Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AIM, Nr. 29/68, Bl. 55
Karl von Kraus hatte während des Dritten Reichs Karriere in verschiednen NS-Organisationen gemacht. Die Staatssicherheit hinderte das nicht, ihn als "Geheimen Informator" anzuwerben.
Karl von Kraus, 1905 in Prag als Sohn des Germanisten Carl von Kraus und seiner Frau Eleonore geboren, engagierte sich schon früh für die Nationalsozialisten in Deutschland. So war er beispielsweise 1923 am Hitler-Putsch beteiligt. 1924 nahm er in München ein Medizinstudium auf, welches er 1929 erfolgreich abschloss.
Im November 1933 trat er der Sturmabteilung (SA) bei, später auch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutzstaffel (SS). 1938 wurde er zum stellvertretenden Landesführer des Deutschen Roten Kreuzes in Bayern ernannt. Im selben Jahr übernahm der leidenschaftliche Bergsteiger ehrenamtlich auch die Leitung der Deutschen Bergwacht. Mit Kriegsbeginn wurde er als Unterarzt, später Stabsarzt bei der 1. Gebirgsjägerdivision der Wehrmacht eingesetzt.
Nach dem Ende des Krieges kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde zunächst in Garmisch-Partenkirchen interniert. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur SS und zahlreichen anderen NS-Organisationen blieb er bis 1948 in Moosburg und Dachau in Internierungshaft. 1948 wurde er nach erfolgter Entnazifizierung entlassen.
1958 siedelte von Kraus, vom Gesundheitssystem und den sozialen Verhältnissen in der Bundesrepublik enttäuscht, nach Dresden über. In der Poliklinik am Sternplatz wurde der Facharzt, angesichts der massenhaften Flucht von Ärzten aus der DDR, mit offenen Armen empfangen. Die Sächsische Zeitung und das Neue Deutschland berichteten mehrfach über den "fortschrittlichen Arzt Karl von Kraus" der sich aus "Gewissensnot" für das bessere Deutschland entschieden habe und vom Nationalsozialismus geläutert sei. Seine fachlichen Unzulänglichkeiten blieben dabei unerwähnt.
Die Bezirksverwaltung (BV) der Staatssicherheit in Dresden bearbeitete von Kraus seit 1960 im Operativvorgang (OV) "Hippokrates". Der Fokus lag zwar auf einem nie geklärten Spionageverdacht, doch auch über die Vergangenheit des Arztes war die Geheimpolizei gut informiert. Gezielte Recherchen zu seiner Rolle im "Dritten Reich" unterblieben jedoch.
Das änderte sich am 24. Juli 1962: Der West-Berliner Rundfunksenders RIAS behauptete Karl von Kraus, Propagandist des DDR-Gesundheitswesens, nicht nur Mitglied in der SA, der SS und dem Lebensbornverein gewesen, sondern habe im Reichssicherheitshauptamt "Tür an Tür" mit dem Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, gearbeitet.
Die Stasi sorgte dafür, dass von Kraus fortan keine Interviews mehr geben konnte. Anfang 1963 bewirkte die BV Dresden schließlich seine Versetzung in das Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Vermutlich wollte die Staatssicherheit von Kraus aus der Schußlinie bringen. Weitere Konsequenzen hatte er trotz fachlicher Mängel und NS-Vergangenheit jedoch nicht zu fürchten. Noch im selben Jahr beschloss die Stasi, ihn als Geheimen Informator (GI), den Vorläufern der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), zu werben. Durch seine Zugehörigkeit zur "medizinischen Intelligenz" und seine persönlichen Kontakte zu Mitarbeitern des Zentralinstituts für Kernforschung in Rossendorf war er ein wichtiger Zuträger.
Abteilung XX, Referat 1
Dresden, den 11.7.1966
Personalien:
Dr. v. Kraus, Karl
geb. am 12.9.1905 in Prag
Beruf: Dr. med. Arzt
Tätigkeit: Arzt
Arb.Stelle: BMK Dresden
wohnhaft: Dresden Bad-Weißer-Hirsch am Heiderand 4
Fam.-Stand: verh.
Nationalität: deutsch
Staatsangeh.: DDR
Partei: ohne
Vorstrafen: nach eigenen Angaben keine
[Passfoto]
Ehefrau:
[Anonymisiert]
Beruf: [Anonymisiert]
wohnh.: wie Ehemann
Kinder: 4 aus erster Ehe
Der GI stammt aus einer bürgerlichen Familie.
Vor 1945 war er aktiv als Nazi tätig und erlangte den Dienstgrad eines SS-Hauptsturmführers. Jetzt ist er politisch nicht organisiert. Im Jahre 1958 siedelte er aus WD nach der DDR über und ist seit dieser Zeit bei uns als Arzt tätig.
Personenbeschreibung:
1,85 groß, schlank Gesicht länglich.
Der GI wurde am 14.11.1963 durch den genossen Olbrich geworben.
Die Werbung erfolgte auf der Linie Gesundheitswesen.
Deckname:
"Sternberg", Reg. Nr. XII/1326/63
Gegenwärtig arbeitet der GI mit dem gen. Ltn. Zimmermann zusammen. Die Mitarbeiter sind beim GI unter ihren Klarnamen bekannt. Sein Einsatz erfolgt nach wie vor auf der Linie Gesundheitswesen.
Linie XX (Staatsapparat, Kirchen, Kultur, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Einschätzung der Zusammenarbeit mit dem Geheimen Informator "Sternberg" Dokument, 1 Seite
"Vorschlag zur Anwerbung" eines ehemaligen Gestapo-Angehörigen als "Geheimer Informator" Dokument, 1 Seite
Bescheinigung über eine Geldzuwendung an den "Geheimen Informator" mit dem Decknamen "Wagner" Dokument, 1 Seite
Befehl zur Auszeichnung des GI "Wagner" für "treue Zusammenarbeit" Dokument, 1 Seite