Anweisung von Staatssekretär Halbritter an die "Beauftragten des Ministerrats" zum Stopp der Aktenvernichtung
Signatur: BStU, MfS, Sekr. Schwanitz, Nr. 150, Bl. 162
Am 4. und 5. Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger etliche Bezirks- und Kreisämter des neu gegründeten Amts für Nationale Sicherheit. "Beauftragte des Ministerrats" sollten die Lage in den Bezirkshauptstädten beruhigen und waren angewiesen, die während der Besetzung unterbrochene Aktenvernichtung wieder voranzutreiben. Nach Protesten zog Staatssekretär Walter Halbritter diese Anweisung zurück.
Mit der Wahl einer neuen Regierung durch die Volkskammer der DDR am 17. November 1989 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) umgewandelt. Das Amt unterstand nun nicht mehr direkt der SED-Führung, sondern dem Ministerpräsidenten. Dem AfNS unterstellt waren die Bezirks- und Kreisämter, ehemals Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen des MfS.
Nur wenige Tage nach dieser Zäsur, am 4. und 5. Dezember 1989, verschafften sich mutige Bürgerinnen und Bürger, angeführt von Mitgliedern der Bürgerbewegung, Zugang zu den Bezirks- und etlichen Kreisämtern in der gesamten DDR. Die Protagonisten forderten, die Aktenvernichtung zu unterbinden und die Archive der Stasi zu versiegeln. Sie wollten Einsicht in die Heizanlagen, in die Aschetonnen sowie in die Kofferräume der Pkws und Aktentaschen der Mitarbeiter der Geheimpolizei haben. Hintergrund waren Gerüchte über die Vernichtung von Unterlagen der Staatssicherheit, die sich bestätigten.
In die Bezirkshauptstädte wurden nun "Beauftragte des Ministerrates" entsandt, die dazu beitragen sollten, die Lage zu beruhigen. Diese erhielten aus Berlin eine Anweisung, wie ein zentrales Problem gelöst werden sollte: die Vernichtung von Unterlagen, die während der Besetzungen gestoppt worden war. In dem Fernschreiben, das von dem Vorsitzenden des Ministerrats, Hans Modrow, und dem zuständigen Staatssekretär Walter Halbritter unterzeichnet war, wurde unter bestimmten Voraussetzungen die Erlaubnis erteilt, mit der Aktenvernichtung fortzufahren.
Nach Protesten aus den Bezirken (von Bürgerrechtsgruppen, aber auch von einigen "Beauftragten des Ministerrates") wurde diese Anweisung bereits am nächsten Tag widerrufen. In dem vorliegenden Schreiben des Staatssekretärs wurde die Erlaubnis zur Fortsetzung der Aktenvernichtung unter Berufung auf den Regierungs-Chef Modrow aufgehoben. Stattdessen galt nun "das Prinzip …, das Material sicherzustellen und bei Notwendigkeit zu archivieren."
Metadaten
- Diensteinheit:
- Staatssekretär beim Vorsitzenden des Ministerrates
- Datum:
- 8.12.1989
- Rechte:
- BStU
- Überlieferungsform:
- Dokument