der Bundesrepublik zu entziehen und unbemerkt Europa zu verlassen. Die beiden gefassten Mittäter verurteilte ein Gericht in Zweibrücken im Juli 1971 zu Geld- bzw. Gefängnisstrafen. In der Öffentlichkeit blieb die Identität der dritten Person bis zur Öffnung der Stasi-Unterlagen unbekannt.
Anlagekarte zum Material "Schwarzer Panther"
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 17059, Bl. 66-70
Im November 1970 lieferten sich an der US-Luftwaffenbasis in Ramstein drei Mitglieder der "Black Panther Party" einen Schusswechsel mit einem deutschen Wachmann der Basis. Einer der Angreifer konnte fliehen – und setzte sich mit Hilfe der Stasi nach Algerien ab.
An der US-amerikanischen Militärflugbasis in Ramstein ereignete sich am 19. November 1970 ein bewaffneter Zwischenfall: Drei Mitglieder der Black Panther Party, einer revolutionär-sozialistischen Bewegung für die Rechte von Schwarzen in den USA, lieferten sich mit einem deutschen Wachposten im Einfahrtsbereich einen Schusswechsel. Der Wachmann wurde verletzt, die Black Panther-Mitglieder flohen. Ein Suchtrupp fasste zwei von ihnen. Einem dritten Mitglied der Gruppe, dem ehemaligen amerikanischen Soldaten David Jenkins, gelang die Flucht. Mit Hilfe von zwei westdeutschen Unterstützern der Black Panther-Bewegung sollte Jenkins mit dem Auto in die DDR gebracht und von dort über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Algerien fliegen.
Zwei Tage später entdeckten Stasi-Mitarbeiter am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bei der Passkontrolle Jenkins im Kofferraum eines Frankfurter PKWs. Zu Befragungen brachte die Stasi alle drei in das konspirative Objekt "Loburg". Die Stasi-Bezirksverwaltung in Magdeburg registrierte die beteiligten Personen in ihrem Karteikartensystem und meldete das "Vorkommnis" wenige Stunden später mit dem Zusatz "dringend" an die Zentrale nach Berlin. Ab diesem Zeitpunkt behandelte die Stasi den Fall auf Leitungsebene. Stimmten die geschilderten Hintergründe des Vorfalls? Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Ausflug nach Algerien möglich? Und welche Konsequenzen seien zu befürchten, sollte die Fluchthilfe öffentlich werden? Bis ins kleinste Detail gaben Mitarbeiter Vorlagen und Sachstände zum Fall "Schwarzer Panther" an ihre jeweiligen Leiter weiter.
Über drei Wochen wartete der US-Amerikaner auf die Entscheidung über seine Zukunft. Verzögert hatte sich der Prozess auch, da dieser bei seiner Flucht Verletzungen davongetragen hatte. Erst in der zweiten Dezemberwoche unterschrieb Minister Erich Mielke persönlich die letztendliche Entscheidungsvorlage, in der Oberst Fiedler empfahl, "dem Jenkins die Ausreise nach Algerien zu gestatten."
Der Flug von Schönefeld nach Algier erfolgte laut Unterlagen "ohne Zwischenfälle" am 13. Dezember 1970. Die DDR-Geheimpolizei hatte damit einem in Westdeutschland straffällig gewordenen Mitglied der Black Panther Party geholfen, sich dem Zugriff der Gerichte in der Bundesrepublik zu entziehen und unbemerkt Europa zu verlassen. Die beiden gefassten Mittäter verurteilte ein Gericht in Zweibrücken im Juli 1971 zu Geld- bzw. Gefängnisstrafen. In der Öffentlichkeit blieb die Identität der dritten Person bis zur Öffnung der Stasi-Unterlagen unbekannt.
Bild 1 mit der Bildunterschrift:
Pkw mit dem die Personen Schauer und [anonymisiert] den Jenkins in die DDR brachten
[Schwarzweiß Aufnahme; ein beiger Peugeot mit 4 Türen steht auf einem Hof. Hinter dem Auto sieht man eine Mauer und dahinter das Spitzdach eines Hauses. Links neben dem Auto befindet sich ebenfalls eine Mauer, an der eine Holzleiter lehnt.]
Bild 2 mit der Bildunterschrift:
Die [anonymisiert] beim Verlassen des Objektes
[Schwarzweiß Aufnahme; ein Backstein-Schuppen mit drei Holztüren befindet sich rechts. An den Schuppen sind einige Holzbretter gelehnt. Zur Linken ein Backsteinhaus mit einer kleinen Treppe mit circa drei Stufen. Eine Frau verlässt das Haus und läuft die Treppe hinunter. Sie ist von der rechten Seite zu sehen. Neben der Treppe sind Ziegelsteine gestapelt.
Vorne rechts auf dem Bild ist ein großer, weißer, gepflegter Mann im Anzug zu sehen, seine Haare sind nach hinten gekämmt, er trägt unter dem Anzug einen Rollkragen und eine Weste oder Strickjacke, das Sacko ist geöffnet. Er hat vor der Frau das Haus verlassen und läuft in Richtung Kamera.]
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Hinweiskartei zur "Einreise von BRD-Bürgern im grenznahen Bereich" der Abteilung VI zu David Jenkins Dokument, 4 Seiten
Entscheidungsvorlage für Erich Mielke zum Vorgang "Schwarzer Panther" Dokument, 5 Seiten
Sachstand zum operativen Material "Schwarzer Panther" Dokument, 3 Seiten
Bericht zur erfolgten Ausreise eines Aktivisten der "Black Panther Party" über den Flughafen Schönefeld Dokument, 2 Seiten