Signatur: BStU, MfS, GH, Nr. 2/70, Bd. 17, Bl. 109-115
In einem "Auskunftsbericht" nach den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg bewertet Führungsoffizier Werner Eiserbeck die Zusammenarbeit mit seinem GM und die "unerklärliche Tat".
Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras erschoss am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration in West-Berlin. Das Ereignis wurde zu einem Fanal für die Studentenbewegung, die sich in der Folge in Teilen radikalisierte. Der Polizist Kurras wurde zu einer Symbolfigur des repressiven Staates, den Ende der 60er Jahre viele junge Menschen in der Bundesrepublik zu erkennen glaubten.
Tatsächlich diente Kurras zum Zeitpunkt des tödlichen Schusses auf Ohnesorg schon seit vielen Jahren dem ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit als "Geheimer Mitarbeiter" (GM) mit dem Decknamen "Otto Bohl". Dies tat er aus Überzeugung, seine Führungsoffiziere bestätigten Kurras ideologische Nähe zum Sozialismus. Auf eigenen Wunsch und Dank der Empfehlung des MfS wurde Kurras sogar heimlich SED-Parteimitglied.
Die Zusammenarbeit war fruchtbar und für beide Seiten lohnenswert: das MfS gelangte an wichtige Informationen aus dem Inneren der West-Berliner Polizei. Und der "Waffennarr", Kurras bekam Anerkennung, wurde regelmäßig bezahlt und erhielt Zugang zu Schusswaffen.
Begonnen hatte die Spitzeltätigkeit 1955. Kurras meldete sich selbst damals bei der Staatssicherheit, weil er eigentlich in die DDR übersiedeln und zur Volkspolizei wechseln wollte. Er ließ sich dann aber von der Stasi überzeugen, im Westen zu bleiben und als Informant zu arbeiten.
Kurras arbeitete zunächst im Einsatz-Kommando der Schutzpolizei in Berlin-Charlottenburg. Von dort lieferte er alle ihm bekannt gewordenen Interna wie Dienstanweisungen, Alarmordnungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Stimmungsberichte und Persönlichkeitsprofile seiner Kollegen und vieles mehr.
Und Kurras machte in der Polizei Karriere. Zunächst wechselte er zur Kriminalpolizei. Daraufhin gab ihm das MfS den Auftrag, sich um eine Versetzung in die Abteilung I für Staatsschutz der Kriminalpolizei zu bemühen. Sie war unter anderem dafür zuständig, die West-Berliner Polizei gegen Infiltrierungsversuche des Ostens abzusichern. 1965 erhielt Kurras tatsächlich die gewünschte Versetzung. Der sensibelste Bereich der West-Berliner Polizei war nun für die Stasi ein offenes Buch. Kurras wurde zu einer Spitzenquelle des MfS.
Entsprechend entsetzt zeigte sich Kurras' Führungsoffizier Werner Eiserbeck über seine Verwicklung in den Tod von Benno Ohnesorg. "Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser GM eine solche Handlung, auch wenn im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen, begehen konnte, da sie doch ein Verbrechen darstellt." Rasch entschied das MfS: "Die Verbindung zum GM wird vorläufig abgebrochen." Kurras sollte alle Unterlagen und Hinweise auf seine IM-Tätigkeit vernichten.
Der Todesschuss machte eine umfassende Evaluierung der Arbeit des GM notwendig. Eiserbeck legte in einem "Auskunftsbericht" mit Datum 8. Juni 1967 dar, wie es aus seiner Sicht soweit hatte kommen können. Seine Ausführungen sind auch als mögliche Rechtfertigung gegenüber seinen Vorgesetzten zu verstehen. Entsprechend bekräftigte Eiserbeck in dem Bericht, dass Kurras immer "ehrlich" gearbeitet habe.
Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin
Abteilung VII
Berlin, den 8. Juni 1967
Ei/La
Auskunftsbericht über GM "Otto Bohl", Reg.-Nr. 4263/61
Personalien:
Linie VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1950 entstanden; 1959 Aufwertung zur HA VII.
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, GH, Nr. 2/70, Bd. 17, Bl. 109-115
In einem "Auskunftsbericht" nach den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg bewertet Führungsoffizier Werner Eiserbeck die Zusammenarbeit mit seinem GM und die "unerklärliche Tat".
Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras erschoss am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration in West-Berlin. Das Ereignis wurde zu einem Fanal für die Studentenbewegung, die sich in der Folge in Teilen radikalisierte. Der Polizist Kurras wurde zu einer Symbolfigur des repressiven Staates, den Ende der 60er Jahre viele junge Menschen in der Bundesrepublik zu erkennen glaubten.
Tatsächlich diente Kurras zum Zeitpunkt des tödlichen Schusses auf Ohnesorg schon seit vielen Jahren dem ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit als "Geheimer Mitarbeiter" (GM) mit dem Decknamen "Otto Bohl". Dies tat er aus Überzeugung, seine Führungsoffiziere bestätigten Kurras ideologische Nähe zum Sozialismus. Auf eigenen Wunsch und Dank der Empfehlung des MfS wurde Kurras sogar heimlich SED-Parteimitglied.
Die Zusammenarbeit war fruchtbar und für beide Seiten lohnenswert: das MfS gelangte an wichtige Informationen aus dem Inneren der West-Berliner Polizei. Und der "Waffennarr", Kurras bekam Anerkennung, wurde regelmäßig bezahlt und erhielt Zugang zu Schusswaffen.
Begonnen hatte die Spitzeltätigkeit 1955. Kurras meldete sich selbst damals bei der Staatssicherheit, weil er eigentlich in die DDR übersiedeln und zur Volkspolizei wechseln wollte. Er ließ sich dann aber von der Stasi überzeugen, im Westen zu bleiben und als Informant zu arbeiten.
Kurras arbeitete zunächst im Einsatz-Kommando der Schutzpolizei in Berlin-Charlottenburg. Von dort lieferte er alle ihm bekannt gewordenen Interna wie Dienstanweisungen, Alarmordnungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Stimmungsberichte und Persönlichkeitsprofile seiner Kollegen und vieles mehr.
Und Kurras machte in der Polizei Karriere. Zunächst wechselte er zur Kriminalpolizei. Daraufhin gab ihm das MfS den Auftrag, sich um eine Versetzung in die Abteilung I für Staatsschutz der Kriminalpolizei zu bemühen. Sie war unter anderem dafür zuständig, die West-Berliner Polizei gegen Infiltrierungsversuche des Ostens abzusichern. 1965 erhielt Kurras tatsächlich die gewünschte Versetzung. Der sensibelste Bereich der West-Berliner Polizei war nun für die Stasi ein offenes Buch. Kurras wurde zu einer Spitzenquelle des MfS.
Entsprechend entsetzt zeigte sich Kurras' Führungsoffizier Werner Eiserbeck über seine Verwicklung in den Tod von Benno Ohnesorg. "Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser GM eine solche Handlung, auch wenn im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen, begehen konnte, da sie doch ein Verbrechen darstellt." Rasch entschied das MfS: "Die Verbindung zum GM wird vorläufig abgebrochen." Kurras sollte alle Unterlagen und Hinweise auf seine IM-Tätigkeit vernichten.
Der Todesschuss machte eine umfassende Evaluierung der Arbeit des GM notwendig. Eiserbeck legte in einem "Auskunftsbericht" mit Datum 8. Juni 1967 dar, wie es aus seiner Sicht soweit hatte kommen können. Seine Ausführungen sind auch als mögliche Rechtfertigung gegenüber seinen Vorgesetzten zu verstehen. Entsprechend bekräftigte Eiserbeck in dem Bericht, dass Kurras immer "ehrlich" gearbeitet habe.
Charakteristik
Der GM entstammt einer Beamtenfamilie. Sein Vater war Polizeibeamter und ist 1945 gegen Ende des Krieges gefallen. Seine Mutter war Hausfrau und verstarb 1960.
Der GM besuchte die Volks- und Mittelschule, die er mit der Mittleren Reife beendete. Danach begann er seine Ausbildung als Verwaltungsangestellter beim Landesamt Braunsberg. Die Verwaltungslaufbahn begann mit seiner Einstellung bei der oben genannten Dienststelle im Jahre 1942 als Inspektor-Anwärter. Sie wurde 1944 durch die Einberufung zur faschistischen Wehrmacht unterbrochen. Durch seine Verwundung kam er kurz vor Kriegsende nach Berlin und erlebte hier den Zusammenbruch des Faschismus. Unmittelbar danach war er beim Bezirksamt Mitte als Angestellter tätig.
Anfang 1946 erfolgte seine Festnahme wegen illegalen Waffenbesitzes. Wie er selbst dazu ausführte, hat er eine Pistole aus den Kriegsjahren aus Leidenschaft behalten und diese in der Wohnung aufbewahrt. Durch die sowjetischen Freunde erfolgte die Festnahme und seine Internierung in das Lager Sachsenhausen. Dort war er bis April 1950.
Nach seiner Entlassung bewarb er sich sofort bei der Volkspolizei zwecks Einstellung als Polizeiangehöriger. Dazu wurde er angeblich auch von den Kollegen des Bezirksamtes Mitte angeregt. Da seine Bewerbung abgelehnt wurde, ging er zum Westberliner Polizeipräsidium und wurde sofort zur Schutzpolizei eingestellt.
Seine Bewerbung zur Polizei begründet der GM u. a. auch damit, daß er aus Leidenschaft Uniformträger ist und eine große Leidenschaft für Waffen besitzt. Für sein Hobbi hat der GM den überwiegenden Teil seines Verdienstes und der finanziellen Zuwendungen durch das MfS ausgegeben. Er besitzt eine umfangreiche Waffensammlung, die speziell durch seine Vorgesetzten genehmigt wurde. Die Waffen hat er zum Teil im Ausland gekauft.
Den größten Teil seiner Freizeit hat der GM auf dem Schießplatz der Westberliner Polizei verbracht. Er gehörte u. a. dem Polizeischießverein an und hatte auch dort Funktionen inne. Nach seinen Angaben kauft er ca. monatlich für 3 - 400,-- Mark Munition.
Der GM hat im Jahre 1952 geheiratet. Diese Ehe wurde im Jahre 1955 geschieden, da [anonymisiert]. Mit seiner Ehefrau hat er sich in keiner Beziehung verstanden, da völlig entgegengesetzte Interessen vorlagen. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen.
Personalien des Kindes: [anonymisiert]
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
In den ersten Jahren stand das MfS unter einer engen fachlichen und politischen Anleitung durch die sowjetische Staatssicherheit, die mit sog. Beratern (anfangs auch Instrukteure genannt) in den wichtigsten Diensteinheiten des MfS präsent war. Die Berater besaßen dort faktisch Weisungs- und Vetobefugnisse.
Zunächst waren die Berater den jeweiligen Fachabteilungen des sowjetischen Geheimdienstapparates in der DDR zugeordnet. Nach dem Juniaufstand 1953 wurde eine eigene Beraterabteilung gebildet. Der Bevollmächtigte des sowjetischen Sicherheitsorgans in Berlin-Karlshorst war gleichzeitig der oberste Chefberater des MfS. Er leitete den jeweiligen Leiter der DDR-Staatssicherheit persönlich an.
Zum Zeitpunkt seiner Auflösung im November 1958 zählte der Beraterapparat 76 Offiziere. Später verblieb lediglich ein Stab von Verbindungsoffizieren, die keine Weisungskompetenz mehr gegenüber dem MfS besaßen.
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Ergänzung zum "Auskunftsbericht" vom 8. Juni 1967 über Karl-Heinz Kurras alias GM "Otto Bohl" Dokument, 8 Seiten
"Auskunftsbericht" von 1962 über GM "Otto Bohl" alias Karl-Heinz Kurras Dokument, 3 Seiten
Bericht über die Übergabe des "Geheimschreibverfahrens CL/63" an den GM "Otto Bohl" Dokument, 1 Seite
"Perspektivplan" des MfS für GM "Otto Bohl" alias Karl-Heinz Kurras Dokument, 2 Seiten