Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 14054, Bl. 1
Vom 24. bis 26. November 1987 fand in Ost-Berlin der X. Schriftstellerkongress der DDR statt. Zu dem Kongress war auch der bundesdeutsche Verband deutscher Schriftsteller (VS) eingeladen. Dessen Vorsitzende, Anna Jonas, nominierte für die Delegation ihren Stellvertreter, Josef Reding, sowie den Schriftsteller Erich Loest, der die DDR 1981 verlassen hatte.
Literatinnen und Literaten litten in der DDR unter der Bevormundung durch das SED-Regime. Gegen die Zensur regte sich in den 80er Jahren vermehrt offene Kritik. Die zuständige Kulturabteilung des Zentralkomitees der SED, die dem Chefideologen und Politbüromitglied Kurt Hager unterstand, lehnte Lockerungen ab. Der X. DDR-Schriftstellerkongress, der am 24. November 1987 in Gegenwart von Generalsekretär Erich Honecker und sechs weiteren SED-Politbüromitgliedern begann, zeigte aber auf, dass diese harte Linie zunehmend offen kritisiert wurde. Die Staatssicherheit schenkte einzelnen kritischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses und ihrer Meinung nach "feindlich-negativen Kräften" besondere Beachtung.
Bereits im Vorfeld des Kongresses machten verschiedene Autorinnen und Autoren deutlich, dass sie eine staatliche Bevormundung nicht mehr widerspruchslos hinnehmen würden. Häufig kamen sie in diesem Zusammenhang auch auf den Aderlass durch die Abwanderung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus der DDR zu sprechen.
Die VS-Bundesvorsitzende Anna Jonas wollte sich auf dem Kongress durch Josef Reding und den ehemaligen DDR-Schriftsteller Erich Loest vertreten lassen. Der Schriftstellerverband der DDR wies die Nominierung von Loest, die ihren Ursprung laut Stasi in der "Initiative feindlicher Kräfte in dem BRD-Verband" (HA XX, Nr. 14054, Bl. 7) hatte, als "Provokation" zurück. Die Geheimpolizei ging davon aus, dass die Ablehnung von westlichen Medien "zur weiteren Hetze und Verleumdung gegen die DDR" benutzt würde.
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Der Bundesvorstand
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[unleserlich] 7111207; HADRU; Telefax 07112018-262
Schriftstellerverband der DDR
Friedrichstr. 169
DDR- 1086 Berlin
Ihre Nachricht vom [Auslassung]; Ihre Zeichen [Auslassung]; Unsere Zeichen [Auslassung]; Datum 31.10.1987
Betr: Einladung zum Schriftstellerkongreß der DDR
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
im Namen des Bundesvorstands des VS möchte ich mich herzlich für die Einladung zu Ihrem Schriftstellerkongreß bedanken.
Ich bedaure, Ihre Einladung nicht selbst wahrnehmen zu können; zu der Zeit, als ich vom Termin Ihres Schriftstellerkongresses erfuhr, war ich bereits eine andere feste Terminvereinbarung eingegangen.
Für den neuen VS-Bundesvorstand werden deshalb der stellvertretende Vorsitzende, Josef Reding, und Erich Loest Ihre Gäste sein.
Erich Loest ist einer der wenigen Kollegen unseres Verbandes, der die ostwestlichen Wirklichkeiten und die damit verbundenen Probleme aus eigenem Erleben kennt.
Dieser VS-Bundesvorstand will darauf vertrauen können, daß der eventuelle "Streit der Ideologien" dennoch "die Fähigkeit zum Dialog, zur Vertrauensbi1dung, zum Konsens, zum Abbau von Mißtrauen und Bedrohungsängsten sowie zur Partnerschaft bei gemeinsamen Aufgaben" nicht ausschließt.
Wir sind, entsprechend unserem kollegialen Prinzip, der Ansicht, daß auch Mitglieder des Verbandes, die keine Funktionen ausüben, an offiziellen Reisen des VS teilnehmen können und sollen. Diese Mitglieder erhalten für Anlaß und Dauer dieser Reise damit ein offizielles Mandat; das entspricht dem integrativen Konzept dieses Bundesvorstands.
Der Bundesvorstand wird immer bemüht sein, daß eines seiner Mitglieder an solchen Reisen teilnimmt, wenn nicht außerordentliche und unabänderliche Terminprobleme vorliegen.
Wir wünschen Ihrem Kongreß einen guten Verlauf.
Mit den besten Grüßen,
[Unterschrift]
Anna Jonas
Vorsitzende des VS
Bank für Gemeinwirtschaft AG Stuttgart
(BLZ 60010111) Konto 1072200200
Postschock Stuttgart
(BLZ 60010070) Konto 74510-702
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Ergänzende Information über den bundesdeutschen Verband deutscher Schriftsteller Dokument, 2 Seiten
Information über Aktivitäten des Verbands Deutscher Schriftsteller (VS) in Vorbereitung des X. Schriftstellerkongresses Dokument, 2 Seiten
Information über die Ergebnisse des X. Schriftstellerkongresses der DDR Dokument, 12 Seiten
Bericht der BV Berlin zu Gruppengesprächen im Schriftstellerverband der DDR Dokument, 3 Seiten