Signatur: BStU, BdL/Dok, Nr. 1462, Bl. 1-7
Zu den Olympischen Spielen sollten aus der DDR nur sorgfältig ausgewählte Touristen reisen dürfen. Das Zentralkomitee der SED erarbeitete die Kriterien für die Auswahl geeigneter Kandidaten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine eigene Mannschaft unter Präsentation der eigenen Staatssymbole. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit ihrem Bemühen um internationale Anerkennung nachzugehen. Die DDR-Führung betrachtete dabei ihre Athleten gerne als "Diplomaten im Trainingsanzug". Sie sollten nun die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, Spionagebemühungen des Westens zu vereiteln, das Doping zu verheimlichen und nicht zuletzt zu verhindern, dass sich ostdeutsche Athleten in die "freie Welt" absetzten.
Eine der großen Herausforderungen waren die Eintrittskarten und Reiseanträge der DDR-Bürgerinnen und -Bürger. Einfach Touristen mitreisen zu lassen war undenkbar. Sie hätten die Westdeutschen anfeuern oder die Reise zur Republikflucht nutzen können. Auch hier versuchte die Stasi nichts dem Zufall zu überlassen. Das Zentralkomitee der SED beschloss, "Touristendelegationen" aus allen Bezirken der DDR zu bilden. Nur die Bürgerinnen und Bürger durften daran teilnehmen, die vom MfS durchleuchtet wurden. Mit durfte nur, wer die "richtigen" Prinzipien und Charaktereigenschaften hatte und auf deren politisch ideologische Einstellung Verlass war.
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister
Bezirksverwaltung für
Staatssicherheit
Leiter
Vertrauliche Verschlußsache
Berlin, den 22.12. 1971
Touristendelegation zu den Olympischen Sommerspielen 1972
in München
Entsprechend dem Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom 29. April 1970 über die Teilnahme, Zusammensetzung und politische Vorbereitung von Touristen Sommerspielen 1972 in München nehmen 2 000 Bürger der DDR al Spielen teil. Diese 2 000 Touristen werden in zwei Gruppen von je 1 000 Bürgern zu unterschiedlichen Terminen an den Olympischen Spielen 1972 in München teilnehmen.
Es ist vorgesehen, daß aus Ihrem Bezirk Bürger an den
Olympischen Sommerspielen als Touristen teilnehmen.
Gemäß Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom 29.4.1970
wurden durch die Bezirksleitungen der SED Kaderkommissionen
gebildet, die jeweils undter Leitung des 2. Sekretärs der Bezirksleitung der SED stehen. Diesen Kaderkommission außerdem der 1. Sekretär der Bezirksleitung der FDJ, der stellvertretende Vorsitzende des Bezirksvorstandes des DTSB für Org.-Kader und 1 Sekretär des Bezirksvorstandes des FDGB an.
Die Grundlage für die Arbeit dieser Kommissionen bilden der Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom 29.4.1970, die Ergänzung und die Direktive für die Auswahl und die politische Vorbereitung g von Touristen für die Teilnahme an den Olympischen
Spiele 72 in München vom 17.11.1971.
Aus dem in der Anlage beigefügten Auszug aus der Direktive für die Auswahl und die politische Vorbereitung von Touristen für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 in München sind die Arbeitsweise dieser Kaderkommissionen, ihre Verantwortlichkeit für die Auswahl, Bestätigung und Vorbereitung der Touristen zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 und die Prinzipien und kadermäßigen Anforderungen für die Auswahl der Touristen ersichtlich.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
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Signatur: BStU, BdL/Dok, Nr. 1462, Bl. 1-7
Zu den Olympischen Spielen sollten aus der DDR nur sorgfältig ausgewählte Touristen reisen dürfen. Das Zentralkomitee der SED erarbeitete die Kriterien für die Auswahl geeigneter Kandidaten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine eigene Mannschaft unter Präsentation der eigenen Staatssymbole. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit ihrem Bemühen um internationale Anerkennung nachzugehen. Die DDR-Führung betrachtete dabei ihre Athleten gerne als "Diplomaten im Trainingsanzug". Sie sollten nun die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, Spionagebemühungen des Westens zu vereiteln, das Doping zu verheimlichen und nicht zuletzt zu verhindern, dass sich ostdeutsche Athleten in die "freie Welt" absetzten.
Eine der großen Herausforderungen waren die Eintrittskarten und Reiseanträge der DDR-Bürgerinnen und -Bürger. Einfach Touristen mitreisen zu lassen war undenkbar. Sie hätten die Westdeutschen anfeuern oder die Reise zur Republikflucht nutzen können. Auch hier versuchte die Stasi nichts dem Zufall zu überlassen. Das Zentralkomitee der SED beschloss, "Touristendelegationen" aus allen Bezirken der DDR zu bilden. Nur die Bürgerinnen und Bürger durften daran teilnehmen, die vom MfS durchleuchtet wurden. Mit durfte nur, wer die "richtigen" Prinzipien und Charaktereigenschaften hatte und auf deren politisch ideologische Einstellung Verlass war.
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Zur Durchführung der spezifischen Sicherheitsmaßnahmen des MfS im Rahmen dieses Verfahrens der Auswahl, Bestätigung und Vorbereitung der Touristen ist Ihrerseits Verbindung mit dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED aufzunehmen und mit diesem eine Abstimmung über die durchzuführenden Aufgaben vorzunehmen.
Sie haben durch politisch-operative Maßnahmen Ihrer Bezirks-verwaltung/Verwaltung zu gewährleisten, daß
1. durch die von Ihrer Bezirksverwaltung/Verwaltung durchzuführenden politisch operativen Überprüfungsmaßnahmen der vorgesehenen Touristen ist zu garantieren, daß keine feindlichen Elemente in die Delegationen aufgenommen werden, kein Republikverrat begangen wird und nur solche Bürger ausgewählt werden, die die DDR während der Olympischen Spiele 1972 würdig vertreten. Die Ergebnisse der Überprüfungsmaßnahmen Ihrer Bezirksverwaltung/Verwaltung sind mit dem 2. Sekretär der Bezirksleitung der SED auszuwerten;
2. bei der Auswahl der Kader darauf Einfluß genommen wird, in jede der vorgesehenen 2 Touristengruppen überprüfte, zuverlässige IM einbezogen werden, die in der Lage sind, die vom 2fS zu-lösenden Aufgaben während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München durchzuführen. Als Richtzahl ist zu nehmen, daß sich unter 10 Touristen ein IM befindet. Die Einweisung und Aufgabenstellung für diese IM erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.
3. bis zum 20.1.1972 eine Liste mit den Personalien der aus Ihrem Bezirk bestätigten Touristen an meinen Stellvertreter, Genossen Generalmajor Schröder, übersandt wird.
4. bis zum 31.1.1972 eine Aufstellung der für die
Arbeit innerhalb der Touristengruppen während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München vorgesehenen IM unter Angabe des Decknamens und einer kurzen Einschätzung der Eignung für den politisch-operativen Einsatz in München an meinen Stellvertreter, Genossen Generalmajor Schröder, übersandt wird.
[Unterschrift Mielke]
Generaloberst
Anlage
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, BdL/Dok, Nr. 1462, Bl. 1-7
Zu den Olympischen Spielen sollten aus der DDR nur sorgfältig ausgewählte Touristen reisen dürfen. Das Zentralkomitee der SED erarbeitete die Kriterien für die Auswahl geeigneter Kandidaten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine eigene Mannschaft unter Präsentation der eigenen Staatssymbole. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit ihrem Bemühen um internationale Anerkennung nachzugehen. Die DDR-Führung betrachtete dabei ihre Athleten gerne als "Diplomaten im Trainingsanzug". Sie sollten nun die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, Spionagebemühungen des Westens zu vereiteln, das Doping zu verheimlichen und nicht zuletzt zu verhindern, dass sich ostdeutsche Athleten in die "freie Welt" absetzten.
Eine der großen Herausforderungen waren die Eintrittskarten und Reiseanträge der DDR-Bürgerinnen und -Bürger. Einfach Touristen mitreisen zu lassen war undenkbar. Sie hätten die Westdeutschen anfeuern oder die Reise zur Republikflucht nutzen können. Auch hier versuchte die Stasi nichts dem Zufall zu überlassen. Das Zentralkomitee der SED beschloss, "Touristendelegationen" aus allen Bezirken der DDR zu bilden. Nur die Bürgerinnen und Bürger durften daran teilnehmen, die vom MfS durchleuchtet wurden. Mit durfte nur, wer die "richtigen" Prinzipien und Charaktereigenschaften hatte und auf deren politisch ideologische Einstellung Verlass war.
- 3 - VVS 1VIfS 008-989/71
Anlage
Auszug aus der Direktive des Sekretariats des ZK der• SED für die Auswahl und die politische Vorbereitung von Touristen für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 in München
I. Für die Auswahl der Touristen sind folgende Prinzipien und kadermäßigen Anforderungen zu beachten:
1. Ausgewählt und bestätigt werden nur solche Bürger,
die
- sich besondere Anerkennung und Verdienste bei der Entwicklung und Festigung der Deutschen Demokratischen Republik erworben haben;
- als bewußte sozialistische Staatsbürger eine aktive Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben zeigen;
- prinzipien- und charakterfest im Beruf und im persönlichen Leben sind sowie ihre politische Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben.
Bei Beachtung der vorstehend genannten Prinzipien sind auch solche Bürger zu berücksichtigen, die
- bereits als bestätigte Reisekader im nichtsozialistischen Ausland waren.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
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Vorschlag zur Teilnahme, Zusammensetzung und politischen Vorbereitung von Touristengruppen Dokument, 11 Seiten
Anlagen zum Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 5 Seiten
Information zur Auswahl von Touristen für Reisen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 2 Seiten
Zusammenstellung operativ bedeutsamer Anhaltspunkte in Auswertung der Berichte über den Einsatz der IM/GMS bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München Dokument, 3 Seiten