Signatur: BArch, MfS, HA XX, Nr. 17371, Bl. 2-7
Die Stasi bereitete sich minutiös auf die "Absicherung" der X. Weltfestspiele der Jugend in Ost-Berlin vor. Dazu gehörte eine Aufstellung von möglicherweise auftretenden Vorkommnissen und ersten Überlegungen zu "Gegenmaßnahmen".
Die Spiele fanden vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 in Ost-Berlin statt. Unter dem Motto "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" kamen mehr als 25.000 Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus 140 Ländern in die Hauptstadt der DDR, darunter auch Delegationen aus der Bundesrepublik.
Für die SED-Führung waren die Weltfestspiele Chance und Herausforderung zugleich. Sie konnte die DDR einerseits der Welt als ein offenes und selbstbewusstes Land präsentieren, fürchtete aber den westlichen Einfluss auf die eigene Jugend.
Die Planung der Weltfestspiele lag in der Verantwortung des "nationalen Vorbereitungskomitees". Es wurde 1972 unter der Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED Erich Honecker gegründet. Die Staatssicherheit war an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt. Die generalstabsmäßig geplante Kontrolle der Spiele lief bei der Stasi unter dem Namen Aktion "Banner".
Zur "Absicherung" der Weltfestspiele gehörte es, mögliche Gefahren und Probleme in Gedanken durchzuspielen und Gegenmaßnahmen auszuarbeiten. Die Stasi legte deshalb im März 1973, Monate vor Beginn des Festivals, eine Liste über "feindliche Aktivitäten" an, die im Verlauf der Weltfestspiele auftreten könnten. Wie Sicherheitsbehörden bei anderen Großveranstaltungen weltweit auch, bereitete sich auch die Stasi auf Terrorakte vor. Gerade nach dem Attentat auf die Olympischen Spiele in München 1972 stellten diese eine besondere Gefahr dar.
Der zweite Bedrohungs-Komplex umfasste vom SED-Regime befürchtete innenpolitische Probleme. Bei aller Weltoffenheit, die die DDR mit dem Festival demonstrieren wollte, sollten "Provokationen" unbedingt verhindert werden. Dazu gehörten unliebsame Diskussionen und kritische Meinungsäußerungen. "Diskussionsgruppen" sollten zum Beispiel durch politisch und rhetorisch geschulte Agitatoren kontrolliert und beeinflusst werden. Die weiteren Maßnahmen reichten vom Übertönen unliebsamer Sprechchöre mit Lautsprechern über das Einziehen westlicher Reklameprospekte bis zum Einschreiten bei "überlautem Empfang von Westsendern".
Aufsehen war dabei jedoch unbedingt zu vermeiden: Agitatoren waren vorsichtig einzusetzen, Ordnungskräfte sollten nur eingreifen, wenn es unumgänglich war und Verhaftungen sollten, wenn unbedingt nötig, nur unter "Vermeidung größeren Aufsehens" vorgenommen werden.
2.5 Feindliche Agitation mit tragbaren Lautsprechern und Formierung feindlicher Sprechchöre
- Einsatz von Lautsprecherwagen oder analog ausgerüsteter Agitationsgruppen
- Maßnahmen analog zu 2.1.
- Versuche zur Unbrauchbarmachung der entsprechenden Geräte und Batterien vor ihrem Einsatz
- Prüfung der Möglichkeit technischer Störungen aus der Entfernung (evtl. Frequenzüberlagerung u.ä.)
- Protest über IVK
2.6 Verbreitung von Reklameprospekten für westliche Konsumgüter
- Einziehung als nichtlizensiertes Material
- Aufsammeln durch Ordnungskräfte
2.7 Überlauter Empfang von Westsendern
- Einschreiten von Ordnungskräften beim Empfang hetzerischer Kommentare (wenn eindeutig)
- ansonsten Einflußnahme zur Vermeidung übermäßiger Ruhestörung
- zeitweilige oder ständige Einziehung der Kofferradios bei notorischen Rowdys, nur wenn das ohne Gefahr eines größeren Aufsehens/Anlaufs möglich ist und den Aufforderungen nicht Folge geleistet wird.
2.8 Tätliche Angriffe/Schlägereien
- Einsatz von Ordnungskräften
- Beschwichtigung der streitenden Parteien
- Abdrängung Schaulustiger
- Proteste über IVK
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
aktuelle Seite 5
Zur Seite 6 wechseln
Signatur: BArch, MfS, HA XX, Nr. 17371, Bl. 2-7
Die Stasi bereitete sich minutiös auf die "Absicherung" der X. Weltfestspiele der Jugend in Ost-Berlin vor. Dazu gehörte eine Aufstellung von möglicherweise auftretenden Vorkommnissen und ersten Überlegungen zu "Gegenmaßnahmen".
Die Spiele fanden vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 in Ost-Berlin statt. Unter dem Motto "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" kamen mehr als 25.000 Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus 140 Ländern in die Hauptstadt der DDR, darunter auch Delegationen aus der Bundesrepublik.
Für die SED-Führung waren die Weltfestspiele Chance und Herausforderung zugleich. Sie konnte die DDR einerseits der Welt als ein offenes und selbstbewusstes Land präsentieren, fürchtete aber den westlichen Einfluss auf die eigene Jugend.
Die Planung der Weltfestspiele lag in der Verantwortung des "nationalen Vorbereitungskomitees". Es wurde 1972 unter der Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED Erich Honecker gegründet. Die Staatssicherheit war an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt. Die generalstabsmäßig geplante Kontrolle der Spiele lief bei der Stasi unter dem Namen Aktion "Banner".
Zur "Absicherung" der Weltfestspiele gehörte es, mögliche Gefahren und Probleme in Gedanken durchzuspielen und Gegenmaßnahmen auszuarbeiten. Die Stasi legte deshalb im März 1973, Monate vor Beginn des Festivals, eine Liste über "feindliche Aktivitäten" an, die im Verlauf der Weltfestspiele auftreten könnten. Wie Sicherheitsbehörden bei anderen Großveranstaltungen weltweit auch, bereitete sich auch die Stasi auf Terrorakte vor. Gerade nach dem Attentat auf die Olympischen Spiele in München 1972 stellten diese eine besondere Gefahr dar.
Der zweite Bedrohungs-Komplex umfasste vom SED-Regime befürchtete innenpolitische Probleme. Bei aller Weltoffenheit, die die DDR mit dem Festival demonstrieren wollte, sollten "Provokationen" unbedingt verhindert werden. Dazu gehörten unliebsame Diskussionen und kritische Meinungsäußerungen. "Diskussionsgruppen" sollten zum Beispiel durch politisch und rhetorisch geschulte Agitatoren kontrolliert und beeinflusst werden. Die weiteren Maßnahmen reichten vom Übertönen unliebsamer Sprechchöre mit Lautsprechern über das Einziehen westlicher Reklameprospekte bis zum Einschreiten bei "überlautem Empfang von Westsendern".
Aufsehen war dabei jedoch unbedingt zu vermeiden: Agitatoren waren vorsichtig einzusetzen, Ordnungskräfte sollten nur eingreifen, wenn es unumgänglich war und Verhaftungen sollten, wenn unbedingt nötig, nur unter "Vermeidung größeren Aufsehens" vorgenommen werden.
- Zerstreuung durch Aufrufe über Lautsprecherwagen
- Ablenkungsversuche analog 2.1.
- Agitatoreneinsatz
- vorbeugende und zersetzende Maßnahmen über IM
- rechtzeitige pol.-op. Einflußnahme bei Gerüchteverbreitung
- allgemein vorbeugende Maßnahmen durch Isolierung, Kontrolle sowie Verhinderung der Anreise anfälliger Jugendl.
- Einsatz von Ordnungskräften nur wenn unumgänglich, dann aber schnell, konzentriert und mit aller Konsequenz
- Vermeidung von Anlässen für Zusammenrottungen seitens des Veranstalters ([handschriftliche Ergänzung: Vermeidung] falscher Informationen oder vorzeitiger Beendigung bei Auftritten von Beatgruppen, Einflußnahme auf Laienkapellen usw.)
Anmerkung zu 2.1. bis 2.9.
In allen Fällen, wo absolut eindeudig Tatbestände der staatsfeindlichen Hetze, des Rowdytums, der Zusammenrottung, Beeinträchtigung gesellschaftlicher Tätigkeit und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt vorliegen, sind unter Vermeidung größeren Aufsehens in der Öffentlichkeit Zuführungen/Festnahmen durchzuführen mit folgenden Zielen:
- Ausweisung nicht zu Delegationen gehörender Ausländer
- Antrag auf Ausschluß aus den Delegationen über IVK und anschließende Ausweisung bei Ausländern
- Berlin-Verbot bei DDR-Bürgern
- Einleitung von EV mit DDR-Bürgern.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
aktuelle Seite 6
Verhaltensregeln für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der DDR an den X. Weltfestspielen der Jugend Dokument, 5 Seiten
Befehl Nr. 13/73 zur Sicherung der X. Weltfestspiele der Jugend in Ost-Berlin Dokument, 50 Seiten
Information über den Ablauf der X. Weltfestspiele in Ost-Berlin Dokument, 2 Seiten
"Verhinderung von Reisen" unerwünschter Personen zu den Weltfestpielen der Jugend in Berlin Dokument, 4 Seiten