Bautechnisches Gutachten über den Spionagetunnel in Altglienicke
Signatur: BStU, MfS, Abt. 26, Nr. 183, Bl. 28-36
1956 inszenierte die Sowjetunion die Entdeckung eines Spionagetunnels in Berlin-Altglienicke. Spezialisten erstellten ein Gutachten zur Bewertung des Bauwerks.
Am 22. April 1956 wurde die Schönefelder Chaussee im Berliner Stadtteil Altglienicke im Auftrag der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) aufgerissen. Unter der Straße verliefen Kabel, die die sensible Kommunikation der Sowjetarmee zwischen Moskau und dem Hauptquartier der GSSD in Wünsdorf gewährleisteten. Die von den Sowjets beauftragte Kasernierte Volkspolizei legte einen Tunnel frei, der in die Westsektoren nach Rudow führte.
Der US-amerikanische Geheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) und der britische Geheimdienst Secret Intelligence Service (SIS) hatten im Dezember 1953 das Unternehmen beschlossen und ihm den Decknamen "Gold" gegeben. Von Rudow aus legten sie ab Herbst 1954 einen Tunnel an. Die Briten führten den Bau aus, die Amerikaner finanzierten das Vorhaben. Im Mai 1955 waren Tunnel und Abhöranlage fertig gestellt. Das Anzapfen der sowjetischen Kabel gelang den britischen Fernmeldetechnikern unbemerkt. Dadurch wollten die Geheimdienste rechtzeitig vor einem atomaren Erstschlag der UdSSR gewarnt sein. Als Vorbild für die Aktion "Gold" diente eine ähnliche Maßnahme, bei der in Wien mit Hilfe mehrerer kleiner Tunnel sowjetische Telefonkabel vom britischen Geheimdienst abgehört worden waren.
Elf Monate lang wurden telegrafische und telefonische Nachrichten auf 50.000 Magnetbändern aufgezeichnet. Unter den 380.000 Aufzeichnungen waren zahlreiche Gespräche von politischer Bedeutung, unter anderem zu den Geschehnissen zum XX. Parteitag in der UdSSR.
Allerdings waren die Sowjets, genau wie bei der Wiener Aktion, über die Pläne und den Bau des Tunnels durch ihren britischen Doppelagenten George Blake informiert. Trotzdem störten sie den Ablauf des Baus und den Betrieb der Anlage nicht, um einen ihrer wichtigsten Agenten im Kalten Krieg zu schützen.Dem sowjetischen Regierungschef Chruschtschow diente die vorgetäuschte Entdeckung und Ausgrabung des Tunnels im Frühjahr 1956 innen- wie außenpolitisch als Demonstration der Stärke.Am 23. April 1956 gab der sowjetische Militärkommandant Kozjuba die "offizielle" Entdeckung des Tunnels auf einer internationalen Pressekonferenz bekannt.
Im Anschluss an die Freilegung des Tunnels untersuchte das MfS die Abhöranlage bautechnisch. Spezialisten fertigten daraufhin das vorliegende Baugutachten.
Metadaten
- Datum:
- 27.4.1956
- Überlieferungsform:
- Dokument
Berlin, den 27.04.1956
Bautechnisches Sachverständigen - Gutachten
Über die Abhöranlage an der Straße Altglienicke - Schönefeld
I. Lage:
Der Eingang des Stollens befindet sich in einem Gebäudekomplex einer amerikanischen Dienststelle, die 120 m nord - nord - westlich der Sektorgrenze liegt ( lt. Grenzstein ). Der Stollen verläuft von dort mit geringen Abweichungen nach rechts und links und mit geringen Höhenunterschieden ( dem Geländeprofil angepaßt ), in der allgemeinen Richtung süd - südostwärts, ca. 19 m [handschriftliche Ergänzung: Entfernung] entlang der Friedhofsmauer des Friedhofes Alt - Glienicke-Schönefeld. Der Stollen fährt unter der Straße hindurch bis zur Anzapfstelle, die sich 0,60 m neben der östlichen Straßenseite befindet ( siehe Lageplan ).
II. Allgemeine Zweckbestimmung:
Der unter Ziffer I. angeführte Stollen bezweckte die gedecktte Anzapfung von drei wichtigen Fernsprechkabeln auf dem Gebiet des demokratischen Sektors von Groß - Berlin. Hierdurch wurde die Möglichkeit geschaffen, Gespräche, die auf diesen wichtigen Leitungen geführt wurden, abzuhören. Es handelt sich dabei um die Fernkabel 150, 151 und 152 der Deutschen Post.
III. Charakteristik des Stollens nach bautechnischen Gesichtspunkten:
Entsprechend der unterschiedlichen Bauweiose und der Zweckbestimmung kann man den Stollen in drei Bauteile einteilen.
a) 1. Bauteil:
Laufstollen ( vom Eingang bis zur Schleuse am Ventilationsraum).