Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AS, Nr. 1/53, Bd. 4, Bl. 82
Nachdem die Arbeiter im Kreis Zossen vergeblich mit der Werkleitung verhandeltet hatten, verlegten sie ihre Demonstration aus dem Werk auf die Straße. Der Garnisonskommandeur verhängte daraufhin den Ausnahmezustand.
Zwischen dem 17. und 21. Juni 1953 kam es in über 150 brandenburgischen Städten und Gemeinden zu Streiks, Demonstrationen und Kundgebungen. Brandenburg war flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in den größeren Orten mit Industrieansiedlungen statt. Zu Demonstrationen und Streiks kam es auch in allen Landkreisen des Bezirks Potsdam, die direkt an Berlin angrenzten.
Streikende Bauarbeiter der Bau-Union Potsdam lösten um 7:30 Uhr die Streikbewegung im Kreis Zossen aus. Ihrem Streik schlossen sich gegen 9:00 Uhr die Elektrofahrer des großen Industriewerkes Ludwigsfelde an. Um 11:00 Uhr beschloss die gesamte Belegschaft des Industriewerkes, in den Streik zu treten. Eine Streikleitung aus insgesamt 27 Personen wurde gebildet. Sie erhielt den Auftrag, mit der Werkleitung über die Forderungen der Belegschaft zu verhandeln. Da diese Verhandlungen nicht erfolgreich verliefen, beschlossenen die Streikenden, ihre Demonstration aus dem Werk auf die Straße zu verlegen. Gegen 15:00 Uhr setzt sich ein etwa 3.000 Mann starker Demonstrationszug in Bewegung.
Daraufhin verhängte der Garnisionskommandeur ab 16:00 Uhr den Ausnahmezustand für den kreis Zossen. Um 21:30 Uhr versuchten Teile der Demonstranten und Traktoristen der Maschinen-Traktoren-Station (MTS) Ludwigsfelde, das Industriewerk zu besetzen. Volkspolizei und sowjetische Armee verhinderten die Aktion gewaltsam. Angehörige der Kasernierten Volkspolizei und sowjetische Soldaten besetzten daraufhin das Industriewerk. Um 22.00 Uhr erfolgte die Festnahme der Streikleitung. Am 18. Juni 1953 wollten die Arbeiter des Werkes mit einer Demonstration in Ludwigsfelde die Freilassung ihrer verhafteten Kollegen erreichen. Diese Demonstration wurde gegen 10:00 Uhr gewaltsam aufgelöst.
[Stempel: Fs.-Nr. 1348]
[Stempel: Fernschreiben Aufgenommen: am [handschriftliche Ergänzung: 17.06.53] um: [handschriftliche Ergänzung: 16:40] [Unterschrift]
+,afs zsn + 17.06.1953 fsnr.:19 16,20 Uhr König (uml.)
an den Operativstab
16,00 Uhr Meldung des VPKA-Leiters Zossen. Auf Anordnug des komm. der sowjetischen Kommandantur wird folgende Anordnung herausgegeben:
Anordnung.
Auf Anordnung des Kommandanten der sowjetischen Kommandantur des Kreises Zossen wird ab 17.06.1953, 16.00 Uhr der Ausnahmezustand für den Kreis Zossen verhängt.
Alle Demonstrationen, Veranstaltungen und Ansammlungen die gegen die DDR, die Sowjetunion und die Volksdemokratien gerichtet sind, sind verboten.
Ab 21.00 Uhr haben alle Gaststätten zu schließen. Jeder Verkehr auf öffentlichen Straßen ist in der zeit von 22.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr morgens verboten.
Bei Nichtbefolgung erfolgt die Bestrafung durch das zuständige Militärgericht.
gez. VPKA-Leiter
gez. Wittschorek Sachbearbeiter
bt qsl
+ 17.06.1953 16,40 uhr fs.nr. 19 vfs pdm Schellner +
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Bericht über die Ereignisse in der DDR am 17. Juni 1953 Dokument, 15 Seiten
"Informationsbericht" zur Demonstration in Sömmerda Dokument, 3 Seiten
Urteil gegen einen Streikführer aus Niemegk Dokument, 6 Seiten
Mitteilung zu den Auswirkungen des Ausnahmezustands auf das MfS im Bezirk Karl-Marx-Stadt Dokument, 1 Seite