Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, Abt. IX, Nr. 1257, Bl. 1-3
Nach dem Wasunger Karneval von 1988 machten sich MfS und Kriminalpolizei auf die Suche nach den "Rädelsführern" einer Hausbesetzung.
Der traditionsreiche Wasunger Karneval wurde Mitte der 1970er Jahre zu einem beliebten Reiseziel unangepasster Jugendlicher. Sie wollten dem grauen DDR-Alltag entfliehen und suchten in der thüringischen Provinz ein paar Tage voller Spaß, Alkohol und Abwechslung. Die selbsternannten "Kunden" wurden dabei durch die Stasi systematisch überwacht, wie aufgefundene Unterlagen, Fotografien und Filme dokumentieren.
Aus der gesamten DDR reisten Jugendliche in die thüringische Provinz. Ihre Ausrüstung bestand oft nur aus einigen Flaschen Bier und einer Decke. Wer die Kontrollpunkte der Transport- und Volkspolizei passieren konnte und es bis Wasungen schaffte, übernachtete dort, wo er konnte: in Schlafsälen, in Kellern, in Scheunen oder auf Dachböden. In der Besuchermenge bildeten die "Kunden" eine Gruppe, die sich deutlich von dem traditionellen Karnevalsumzug abhob. Statt Prinzenkostüm oder Narrenkappe trugen sie lange Haare, Bärte, Jeans und Parka.
Die unkontrollierte Ankunft von mehreren hundert unangepassten Jugendlichen forderte die "staatlichen Organe" der DDR heraus. Denn die "Kunden" folgten nicht dem Umzugstreiben oder lauschten den Büttenreden, sondern sie stürmten überfallartig die wenigen Kneipen der Kleinstadt.
Das Dokument ist auf den 16. Februar 1988 datiert und stammt von der Abteilung IX (Untersuchungsorgan) der MfS-Bezirksverwaltung Suhl. Das MfS untersuchte zusammen mit der Kriminalpolizei die Hausbesetzung und den Polizeieinsatz von 1988. Hierbei war es zu Gewalt zwischen Hausbesetzern und Volkspolizei gekommen. Der unterzeichnende Mitarbeiter der Abteilung IX legte zunächst dar, dass er die beiden anwesenden Kriminalpolizisten über die "Zielstellung der Befragung" informierte. Die zu befragende Person war 22 Jahre alt und stammte aus Ostberlin.
Die Person gab an unschuldig durch die Volkspolizei festgesetzt worden zu sein und bestritt Gewalt ausgeübt zu haben. Im Anschluss nannte er die Namen von Bekannten, die mit ihm beim Wasunger Karneval waren. Der Untersuchungsführer des MfS war mit dem Verlauf der Befragung durch die beiden Kriminalpolizisten nicht zufrieden. Er hielt diese für "nicht offensiv und taktisch richtig". Resümierend hielt der Untersuchungsführer des MfS fest, dass bei einer "richtigen Vernehmungsführung […] weitere Erkenntnisse über beteiligte Personen erarbeitet worden wären".
Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Suhl
Abteilung IX
Suhl, 16. Febr. 1988
lei-schd
2 Expl./ 1. Ausf
[handschriftlich: Mit Gen. (unleserlich) am 11.3.88 unter dem Aspekt des grob. Vergehens bei Erstangriffen ausgewertet. Th. ]
Information
Im Zusammenhang mit den Vorkommnissen am 13.02.1988 beim Wasunger Karneval, bei dem sich negativ-dekadente Personen zusammengerottet hatten und tätlich gegen Angehörige der Deutschen Volkspolizei vorgingen, wurden im VPKA Meiningen Verdachtsprüfungen vorgenommen. Die dazu erforderlichen Befragungen wurden durch Kriminalisten des Dez. II durchgeführt.
In Vorbereitung der Verdächtigenbefragung [anonymisiert] erfolgte eine Absprache durch den Gen. Hptm. d. K. Richter mit dem Oltn. d. K. Ehrhardt, in der eine Einweisung über die Zielstellung der Befragung erfolgte und Gen. Oltn. d. K. Ehrhardt die vorliegenden Zeugenvernehmungen zur Verfügung gestellt worden waren.
Kurz nachdem die Zuführung des [anonymisiert] zur Befragung erfolgte, waren laute Worte des Gen. Ehrhardt zu hören. Daraufhin begab ich mich in das Zimmer, wo die Befragung stattfand, und ich habe mich mit dem [anonymisiert] normal unterhalten, denn er war keineswegs verstockt. Zu dem Zeitpunkt, als ich in die Befragung ging, hatte [anonymisiert] ausgesagt, dass er in Wasungen unschuldig durch die DVP zugeführt worden war, und auf den Vorhalt hin, dass er Tätlichkeiten mit einem Polizisten hatte, brachte er zum Ausdruck, er habe nichts Derartiges getan. Im Gespräch mit mir über seinen Aufenthalt in Wasungen und zu den Geschehnissen im Abrisshaus schilderte [anonymisiert] sein Vorgehen und seine Motive für seine Handlung. Im Gegensatz zum Inhalt des Protokolls äußerte [anonymisiert], dass er die Liedzeilen "Fragt doch einen Polizisten…" und "Wir sind ein Freistaat…" vor einem Konzert
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
In den Untersuchungsorganen des MfS (HA IX und Abt. IX der BV) tätige hauptamtliche Mitarbeiter, die – eingebunden in ihr jeweiliges Referat – strafrechtliche Ermittlungsverfahren weitgehend eigenverantwortlich durchführten, von den Häftlingen meist als Vernehmer bezeichnet. In den 50er Jahren oft nur in internen Kurzlehrgängen ausgebildet, später Diplom-Juristen oder Diplom-Kriminalisten der Juristischen Hochschule des MfS, seltener Universitätsstudium oder VP-Hochschule.
Die Untersuchungsführer galten MfS-intern neben den Mitarbeitern der HV A als Elite. Ihnen oblagen die Vernehmungen von Untersuchungsgefangenen, die Führung der Untersuchungsakten (Untersuchungsvorgang), die Beweisführung und die Erstellung des Schlussberichts. Für die Kontakte zu Staatsanwalt, Gericht und Verteidigung zuständig, überwachten sie oft auch die Besucher- und Anwaltsgespräche der Beschuldigten und führten Zelleninformatoren (ZI).
Der Begriff Untersuchungsorgan (russ.: sledstwennyj organ) ist sowjetischen Ursprungs und verdrängte in der DDR in den frühen 50er Jahren allmählich den traditionellen deutschen Begriff Ermittlungsbehörde. Untersuchungsorgane hatten laut Strafprozessordnung (StPO) der DDR die Befugnisse polizeilicher Ermittlungsbehörden und unterstanden bei der Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens de jure der Aufsicht des Staatsanwaltes (§§ 95-98 StPO/1952, §§ 87-89 StPO/1968).
Während anfangs das MfS insgesamt als Untersuchungsorgan galt, wurden später zumeist nur noch jene Bereiche, die strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführten, also die HA IX in der Berliner MfS-Zentrale und die fachlich nachgeordneten Abt. IX der BV, als Untersuchungsorgan bezeichnet. Neben den Untersuchungsorganen des MfS gab es in der DDR die Untersuchungsorgane des MdI (Kriminalpolizei) und der Zollverwaltung bzw. ihres Vorläufers Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (Zollfahndungsdienst). Bis 1953 übten auch die Kommissionen für staatliche Kontrolle in Wirtschaftsstrafverfahren die Funktionen von Untersuchungsorganen aus.
Eine Zuführung ist eine polizeirechtliche Maßnahme der kurzzeitigen Freiheitsentziehung, wurde zunächst aus der polizeirechtlichen Generalklausel von § 14 des in der DDR bis 1968 geltenden Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1.6.1931 abgeleitet. Zuführungen von Personen konnten zur Feststellung der Personalien sowie "zur Klärung eines Sachverhalts" (Sachverhaltsprüfung) durchgeführt werden.
Seit 1968 bildete § 12 VP-Gesetz die Rechtsgrundlage für polizeirechtliche Zuführungen. Im Rahmen des strafprozessualen Prüfungsstadiums war auch eine Zuführung Verdächtiger zur Befragung nach § 95 Abs. 2 StPO/1968 als strafprozessuale Sicherungsmaßnahme zulässig. In beiden Fällen durfte die Zeitdauer 24 Stunden nicht überschreiten. Vom MfS wurden Zuführungen auch als taktisches Instrument genutzt. Sie konnten in eine Inhaftierung münden, aber auch zur Einschüchterung oder zur Anwerbung unter Druck genutzt werden.
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Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, Abt. IX, Nr. 1257, Bl. 1-3
Nach dem Wasunger Karneval von 1988 machten sich MfS und Kriminalpolizei auf die Suche nach den "Rädelsführern" einer Hausbesetzung.
Der traditionsreiche Wasunger Karneval wurde Mitte der 1970er Jahre zu einem beliebten Reiseziel unangepasster Jugendlicher. Sie wollten dem grauen DDR-Alltag entfliehen und suchten in der thüringischen Provinz ein paar Tage voller Spaß, Alkohol und Abwechslung. Die selbsternannten "Kunden" wurden dabei durch die Stasi systematisch überwacht, wie aufgefundene Unterlagen, Fotografien und Filme dokumentieren.
Aus der gesamten DDR reisten Jugendliche in die thüringische Provinz. Ihre Ausrüstung bestand oft nur aus einigen Flaschen Bier und einer Decke. Wer die Kontrollpunkte der Transport- und Volkspolizei passieren konnte und es bis Wasungen schaffte, übernachtete dort, wo er konnte: in Schlafsälen, in Kellern, in Scheunen oder auf Dachböden. In der Besuchermenge bildeten die "Kunden" eine Gruppe, die sich deutlich von dem traditionellen Karnevalsumzug abhob. Statt Prinzenkostüm oder Narrenkappe trugen sie lange Haare, Bärte, Jeans und Parka.
Die unkontrollierte Ankunft von mehreren hundert unangepassten Jugendlichen forderte die "staatlichen Organe" der DDR heraus. Denn die "Kunden" folgten nicht dem Umzugstreiben oder lauschten den Büttenreden, sondern sie stürmten überfallartig die wenigen Kneipen der Kleinstadt.
Das Dokument ist auf den 16. Februar 1988 datiert und stammt von der Abteilung IX (Untersuchungsorgan) der MfS-Bezirksverwaltung Suhl. Das MfS untersuchte zusammen mit der Kriminalpolizei die Hausbesetzung und den Polizeieinsatz von 1988. Hierbei war es zu Gewalt zwischen Hausbesetzern und Volkspolizei gekommen. Der unterzeichnende Mitarbeiter der Abteilung IX legte zunächst dar, dass er die beiden anwesenden Kriminalpolizisten über die "Zielstellung der Befragung" informierte. Die zu befragende Person war 22 Jahre alt und stammte aus Ostberlin.
Die Person gab an unschuldig durch die Volkspolizei festgesetzt worden zu sein und bestritt Gewalt ausgeübt zu haben. Im Anschluss nannte er die Namen von Bekannten, die mit ihm beim Wasunger Karneval waren. Der Untersuchungsführer des MfS war mit dem Verlauf der Befragung durch die beiden Kriminalpolizisten nicht zufrieden. Er hielt diese für "nicht offensiv und taktisch richtig". Resümierend hielt der Untersuchungsführer des MfS fest, dass bei einer "richtigen Vernehmungsführung […] weitere Erkenntnisse über beteiligte Personen erarbeitet worden wären".
des Krawczyk habe und damit gegen die Maßnahmen der DVP protestieren sowie die anderen zum Nachdenken über den Staat anregen wollte. Nach seinen Angaben standen seine Kumpels vor dem Abrisshaus. Obwohl in der Einweisung darauf orientiert wurde, alle beteiligten Personen zu ermitteln, wurden die angaben von Oltn. d. K. Ehrhardt nicht konkretisiert. Nachdem ich das Zimmer verlassen hatte, hat Oltn. d. K. das Protokoll von etwas mehr als einer Seite geschrieben und ließ [anonymisiert] abholen. Zu dem Sachverhalt der tätlichen Auseinandersetzung wurde [anonymisiert] befragt, aber es wurde sich durch den Oltn. d. K. Ehrhardt nicht offensiv und taktisch richtig mit Häfele auseinandergesetzt.
Gegenüber dem Gen. Richter brachte Gen. Ehrhardt zum Ausdruck, dass [anonymisiert] die tätliche Auseinandersetzung bestreitet und nur eine Gegenüberstellung den Sachverhalt aufklären kann.
Es wurde dann entschieden, dass [anonymisiert] nochmals dazu befragt wird und auch die ihm bekannten Personen in das Protokoll aufgenommen werden.
Zu Beginn der erneuten Befragung bestritt [anonymisiert] erneut, eine Auseinandersetzung mit einem Polizisten gehabt zu haben. Ich bin dann nochmal in diese Befragung und habe [anonymisiert] nach diesem Sachverhalt gefragt. Dabei gab [anonymisiert] an, von einem Polizisten am Parker festgehalten worden zu sein und er hätte sich bloß von diesem durch Weiterlaufen losgerissen. Dies stand ja nun im Gegensatz zu seiner bisherigen Aussage, und ich war der Auffassung, dass Gen. Ehrhardt daran anknüpfend dieses Problem abklärt. Ich fragte [anonymisiert] im weiteren nach ihm bekannten Personen, die sich in und vor dem Abrisshaus aufgehalten haben. Nachdem dieser die im Protokoll aufgeführten Personen genannt hatte, wurde er von Gen. Erhardt in einem barschen Ton angesprochen, ob er hier vorhätte, alle ihm bekannten Personen
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
In den Untersuchungsorganen des MfS (HA IX und Abt. IX der BV) tätige hauptamtliche Mitarbeiter, die – eingebunden in ihr jeweiliges Referat – strafrechtliche Ermittlungsverfahren weitgehend eigenverantwortlich durchführten, von den Häftlingen meist als Vernehmer bezeichnet. In den 50er Jahren oft nur in internen Kurzlehrgängen ausgebildet, später Diplom-Juristen oder Diplom-Kriminalisten der Juristischen Hochschule des MfS, seltener Universitätsstudium oder VP-Hochschule.
Die Untersuchungsführer galten MfS-intern neben den Mitarbeitern der HV A als Elite. Ihnen oblagen die Vernehmungen von Untersuchungsgefangenen, die Führung der Untersuchungsakten (Untersuchungsvorgang), die Beweisführung und die Erstellung des Schlussberichts. Für die Kontakte zu Staatsanwalt, Gericht und Verteidigung zuständig, überwachten sie oft auch die Besucher- und Anwaltsgespräche der Beschuldigten und führten Zelleninformatoren (ZI).
Der Begriff Untersuchungsorgan (russ.: sledstwennyj organ) ist sowjetischen Ursprungs und verdrängte in der DDR in den frühen 50er Jahren allmählich den traditionellen deutschen Begriff Ermittlungsbehörde. Untersuchungsorgane hatten laut Strafprozessordnung (StPO) der DDR die Befugnisse polizeilicher Ermittlungsbehörden und unterstanden bei der Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens de jure der Aufsicht des Staatsanwaltes (§§ 95-98 StPO/1952, §§ 87-89 StPO/1968).
Während anfangs das MfS insgesamt als Untersuchungsorgan galt, wurden später zumeist nur noch jene Bereiche, die strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführten, also die HA IX in der Berliner MfS-Zentrale und die fachlich nachgeordneten Abt. IX der BV, als Untersuchungsorgan bezeichnet. Neben den Untersuchungsorganen des MfS gab es in der DDR die Untersuchungsorgane des MdI (Kriminalpolizei) und der Zollverwaltung bzw. ihres Vorläufers Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (Zollfahndungsdienst). Bis 1953 übten auch die Kommissionen für staatliche Kontrolle in Wirtschaftsstrafverfahren die Funktionen von Untersuchungsorganen aus.
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Überwachungsfotos einer Hausbesetzung während des Wasunger Karnevals 1988 2 Fotografien
Überwachungsfoto des MfS einer Hausbesetzung während des Wasunger Karnevals 1988 1 Fotografie
Einschätzung der "Wirksamkeit der Zuführungspunkte" während des Wasunger Karnevals 1989 Dokument, 2 Seiten
"Operative Information" der MfS-Kreisdienststelle in Oranienburg zum Wasunger Karneval Dokument, 1 Seite