Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 182-187
Weil ein Ehepaar, dass bereits mehrere Ausreisanträge gestellt hat, sein Fenster mit Papier zugeklebt hat, wird der Familienvater zu einer "Aussprache" geladen. In der "OPK Sonne" versucht die Abteilung Inneres die Familie zu überreden, ihre Ausreisanträge zurückzunehmen. Vergeblich.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne". Es entbrannte eine Art "Gardinenkrieg".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
In diesem Dokument wird der Vater der Familie vernommen. Mit teils ironischen Bemerkungen während des Gesprächs zeigt er Zivilcourage und wicht nicht von seiner Haltung ab.
[Handschriftlich: "Sonne"]
Rat des Kreises Mühlhausen
Abteilung Inneres
Mühlhausen, 17.10.1984
Betr. Aussprache mit dem Übersiedlungsersuchenden
[Anonymisiert]
geb.am [Anonymisiert] in [Anonymisiert]
wh.: [Anonymisiert]
BFKM Pfafferode
Ausspracheführender: Gen. Dahlmann
Abteilungsleiter Inneres
Aussprachezeitraum: 17.10.1984 von 13.30 Uhr - 14.00 Uhr
Gen. Dahlmann: [Anonymisiert], wir haben Sie heute hierher bestellt auf Grund einer Aussprache, die am 03.10.1984 stattgefunden hat mit Ihrer Frau. Ich bin der Abteilungsleiter und zum Anderen weil es aus der Bevölkerung Beschwerden gibt bezüglich Ihres Verhaltens im Wohngebiet, ist hier noch ein Mitarbeiter des Rates der Stadt, der diese Eingaben bearbeitet, mit anwesend, um sich Ihre Aussagen mit anzuhören.
[Anonymisiert], ich habe Ihnen und Ihrer Frau mehrmals gesagt, daß es für Sie keine gesetzlichen Voraussetzungen gibt sowie keine rechtliche Grundlage besteht, daß Sie in die BRD übergesiedelt werden. Ihre Anträge werden immer wieder abgelehnt, da für Sie eine Familienzusammenführung entsprechend des geltenden Gesetzblattes nicht zutrifft.
[Anonymisiert], ich verstehe nicht, warum Sie die Fenster Ihrer Wohnung mit Papier bekleben. Würden Sie mir darauf bitte mal antworten.
[Anonymisiert]: Das müssen Sie auch nicht verstehen. Sie haben mir damals bei der Aussprache, die nun schon einen längeren Zeitraum zurückliegt, zu verstehen gegeben, daß sich von nun an andere Herren mit mir beschäftigen werden. Ich lasse mir nicht gerne in die Bude gucken und deshalb mache ich meine Bude eben zu, das ist doch ganz einfach.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 182-187
Weil ein Ehepaar, dass bereits mehrere Ausreisanträge gestellt hat, sein Fenster mit Papier zugeklebt hat, wird der Familienvater zu einer "Aussprache" geladen. In der "OPK Sonne" versucht die Abteilung Inneres die Familie zu überreden, ihre Ausreisanträge zurückzunehmen. Vergeblich.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne". Es entbrannte eine Art "Gardinenkrieg".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
In diesem Dokument wird der Vater der Familie vernommen. Mit teils ironischen Bemerkungen während des Gesprächs zeigt er Zivilcourage und wicht nicht von seiner Haltung ab.
Gen. Dahlmann: Damit sind die Herren gemeint, die mit Ihnen im Bezirksfachkrankenhaus bzw. im Arbeitskollektiv weitere Aussprachen führen, da es für Ihr Übersiedlungsersuchen, wie ich Ihnen bereits sagte, keinerlei rechtliche Grundlage gibt.
[Anonymisiert]: Das haben Sie mir damals aber nicht so konkret gesagt.
Gen. Dahlmann: Es gibt Beschwerden aus der Bevölkerung, in denen die Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht wird, daß Sie die Fenster Ihrer Neubauwohnung mit Papier verkleben.
Diese Beschwerden kommen zumeist von solchen Leuten, die momentan noch in schlechterem Wohnraum leben müssen, als Sie ihn gegenwärtig nutzen.
Bitte geben Sie mir einmal eine Antwort darauf, was Sie mit einem derartigen Verhalten bezwecken.
[Anonymisiert]: Das sich die Leute darüber beschweren, daß wir die Fenster unserer Wohnung mit Papier bekleben und bei diesen Leuten andere Ansichten bestehen, was man sich in die Fenster hängt, ist ihr gutes Recht. Deswegen können diese Bürger aber nicht erwarten, daß wir dies akzeptieren. Uns gefällt das und daß können Sie uns nicht wiederlegen.
Gen. Dahlmann: Nein, daß will ich Ihnen auch nicht wiederlegen, ich sage Ihnen nur Folgendes:
Es gibt Leute, die sich freuen, in einer AWG-Wohnung zu wohnen, und dann gibt es solche wie Sie, die die Scheiben ihrer Wohnung einfach mit Papier bekleben.
[Anonymisiert]: Wo steht denn das, daß man unbedingt Gardinen an die Fenster hängen muß. Nennen Sie mir ein Gesetz, wo das drin steht.
Gen. Dahlmann: Bisher hatten Sie doch Gardinen dran, [Anonymisiert].
[Anonymisiert]: Ja bisher, aber die haben wir nun mittlerweile in unsere Koffer eingepackt.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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