Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, BdL, Nr. 496, Bl. 1-4
Der Leiter der Bezirksverwaltung Suhl bündelte in einem Befehl die Aufgabenstellungen der Staatssicherheit zur Sicherung zweier neu eröffneten Grenzübergangsstellen im Bezirk Suhl nach Beginn des Einreiseverkehrs in der Aktion „Bereitschaft“.
Mit dem Bau der Berliner Mauer und der Verstärkung der innerdeutschen Grenze 1961 wurden die Grenzmaßnahmen zwischen der Bundesrepublik und der DDR drastisch verschärft. Die Grenze wurde zur Todeszone ausgebaut, Reisen in die Bundesrepublik waren für den Normalbürger nicht mehr möglich. Erst ab dem 9. September 1964 beschloss der Ministerrat der DDR, dass Rentner einmal im Jahr mit Besuchserlaubnis für höchstens vier Wochen Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften.
Im Rahmen der veränderten Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt wurden Anfang der 70er Jahre eine Reihe von Verträgen zwischen der DDR, der Bundesrepublik und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs geschlossen, die auch zu einer Verbesserung des Reiseverkehrs führten. Diese Vereinbarungen ermöglichten es Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik, mehrmals im Jahr zu besuchsweisen oder touristischen Zwecken in die DDR einzureisen.
Der Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik und der DDR führte auch zur Eröffnung von vier neuen Grenzübergangsstellen (GÜST): Salzwedel/Uelzen, Worbis/Duderstadt, Eisfeld/Coburg und Meiningen/Bad Neustadt, letztere beiden im Bezirk Suhl gelegen. Diese Maßnahmen resultierten in einer erhöhten Reisetätigkeit von Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik in den Bezirk Suhl.
Am 21. Juni 1973 wurden mit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrags die GÜST Eisfeld/Rottenbach und Meiningen/Eußenhausen eröffnet. Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik konnten nun im Wechselverkehr mit Bussen und PKW ein- und ausreisen, während DDR-Bürgerinnen und -bürger in "dringenden familiären Angelegenheiten" Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften.
In einem Befehl zur Aktion "Bereitschaft" bündelte Kurt Richter, Leiter der BV Suhl, die Aufgabenstellungen des MfS zur Sicherung der beiden neuen GÜST und des grenznahen Gebiets des Bezirks Suhl.
Alle spitzenmeldepflichtigen Informationen und Vorkommnisse sind als Sofortmeldung vom Diensthabenden-System der BV an den Zentralen Operativstab des MfS weiterzuleiten.
6. In der Phase der aktionsmäßigen Sicherung der Tageseinreisen in die grenznahen Gebiete des Bezirkes Suhl haben alle Leiter der operativen Diensteinheiten zu gewährleisten, daß unter anderem durch die Einhaltung eines straffen Systems der Ab- und Anmeldung der operativen Mitarbeiter zu jeder Zeit und kurzfristig die Arbeitsbereitschaft hergestellt werden kann.
7. Die wirksame Aufklärung, Bekämpfung und Verhinderung aller Versuche des Gegners, die neuen Reisemöglichkeiten für seine feindliche Tätigkeit, besonders für die
- die Forcierung der politisch-ideologischen Diversion,
- seine Kontakt- und Stützpunktpolitik,
- die Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens der DDR,
- organisierte Angriffe auf die Staatsgrenze sowie
- seine nachrichtendienstliche Tätigkeit
auszunutzen, ist Aufgabe aller operativen Diensteinheiten der BV Suhl.
Diese Aufgabenstellung ist in den Gesamtprozeß der pol.-operativen Arbeit zu integrieren und durch die weitere Qualifizierung der operativen Grundprozesse zu realisieren und konsequent durchzusetzen.
Von den Leitern aller operativen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß alle Hinweise auf feindliche Handlunge und andere pol.-oper.-relevante Verletzungen von Rechtsvorschriften durch einreisende Bürger der BRD, feindliche Handlungen von Bürgern der DDR in diesem Zusammenhang, Vorkommnisse und Erscheinungen umfassend überprüft, aufgeklärt, erfaßt und beweiskräftig dokumentiert werden.
Grundlagen für die Organisierung der politisch-operativen Arbeit haben neben den bereits genannten Befehlen des Gen Minister
- die Anweisungen 2/73 und 7/73 des Leiters der HA VII des MfS,
- die präzisierten und bestätigten Jahresarbeitspläne der operativen Diensteinheiten,
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
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Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, BdL, Nr. 496, Bl. 1-4
Der Leiter der Bezirksverwaltung Suhl bündelte in einem Befehl die Aufgabenstellungen der Staatssicherheit zur Sicherung zweier neu eröffneten Grenzübergangsstellen im Bezirk Suhl nach Beginn des Einreiseverkehrs in der Aktion „Bereitschaft“.
Mit dem Bau der Berliner Mauer und der Verstärkung der innerdeutschen Grenze 1961 wurden die Grenzmaßnahmen zwischen der Bundesrepublik und der DDR drastisch verschärft. Die Grenze wurde zur Todeszone ausgebaut, Reisen in die Bundesrepublik waren für den Normalbürger nicht mehr möglich. Erst ab dem 9. September 1964 beschloss der Ministerrat der DDR, dass Rentner einmal im Jahr mit Besuchserlaubnis für höchstens vier Wochen Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften.
Im Rahmen der veränderten Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt wurden Anfang der 70er Jahre eine Reihe von Verträgen zwischen der DDR, der Bundesrepublik und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs geschlossen, die auch zu einer Verbesserung des Reiseverkehrs führten. Diese Vereinbarungen ermöglichten es Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik, mehrmals im Jahr zu besuchsweisen oder touristischen Zwecken in die DDR einzureisen.
Der Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik und der DDR führte auch zur Eröffnung von vier neuen Grenzübergangsstellen (GÜST): Salzwedel/Uelzen, Worbis/Duderstadt, Eisfeld/Coburg und Meiningen/Bad Neustadt, letztere beiden im Bezirk Suhl gelegen. Diese Maßnahmen resultierten in einer erhöhten Reisetätigkeit von Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik in den Bezirk Suhl.
Am 21. Juni 1973 wurden mit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrags die GÜST Eisfeld/Rottenbach und Meiningen/Eußenhausen eröffnet. Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik konnten nun im Wechselverkehr mit Bussen und PKW ein- und ausreisen, während DDR-Bürgerinnen und -bürger in "dringenden familiären Angelegenheiten" Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften.
In einem Befehl zur Aktion "Bereitschaft" bündelte Kurt Richter, Leiter der BV Suhl, die Aufgabenstellungen des MfS zur Sicherung der beiden neuen GÜST und des grenznahen Gebiets des Bezirks Suhl.
- die von dem zuständigen Stellvertreter Operativ bestätigten Konzeptionen zur Sicherung der Gebiete und Flanken der neu errichteten Güst Meiningen und Eisfeld, der militärischen und volkswirtschaftlichen Schwerpunktobjekte,
- meine Dienstanweisung 3/72 zur zuverlässigen Sicherung der Staatsgrenze, des Grenzgebietes und grenznahen Raumes sowie Bekämpfung und Verhinderung ungesetzlicher Grenzübertritte,
- meine Dienstanweisungen 5/71, 7/71 und 9/71 zur Qualifizierung der operativen Grundprozesse (OPA/OPK, Vorgangsbearbeitung und Arbeit mit den IM/GMS),
- meine DA 4/71 zur Unterstützung der Aufklärung und äußeren Abwehr,
- meine Vereinbarung mit dem Chef der BDVP Suhl vom 25.05.1973 über das Zusammenwirken beider Organe bei der Lösung der Aufgaben zur Sicherung der Staatsgrenze und Gewährleistung der inneren Ordnung und Sicherheit,
- die Vereinbarung über die Koordinierung und das Zusammenwirken mit der HA I/Abt. Abwehr/Aufklärung beim Grenzkommando Süd und den Grenztruppen der NVA sowie
- meine Weisungen zur unverzüglichen Organisierung der politisch-operativen Arbeit anläßlich der Dienstbesprechung am 20.06.1973 mit den Leitern der oper. Diensteinheiten
zu bilden.
8. Zur Konkretisierung der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben, mit exakter Bestimmung der Schwerpunkte und Abgrenzung der Verantwortung der operativen Diensteinheiten, hat der Leiter der Aktion, Oberstltn. Storch, einen Operationsplan zu erarbeiten und mir bis zum 25.06.1973 zur Bestätigung vorzulegen.
Alle Leiter der operativen Diensteinheiten haben diesen Operationsplan als Grundlage für die Organisierung der pol.-oper. Arbeit zur Aktion "Bereitschaft" entsprechend der in ihrem Verantwortungsbereich zu lösenden Aufgaben zu spezifizieren.
Termin: 04.07.1973
[Unterschrift]
Richter
Oberst
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
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