Signatur: BStU, MfS, A, Nr. 657/79, Bd. 40, Bl. 46-48
Ein Fluchthelfer aus Augsburg stand in den 70er Jahren im Fokus der Stasi. Ein Informant berichtete über seine Beobachtungen
Ein in Augsburg lebender Mann wurde in den 70er Jahren intensiv von der Stasi beobachtet. Er war Teil einer Gruppe um den West-Berliner Unternehmer und Fluchthelfer Kay Mierendorff, der mehr als 1.000 DDR-Bürger gegen Geldzahlung in den Westen brachte. 1982 schickte die Stasi ihm eine Briefbombe, deren Detonation er schwerverletzt überlebte.
Der 1979 in Augsburg lebende Mann aus dieser Fluchthelferorganisation war im Dezember 1973 in der DDR "auf frischer Tat bei der Durchführung einer Schleusung im Auftrage des Mierendorffs festgenommen" und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Oktober 1978 nach West-Berlin schleuste er weiterhin im Auftrag von Mierendorff Menschen von Ost nach West. Die Stasi beauftragte verschiedene Inoffizielle Mitarbeiter mit der Bespitzelung des Mannes, so auch in seiner Augsburger Zeit. Unter den Spitzeln war ein IM "Jambo", der zur besseren Beobachtung des Mannes die Fluchtvorbereitung einer Familie vortäuschte. Seine Treffen und Telefonate liefen größtenteils in der Augsburger Gaststätte "Kupferdächle" ab. Ein weiterer IM namens "Thomas West" sollte die Wohnung des Augsburgers auskundschaften.
In dem Auszug aus dem "Treffbericht" beschrieb MfS-Hauptmann Straube aus der Hauptabteilung VI (Grenzkontrollen, Reise- und Touristenverkehr), was der Inoffizielle Mitarbeiter mit Feindverbindung ins Operationsgebiet (IMF) "Thomas West" in Augsburg herausgefunden hatte. Per Motorrad war der IMF vom 18./19. September 1979 in Augsburg unterwegs gewesen und hatte im Freien übernachtet, um nicht erkannt zu werden. Er suchte das Wohnhaus des Fluchthelfers auf, beschrieb eine Antenne auf dem Balkon der vermuteten Wohnung und gab zu Protokoll, welche Menschen in dem Viertel wohnten. Auch schlug er vor, von wo aus der Augsburger zukünftig am besten observiert werden könne. Aufgeschriebene Auto-Kennzeichen und weitere Personen in seinem Umfeld wurden überprüft; die handschriftliche Notiz "SRT negativ" läßt vermuten, dass die Betreffenden bis dato nicht im Informationsspeicher "Sicherung Reise- und Touristenverkehr" (SRT) der Stasi vermerkt waren.
Im Telefonbuch der Stadt Augsburg ist ein [anonymisert] ohne Angabe der Straße unter der Nummer
[anonymisiert] (Anrufbeantworter)
eingetragen.
Nach Vermutungen des IM bewohnt [anonymisert] ein Appartement in der 5. Etage.
Sollte diese Feststellung zutreffen, wäre auffallend, daß sich auf diesem Balkon eine Antenne, bei der es sich wahrscheinlich um eine Funkentenne bandelt, befindet.
Diese war die einzige Antenne in solch einer Art, welche der IM feststellen konnte.
Auffallend weiterhin, daß dieses Wohnviertel von Leuten jüngeren Jahrganges bewohnt wird. Die in unmittelbarer Nähe des Wohnobjektea geparkten PKW lassen von Typ her die Schlußfolgerungen zu, daß es sich bei deren Besitzer um vermutlich finanziell gut gestellte Personen handelt.
Auffallend hierbei ein PKW aus Großbritannien mit dem polz. Kennzeichen
RKD - [anonymisert] (Ford)
[Handschriftlich: SRT negativ]
und ein Opel-Manta mit zerstörter Frontscheibe und dem polz. Kennzeichen
A - [anonymisert]
[Handschriftlich: SRT negativ]
welche direkt vor dem Objekt parkten.
Vor dem Objekt ist an den Tagen
Montag bis Freitag in der Zeit von 05.00 - 19.30 Uhr
und Samstag von 05.00 - 14.40 Uhr
Halteverbot.
(Aufstellung der PKW siehe beiliegenden Bericht)
Hervorzuheben noch, daß sich der angrenzenden Umgebung des Objektes, in der Rauwolfstraße, eine Maschinenbaufirma befindet.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Schleuser waren IM, die Personen, Materialien oder Fahrzeuge inoffiziell über die Staatsgrenze der DDR in das Operationsgebiet einschleusten oder von dort zurückbeförderten. Dementsprechend unterschied das MfS auch zwischen Personenschleuse, bei der einer oder mehrere Schleuser aus der DDR oder dem Westen zum Einsatz kamen, und der Materialschleuse. Die Schleuser wurden teilweise auch als Grenz-IM (GIM) bezeichnet. Im Dezember 1988 gab es in der Bundesrepublik und Westberlin 47 GIM.
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Signatur: BStU, MfS, A, Nr. 657/79, Bd. 40, Bl. 46-48
Ein Fluchthelfer aus Augsburg stand in den 70er Jahren im Fokus der Stasi. Ein Informant berichtete über seine Beobachtungen
Ein in Augsburg lebender Mann wurde in den 70er Jahren intensiv von der Stasi beobachtet. Er war Teil einer Gruppe um den West-Berliner Unternehmer und Fluchthelfer Kay Mierendorff, der mehr als 1.000 DDR-Bürger gegen Geldzahlung in den Westen brachte. 1982 schickte die Stasi ihm eine Briefbombe, deren Detonation er schwerverletzt überlebte.
Der 1979 in Augsburg lebende Mann aus dieser Fluchthelferorganisation war im Dezember 1973 in der DDR "auf frischer Tat bei der Durchführung einer Schleusung im Auftrage des Mierendorffs festgenommen" und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Oktober 1978 nach West-Berlin schleuste er weiterhin im Auftrag von Mierendorff Menschen von Ost nach West. Die Stasi beauftragte verschiedene Inoffizielle Mitarbeiter mit der Bespitzelung des Mannes, so auch in seiner Augsburger Zeit. Unter den Spitzeln war ein IM "Jambo", der zur besseren Beobachtung des Mannes die Fluchtvorbereitung einer Familie vortäuschte. Seine Treffen und Telefonate liefen größtenteils in der Augsburger Gaststätte "Kupferdächle" ab. Ein weiterer IM namens "Thomas West" sollte die Wohnung des Augsburgers auskundschaften.
In dem Auszug aus dem "Treffbericht" beschrieb MfS-Hauptmann Straube aus der Hauptabteilung VI (Grenzkontrollen, Reise- und Touristenverkehr), was der Inoffizielle Mitarbeiter mit Feindverbindung ins Operationsgebiet (IMF) "Thomas West" in Augsburg herausgefunden hatte. Per Motorrad war der IMF vom 18./19. September 1979 in Augsburg unterwegs gewesen und hatte im Freien übernachtet, um nicht erkannt zu werden. Er suchte das Wohnhaus des Fluchthelfers auf, beschrieb eine Antenne auf dem Balkon der vermuteten Wohnung und gab zu Protokoll, welche Menschen in dem Viertel wohnten. Auch schlug er vor, von wo aus der Augsburger zukünftig am besten observiert werden könne. Aufgeschriebene Auto-Kennzeichen und weitere Personen in seinem Umfeld wurden überprüft; die handschriftliche Notiz "SRT negativ" läßt vermuten, dass die Betreffenden bis dato nicht im Informationsspeicher "Sicherung Reise- und Touristenverkehr" (SRT) der Stasi vermerkt waren.
Ideal als Observationspunkt ist für den Einsatz stationärer Beobachtungskräfte der Aufenthalt an dem sich an die Straße anschließenden Fluß.
Dieser lockt aufgrund seines Fischreichtums zahlreiche Angler zum Verweilen, oft über mehrere Szunden.
Es bestehen gute Einsichtmöglichkeiten auf den Eingang des Wohnobjektes.
Nur ca. 5 Minuten Fußweg entfernt die Paracelsusstraße, in welcher sich die angegebene Gaststätte befindet. Gleichfalls eingetragen auch im Branchentelefonbuch. Die Gaststätte selbst war an diesen beiden Tagen geschlossen.
Vom Milieu her vollzieht sich hier im Vergleich zum Wohnobjekt ein totaler Bruch.
Es handelt sich um eine äußerst verkehrsreiche und überfüllte Straße.
Weder an der Gaststätte noch im Branchentelefonbuch gab es Hinweise über Öffnungszeiten und zum Besitzer dieser Gaststätte.
Die Person des [anonymisiert] selbst wurde durch den IM nicht identifiziert.
Straube
Hauptmann
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Schleuser waren IM, die Personen, Materialien oder Fahrzeuge inoffiziell über die Staatsgrenze der DDR in das Operationsgebiet einschleusten oder von dort zurückbeförderten. Dementsprechend unterschied das MfS auch zwischen Personenschleuse, bei der einer oder mehrere Schleuser aus der DDR oder dem Westen zum Einsatz kamen, und der Materialschleuse. Die Schleuser wurden teilweise auch als Grenz-IM (GIM) bezeichnet. Im Dezember 1988 gab es in der Bundesrepublik und Westberlin 47 GIM.
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