Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4809, Bl. 78-84
Schreiben des Leiters der Verwaltung Rückwärtige Dienste zu abgeschlossenen wie auch geplanten Baumaßnahmen an der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg aus dem Jahr 1982.
1950 bezog das Ministerium für Staatssicherheit seinen Dienstsitz in den Räumen des Lichtenberger Finanzamtes an der Ecke Normannenstraße und Magdalenenstraße. Von diesem einen Gebäude ausgehend breitete sich die Stasi Stück für Stück aus. Knapp 40 Jahre später umfasste die Stasi-Zentrale eine Fläche von etwa 22 Hektar. Zuerst verschwanden einzelne Gebäude, dann ganze Straßenzüge. An deren Stelle errichtete das MfS eigene Gebäude, denn die stark wachsende Zahl hauptamtlicher Mitarbeiter erforderte immer mehr Bürofläche. So entwickelte sich ein riesiges geheimdienstliches Areal − militärisch gesichert und von der Umgebung hermetisch abgeriegelt.
Das Gelände der Stasi-Zentrale dehnte sich in den 70er und den frühen 80er Jahren immer weiter aus, wie das vorliegende Dokument veranschaulicht. Allein zwischen 1975 und 1980 wurden knapp 2000 neue Büroräume für MfS-Mitarbeiter geschaffen. Darüber hinaus begann 1979 der Bau eines Dienstleistungs- und Versorgungszentrums, des sogenannten Dienstkomplexes Normannenstraße V (NO V), später "Haus 18" genannt. Ebenfalls in Arbeit war der Archivneubau in "Haus 8" und "Haus 9" an der Magdalenenstraße (NO VI). Er wurde 1984 in Betrieb genommen werden.
Die Planungsunterlagen sahen auch eine Erweiterung im Bereich der Gotlindestraße vor. Bereits in den 70er Jahren entstanden hier mehrere hochgeschossige Bürogebäude für die Hauptabteilung VII, die Abteilung Finanzen und die Abteilung N. Von 1982 bis 1990 sollten weitere 1000 Diensträume entstehen, wie die damaligen Pläne vorsahen. In den Fokus der Bauplaner geriet dabei auch das Hans-Zoschke-Fußballstadion an der Normannen-/Ecke Ruschestraße. Bereits seit 1972 wollte die Stasi das Stadion verlegen, denn rundherum waren immer mehr Stasi-Gebäude entstanden. Das Ziel war dabei, ein noch größeres zusammenhängendes Stasi-Areal zu schaffen.
Das Schreiben ist Bestandteil von Unterlagen zur Vorbereitung einer Kollegiumssitzung des MfS, die am 1. Juli 1982 stattfand. Die Tagesordnung enthielt unter anderem den Punkt: "Stand der Bebauungsmaßnahmen im zentralen Dienstobjekt Berlin-Lichtenberg und Fortsetzung der Bebauungsmaßnahmen". Stasi-Minister Erich Mielke lud am 21. Juni 1982 zu dieser Sitzung.
II. Geplante Baumaßnahmen im zentralen Dienstobjekt Normannenstraße
Mit den realisierten bzw. im Bau befindlichen Investitionsmaßnahmen sind die von Ihnen im Rahmen des Fünfjahrplanes 1981-85 bestätigten Baumaßnahmen sowie das am 11. 7. 1977 bestätigte Dienstraumprogramm im zentralen Dienstobjekt Normannenstraße noch nicht abgeschlossen.
Die weitere notwendige Konzentrierung von Diensteinheiten im Objekt Normannenstraße aus politisch-operativen, Sicherheits- und Effektivitätsgründen sowie der Erweiterungsbedarf für die im Dienstobjekt Normannenstraße und in Außenobjekten untergebrachten Diensteinheiten erfordern, auch unter Beachtung der gegenwärtigen politischen und ökonomischen Situation, daß im zentralen Dienstobjekt weitere Räumlichkeiten geschaffen werden müssen.
Unter Beachtung der o. g. Konzentrationsgründe und insbesondere der langfristig geplanten und realisierten Voraussetzungen der technischen Erschließung für stabile Nachrichtenverbindungen, Strom- und Netzersatzversorgung, Fernwärmeanschluß usw. sowie der Versorgungsmöglichkeiten und günstigen Verkehrsverbindungen für die Mitarbeiter wurden Untersuchungen geführt, deren Ergebnisse im langfristigen Bauprogramm 1981-1985 bereits eingeordnet sind. In diesem Sinne wurden die Vorbereitungsmaßnahmen eingeleitet, die technologischen Voraussetzungen geschaffen und mit der bautechnischen Projektierung begonnen.
1. Eckbebauung Magdalenenstraße/Frankfurter Allee (NO VII)
Mit diesem Vorhaben sollte auf der Basis der von Ihnen in der Beratung beim Minister für Bauwesen, Genossen Wolfgang Junker, am 10. Januar 1975 getroffenen Grundsatzentscheidung die Bebauung im zentralen Dienstobjekt des MfS zwischen Normannenstraße/Ruschestraße/Frankfurter Allee/Magdalenenstraße abgeschlossen werden. Dazu war eine bauliche Lösung analog der Eckbebauung Ruschestraße/Frankfurter Allee mit 13geschossigen Plattenbauten konzipiert, um den Neubau von insgesamt ca. 400 Diensträumen zu sichern. Diese Konzeption setzte aber den Abriß der vorhandenen Altbausubstanz Ecke Magdalenenstraße/Frankfurter Allee (36 Wohnungen und gewerbliche Einrichtungen im Erdgeschoß) voraus. Ausgehend von der gegenwärtigen volkswirtschaftlichen Situation und den damit im Zusammenhang stehenden Beschlüssen der Partei- und Staatsführung, insbesondere des Ministerratsbeschlusses vom 26. 3. 1982, wird vorgeschlagen, auf den Abriß zu verzichten.
Abteilung N (Nachrichten)
1959 hervorgegangen aus der Abt. Nachrichtenverbindungen und Waffen. Aufgaben: Planung, Organisation und Sicherstellung des Nachrichtenwesens des MfS, der geheimen Regierungsnachrichtenverbindungen und des Informationsaustausches mit den Partei- und Staatsführungen der Mitgliedsländer des Warschauer Vertrages und weiterer befreundeter Länder sowie Sicherung der Nachrichtenübermittlung des MfS zum Partei- und Staatsapparat.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
1950/51 hervorgegangen aus Teilbereichen der HA Intendantur; 1974 kurzzeitig in VRD eingegliedert; von 1975 bis zur Auflösung wieder selbständige Abteilung. Aufgaben: Realisierung der im Zusammenhang mit der Verwendung finanzieller Mittel stehenden Aufgaben; inklusive Zahlungs- und Verrechnungsverkehr; Besoldung/Entlohnung; Bearbeitung von Versicherungsangelegenheiten und Schadensmeldungen; Wahrnehmung der Haushalts-, Bank- und Revisionsfunktion gegenüber den MfS-Betrieben sowie der Aufgaben der Sparkasse als auch Aufbewahrung, Nachweis und Verwertung der an die Abteilung Finanzen des MfS übergebenen Asservate.
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Übersichtskarten der Stasi-Zentrale mit ihren Zugängen für MfS-Mitarbeiter Dokument, 2 Seiten
Protokoll einer Absprache zwischen MfS und Bezirksleitung Berlin zur Verlagerung des Hans-Zoschke-Stadions von 1983 Dokument, 3 Seiten
Übersichtskarten der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg Dokument, 5 Seiten
Luftbildaufnahmen der Stasi-Zentrale 14 Fotografien