Signatur: BStU, MfS, BV Magdeburg, Tb, Nr. 1
Die Aufständischen vom 17. Juni 1953 erhoben neben ökonomischen auch politische Forderungen. Dies gilt etwa für einen Streik im Elektromotorenwerk Wernigerode.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Oft entzündeten sich die Proteste an dem Wunsch nach Normsenkungen und Lohnerhöhungen. Rasch erhoben die Demonstranten im gesamten Land aber auch politische Forderungen - wie freie Wahlen, die Wiedervereinigung Deutschlands und die Freilassung der politischen Gefangenen. Die Menschen trauten sich gerade jetzt ihre Stimme zu erheben, weil die Regierung durch Rücknahme unbeliebter Entscheidungen Schwäche hatte erkennen lassen. Der Volksaufstand nahm vielerorts revolutionäre Züge an.
Die Ereignisse trafen die SED-Führung genauso unvorbereitet wie das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Dessen Spitzelnetz war noch löchrig, jedoch geschah die Erhebung spontan und war oftmals wenig organisiert. Dringend gesuchte, am besten westliche Hintermänner waren auch nicht wirklich zu finden, so sehr die Geheimpolizei auch danach suchte. Am 17. Juni gewann das MfS jedenfalls nur langsam einen Überblick über die Ereignisse und entwickelte keine klare Handlungsstrategie. Stattdessen griff die sowjetische Besatzungsmacht ein und verhängte in 167 der 217 Land- und Stadtkreise den Ausnahmezustand.
In der Kreisstadt Wernigerode im Harz entfaltete sich der Volksaufstand erst am 18. Juni. Schon am Vortag erreichten aber die Nachrichten aus den anderen Teilen der DDR die Arbeiter der Stadt – und es begann zu gären. Auch im Elektromotorenwerk (ELMO) legte die Belegschaft nun die Arbeit nieder. Der zufällig am 17. Juni neu eingesetzte Werkleiter wollte die angespannte Situation entschärfen und berief für den Morgen des 18. Juni eine Belegschaftsversammlung im Karl-Marx-Haus in Wernigerode ein.
Die Veranstaltung verlief zum Teil tumultartig. Der Werkleiter wollte die Arbeiter beruhigen, scheiterte aber an der aufgeheizten Stimmung und der Dynamik der Ereignisse. Kurz nach Beginn der Versammlung marschierten etwa vierzig Arbeiter des ELMO in den Saal ein. Sie führten ein Schild mit, auf dem sie sich mit den streikenden Arbeitern in Berlin solidarisch erklärten. Mitten in die Versammlung kam die Nachricht, dass das sowjetische Militär den Ausnahmezustand auch über Wernigerode verhängt hatte. Eine Demonstration, wie von Teilen der Belegschaft gefordert, war damit lebensgefährlich geworden.
Das vorliegende Tondokument ist eine Mitschnitt dieser Versammlung. Wie diese Aufnahme entstand und wie sie in die Hände der Stasi gelangte, lässt sich bislang nicht klären. Der Ort der Veranstaltung wurde vielfach für Versammlungen der Gewerkschaft und der SED genutzt und war technisch für solche Aufzeichnungen ausgestattet. Ob die Arbeiter von offenen Mikrophonen wussten, ist unklar.
Sicher ist hingegen, dass die Tonaufzeichnung der hitzigen Debatten und hochkochenden Emotionen ein einzigartiges Zeitdokument darstellt. Die Diskussionen in Wernigerode waren wohl exemplarisch für zahlreiche andere derartige Versammlungen überall in der DDR rund um den 17. Juni 1953.
[Beginn der Aufnahme]
[männliche Stimme 1:]
... zu sagen.
[Husten]
[Werkleiter:]
Kolleginnen und Kollegen, trotz der Situation, bei denen die mich noch nicht kennen, obliegt es mir zunächst mich vorzustellen. Mein Name ist Fred, ich bin mit dem gestrigen Tage verantwortlich für den Betrieb eingesetzt worden.
Ich habe am gestrigen Tage soweit es die Zeit erlaubte, die Möglichkeiten gesucht und gefunden, um weitestmöglich mit den Kollegen der Produktion zu diskutieren.
Heute Morgen ist nun eine neue Situation entstanden indem kompakte Forderungen der Belegschaft in Erscheinung treten. Und es war der Wunsch der Belegschaft, hier im Karl-Marx-Saal zusammen zu kommen, um über diese Fragen zu sprechen.
Es war an und für sich zunächst nicht meine Absicht hier große Ausführungen zu machen, sondern es war für mich an und für sich zunächst interessanter zu hören mit welchen Forderungen die Belegschaft kommt. Da ich nu aber einmal hier bin, will ich sinngemäß ...
[Aufruhr im Publikum]
[Werkleiter:]
... mit der gesamten Belegschaft das vereinbaren ...
[Aufruhr; Applaus; Jubel]
[Werkleiter:]
Kollegen, ich bitte um Ruhe!
[Aufruhr; Applaus; Jubel]
[Zwischenrufe]
[Werkleiter:]
Ich bitte um Ruhe, Kollegen!
[Zwischenrufe]
[Werkleiter:]
Kollegen, ich bitte um Ruhe!
Ich bitte nochmals um Ruhe. Wenn wir hier zusammengekommen sind, dann wollen wir das was wir abwickeln in aller Ruhe durchführen, weil das glaub ich ...
[Tonbandstörung]
[Werkleiter:]
Ich hatte angefangen einige grundsätzliche Ausführungen zur Diskussion, also zum heutigen Geschehen zu machen. Es ist im Augenblick eine Delegation in den Saal gekommen, die sehr wahrscheinlich von sich aus Forderungen geltend machen wird.
[Zwischenrufe:]
Lauter!
[Werkleiter:]
Der Sinn der heutigen Versammlung ist allen Kollegen noch einmal und dient allen Kollegen noch einmal vor Augen zuführen, was sie im Augenblick vorhaben.
Ich sagte bereits, das wir gestern, im Verlaufe des Tages, im Betrieb einzelne Versammlungen durchgeführt haben, auch mit denen Kollegen, die als Delegation hier erscheinen. Dass wir die Probleme, die jeden Einzelnen bewegt haben und gestern im Einzelnen auch besprochen haben.
Ich möchte der Belegschaft empfehlen, sich einmal ganz ruhig zu überlegen, welche Folgerungen diese Maßnahmen, die heute hier eingeleitet werden sollen, haben können. Ich habe der Belegschaft gestern gesagt, dass berechtigte, durchaus berechtigte Forderungen seitens der Belegschaft bestehen, die gehört werden müssen und aufgrund dessen Veränderungen eingeführt werden müssen.
Ich habe der Belegschaft weiterhin vorgeschlagen, nichts Unbedachtetes zu tun, sondern aus den Reihen der Belegschaft, wie sie im Augenblick hier anwesend ist, heraus Kollegen zu delegieren, die mit den Verantwortlichen des Werkes die Probleme, die sie bewegen behandeln und dann unter einer ganz konkreten Vereinbarung, das zu, - äh - festzulegen, was aufgrund dieser Forderungen geschehen muss.
Bin sogar der Meinung, dass man soweit gehen soll, dass die Forderungen, die über den betrieblichen Rahmen hinausgehen, an die entsprechenden Stellen unserer Regierung weitergeleitet werden muss.
[Jawohl-Rufe, kurzer Applaus]
[Werkleiter:]
Ich glaube, dass die Arbeiterschaft im Allgemeinen ihre Unzufriedenheit gegenüber der Regierung, bezogen auf die von der Regierung selbst eingestandenen Fehler gestern und vorgestern genügend zur Schau getragen hat. Und, dass die Regierung aus dieser Erkenntnis der schaffenden Bevölkerung heraus weiß, wie die Bevölkerung diese gemachten Fehler auffasst.
Bin aber der Meinung und bitte darum die Belegschaft, darüber zu diskutieren, sich mal einen Vorschlag zu überlegen, der noch einmal gesagt dahin geht: Aus den Reihen der Belegschaft eine Delegation zu wählen mit Forderungen, die aus der Belegschaft kommen, die an die Leitung des Betriebes herangetragen werden mit der Verpflichtung, dass die Leitung auf diese Forderung zu reagieren hat und dass die Forderungen, die auf Betriebsebene nicht gelöst weden können, sofort und verbindlich an die Regierung weitergetragen werden mit der Verpflichtung, dass die Belegschaft über die Beantwortung dieser Dinge unterrichtet wird.
[Schritte]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, ihr habt die Ausführungen des Werkleiters gehört. Ich bitte nun um Wortmeldungen. Offen, ehrlich und sachlich wie es unsere, unsere Meinung ist seit langer Zeit! Bitte.
[Diskussion im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Bitte Kollegen, na, wer war zuerst?
[Diskussion im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kommt.
[Stimmen im Publikum]
[Sprecher der Wickelei:]
Liebe Kollegen und Kollegen ...
[Stimme aus dem Hintergrund]
... bisschen lauter, lauter ...
[Sprecher der Wickelei:]
Ja, ja.
Die Wickelei hat ein Beschluss gefasst. Und ich bitte nachher um Zustimmung oder Ablehnung des Beschlusses der Wickelei. Ich lese den Beschluss hiermit vor.
Die Belegschaft des Elmowerks erklärt sich soldiarisch mit den Arbeitern Berlins und fordern Rechenschaft über die Schüsse und Opfer von Berlin und den anderen Städten. Wir ...
[Jawohl-Rufe; Applaus]
[Sprecher der Wickelei:]
Wir fordern folgende Punkte. Erstens: Freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland!
[Jubel; Applaus]
[Sprecher der Wickelei:]
Zwotens: Aufhebung der Zonengrenzen und Abschluss eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland!
[Jubel; Applaus]
[Sprecher der Wickelei:]
Einen Zusatz zu unseren Forderungen. Sollten sich durch unsere Arbeitsniederlegung,Verhaftungen oder Repres-, - äh - Repressalien ergeben, ruht die Arbeit so lange bis die Kollegen wieder in Freiheit sind.
[Jubel; Applaus]
[Sprecher der Wickelei:]
Das ist der Wille der Belegschaft der Wickelei. Und an ein, euren Beifall merke ich, dass es der Will-, der Wille der ganzen Belegschaft des Elektromotorenwerks ist.
[Applaus]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und und Kollegen, ihr habt die [unverständlich] bzw. den Antrag unserer Kollegen aus der Wickelei gehört. Ich glaube und ich muss direkt sagen, ich freue mich, denn eine solche patriotische Tat: Aufhebung der Zonengrenzen, Sicherung und Wiederherstellen des Friedens und Abschluss des Friedensvertrages mit ganz Deutschland, das sind ja die Forderung, die wir seit Jahr und Tag vertreten haben, immer und immer wieder!
[Zwischenruf; Lachen, Applaus]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollegen, die dritte Forderung, die erhoben worden ist: "Arbeitsniederlegung solange bis Repressalien aufgehoben sind".
Ja, Kolleginnen und Kollegen, ich glaube in eurem Sinne zu sprechen, haben wir denn solche Repressalien bei uns?
[Zwischenrufe]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Also mir sind im Augenblick keine bekannt, deswegen würde ich empfehlen, Kolleginnen und Kollegen, dass ihr zu diesen Dingen zunächst Stellung nehmt. Darf ich um Wortmeldungen bitten.
Äh - Kollege [anonymisiert] wollte. Darf ich Bitten.
[Kollege 1:]
Kolleginnen und Kollegen, ich denke so: Die Kollegen des Elektromotorenwerks haben seit 1947 hier ein Werk aufgebaut und die Kollegen, die schon länger hier sind, die wissen, wie das Werk ausgesehen hat.
Klar und unmissverständlich muss man sagen, dass die Wünsche und die berechtigte Kritik der Belegschaft nicht beachtet wurde.
Aber schaut, Kolleginnen und Kollegen, wir haben seit 1947 im Elektromotorenwerk schon schwere Situationen gehabt, und gerade mit den Kollegen haben wir diese Situation meistens gemeistert.
Aber schaut, der Kollege [anonymisiert] sagt: "Die berechtigten Forderungen Friedensvertrag, Aufhebung der Zonengrenzen, das ist unsere Wunsch, aller Wunsch".
Aber ich denke so: Man muss auch mal beachten, wenn man sagt den einen Punkt: "Wir erklären uns solidarisch mit den Arbeitern, auf den geschossen wurde".
Richtig! Aber ich denke, wer och mal anderen Sender hört, nicht bloß den vom Westen drüben, der wird festellen müssen, dass eigentlich eine ganze Zeit da danach geschossen wurde.
Und zwar, Kolleginnen und und Kollegen, fünf Prozent der Arbeiter aus Berlin oder dem Abschnitt Stalinallee wurden durch Radaubrüder verhetzt.
[Protest im Publikum; Lachen, Pfiffe]
[Kollege 1:]
Genossinnen und Genossen, Kolleginnen und Kollegen, wir sind doch in einer demokratischen Versammlung.
Und ich denke doch so: Der beste Weg ist doch der Weg der Verhandlung.
[Zwischenruf:]
Nein, wir haben lange genug verhandelt!
[Zwischenruf:]
Wir haben lange genug gewartet auf [unverständlich]!
[Diskussionen im Publikum; Pfiffe]
[Kollege 1:]
Ich denke, wenn wir uns das alles überlegen, zu was das führt.
Die Regierung hat jetzt in den letzten Stunden und in den letzten Tagen Maßnahmen ergriffen, die von vornherein bestimmt sind, tatsächlich, dieses was geschehen ist, abzuändern und auch alles zu verbessern.
[Aufruhr im Publikum; Zwischenrufe; Pfiffe]
[Kollege 1:]
Aber Kolleginnen und Kollegen, lasst mich doch aussprechen. Ich denke, ihr könnt doch auch später dazu zu sprechen, dann können wir doch viel besser, dann kommen wir besser zu Rande.
Ich denke nu so: Dadurch, dass die einzelnen Beschlüsse, die die Unruhen hervorgehoben haben, aufgehoben sind, denke ich, werden wir auch wieder zu einer Annhäherung kommen und wir werden uns auch wieder verständigen, Kollegen.
Denn wir hatten das Elektromotorenwerk doch schon jahrelang gehabt. Eins haben wir und das muss man sagen, offen und ehrlich muss man das sagen, dass man zu wenig, was ich von Anfang an betont habe, die Kritik der Werktätigen im Elmowerk nicht beachtet hat.
[Zwischenruf:]
Nicht nur hier! Überall!
[Zwischenruf:]
Überall!
[Kollege 1:]
Und ich denke, überlegt euch da,s Kollegen, in Ruhe, und ich denke wir kommen dann auch zu a bestimmt gutes Ergebnis.
[Schritte]
[Diskussion im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Bitte, [anonymisiert], komm!
[Schritte]
[Kollege 2:]
Kolleginnen und Kollegen, ...
[Aufruhr im Publikum; Jubel; Applaus]
[Kollege 2:]
... was fordern unsere Werktätigen von der DDR? Die Regierung, eine neue Regierung, haben sie gefordert! Wir wollen offen sprechen, nicht?
[Rufe aus dem Publikum: "Bravo, Bravo!", Applaus]
[Kollege 2:]
Absetzung der Regierung, was ist in unseren Großstädten denn los? Wir wollen unsere Funktionäre fragen: Was ist in Magdeburg los? Was ist in Leipzig los, oder Halle und Erfurt?
[Geraune im Publikum]
[Kollege 2:]
Also, offen sprechen.
[Geraune im Publikum]
[männliche Stimme 2:]
Kollege, freie und geheime Wahlen, ja?
[Kollege 2:]
Ja, ja, ich sag's ja, deswegen sag ich es ja [unverständlich].
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, werden noch Wortmeldungen gewünscht?
Ich bitte wirklich um das Eine: Beifalls- oder Ablehnungskundgebung durch sind üblich, bitte, das Recht beschneidet euch niemand, aber lasst die Redner möglicht ausreden, denn nur dann kann man ja ermessen und auswerten, was es uns bringt.
Kolleginnen und Kollegen, wünscht zu diesen drei Anträgen, die hier gestellt worden sind: Freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland, Aufhebung der Zonengrenzen und Abschluss eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland, irgend noch jemand das Wort?
Die dritte Forderung soll sich durch unsere Arbeitsniederlegung [unverständlich] Verhaftungen und Repressalien ergeben, nicht die Arbeit so lange ruhen zu lassen bis die Kollegen in Freiheit sind.
Kollegen, das ist ein Eventualantrag zu dem es, meines Erachtens nach, gar nicht erst zu kommen braucht. Es ist doch klar, ihr bringt die Forderung hier zur Sprache, die sind hier formuliert, die werden zur Abstimmung gestellt, wobei ihr noch in eurer freien unbehinderten Willenserklärung euch entweder anschließen und ablehnen könnt, nach demokratischen Grundsätzen wird darüber entschieden. Dieser, von euch dann, zur Forderung gehobenen Wünsche werden dann bei den maßgeblichen Stellen vorgebracht und vertreten.
Ja, Kollegen, was braucht es da zu Arbeitsniederlegung und Repressalien kommen, das sehe ich für den Augenblick nicht ein!
Wir beschließen jetzt über diesen Antrag, über diese Forderung und wenn die eure Zustimmung finden, dann werden sie vertreten mit der ganzen Energie. Und dann gehen wir an unsere friedliche Arbeit, und dann kann es weder Verhaftungen noch Repressalien geben.
[Zwischenruf]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Oder hab ich nicht ganz ausgeschlafen heute? Was ist denn da los?
[Zwischenruf]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Bitte!
[Applaus]
[Kollege 3:]
Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben die jüngsten Ereignisse in unserer Deutschen Demokratischen Republik zu Ohren bekommen. Wir sind nicht gewillt nochmals die selbe Sache durchzumachen, sondern wir haben die Absicht, nicht allein nur im Elektromotorenwerk, die Sache jetzt zu beschwichtigen.
Wir haben die Absicht, alle, so wie wir stehen, eine Dem-, einen Demonstrationszug durch die Stadt zu führen, denn auch die, - äh - die Kolleginnen und Kollegen, in der Stadt sollen wissen, dass im Elektromotorenwerk die Kollegen nicht einverstanden sind mit dem, was bisher geschehen ist. Und ich fordere alle Kollegen auf, sich an dem Zug zu beteiligen, an dem Demonstrationszug.
[Jubel; Applaus]
[Kollege 4:]
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte eines hier zu sagen, was heute hier zum Ausbruch kommt, das gärt schon acht Jahre lang unter jeden seiner Oberfläche.
[Zwischenrufe aus dem Publikum:]
Ja, ja!
[Applaus]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, werden noch Wortmeldungen gewünscht?
[Zwischenruf:]
Stellungnahmen!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ja, bitte Kollegen ich warte auf eure ... Ich glaube nicht, dass das schon erschöpft diskutiert worden ist.
[Zwischenruf:]
Wo bleibt die Erklärung [unverständlich] Erschießung [unverständlich] von gestern?
[Aufruhr im Publikum]
[Zwischenruf:]
Jawohl!
[Zwischenruf:]
Sehr richtig!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Bitte Kollegen, ich hab nicht ganz aufgenommen.
[Lachen]
[männliche Stimme 3 zum BGL-Vorsitzenden:]
Tja. Die Belegschaft, erklären sich solidarisch und fordern Rechenschaft über die Schüsse.
[männliche Stimme 4:]
Steht doch drin.
[männliche Stimme 3:]
Fordern Rechenschaft.
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen, im Vorwort ... Richtig, ich hatte mich beschränkt auf die Anträge. In dem Vorwort wird gesagt: "Die Kollegen verlangen Rechenschaft über die Schüsse ..."
[Zwischenruf:]
Ne, les es besser von vorne!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ich setz mir die Sehmaschine auf, dann geht kein Wort verloren.
"Die Belegschaft des Elektromotorenwerkes erklären sich solidarisch mit den Arbeitern Berlins und fordern Rechenschaft über die Schüsse und Opfer von Berlin und den anderen Städten."
[Raunen im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollegen, ich gebe jetzt lediglich meine Meinung wieder, meine persönliche. Ich weiß nicht, wie ich euch jetzt als BGL-Vorsitzender Rechenschaft ablegen sollte, denn ich bin lediglich auf die selben Informationsquellen angewiesen wie ihr auch.
Ich war weder in Berlin, noch in Magdeburg ...
[Raunen im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Na ja, Kollegen, ich hab ja das selbe ...
[Aufruhr im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ich möchte sogar das eine hier mal ganz offen verkünden ...
[Zwischenruf:]
Alter, auf diese Sache hin, da muss ich dir sagen, dass du sehr schlecht mit der Arbeiterschaft verbunden bist.
[Lachen]
[Zwischenruf:]
Jawohl!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Aber höre zu, - äh - ich habe gestern, ich erkläre es hier ganz offen, ich habe gestern die gleichen Informationsquellen benutzen müssen, weil mir ja andere nicht zu Verfügung standen.
[Raunen im Publikum; Zwischenrufe]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ich bin gestern ... Ich bin gestern gegangen und habe sowhl unseren Sender wie den Norddeutschen Rundfunk gehört. Habt ihr eine andere Informationsquelle? Dass ihr eure Meinung, mit der bin ich sehr wohl verbunden, mein lieber Freund, ich bin nicht umsonst seit Monaten, früh bis spät, bei euch und ich bin durchaus euer verlängertes Ohr. Ich will hier nicht im Einzelnen darlegen, was in letzter Zeit alles in euerm Sinne durchgedrückt worden ist. Also die Verbundenheit, Kollegen, da müsst ihr erst das Gegenteil, Gegenteilige - äh - beweisen bitten. Aber ich sag, ich kann euch wirklich ehrlich sagen, ich habe nur mich so informieren können wie ihr auch, denn andere Informationsquellen sind einfach nicht da, oder ...
[Zwischenrufe]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Gebt mir einen Rat: Wo sollten andere Informatonsquellen sein, als durch unser Rundfunk?
[Zwischenruf:]
Na, Berlin!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ja, den hab ich gestern gehört. Ich habe den Demokratischen Rundfunk gehört, Kolleginnen und Kollegen, und selbstverständlich habe ich auch den Norddeutschen Rundfunk gehört.
Ich habe mich um zwölfe mich noch mal an den - äh - Dings gesetzt und habe mal gehört, was ist denn nun jetzt überhaupt los. Ich weiß also das selbe was ihr auch wisst. Und ich möchte euch da wirklich um eine nähere Erklärung bitten, wer soll euch Rechenschaft geben, Kollegen? Das ist doch nur so möglich, wenn diese - äh - Anträge hier jetzt zum Beschluss erheben, die Forderung an anderer, übergeordneter Stelle vertreten, die euch Rechenschaft ablegen soll, oder habt ihr eine andere Meinung?
[Zwischenruf:]
Herr Kollege ...
[Zwischenruf:]
Es sieht so aus, dass hier alle den Norddeuschen Rundfunk hören. Muss doch einer sein der den Demokratischen Rundfunk gehört hat und [unverständlich] geben kann?
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Hab ich auch gehört, aber ich sagte ja, ich hab den Demokratischen und den Norddeutschen gehört.
[Mann im Publikum:]
Ich auch.
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Na ja, nu bitte, da seid ihr doch informiert. Was soll ...
[Lachen]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Also, Kollegen, gebt mal Rat, was soll ich euch Rechenschaft geben?
[Zwischenruf:]
Gestern sind drei Mann in Magdeburg gewesen, und zwar der [anonymisiert]. Ich glaube diese drei Kollegen wären in der Lage, mal kurz zu schildern, wie es in Magdeburg zujejangen hat.
[Jawohl-Rufe; Applaus]
[Chauffeur:]
Kolleginnen und Kollegen, ...
[Zwischenruf:]
Ruhe, Ruhe.
[Chauffeur:]
... ich war gestern in Magdeburg mit den Kollegen [anonymisiert]. Wir fuhren durch Magdeburg, wo noch volle Ruhe herrschte bis zur Elbe. Auf dem Rückweg erreichten uns viele Demonstranten, die sich bis zu 10.000 und 15.000 ansammelten, die die Plakate von den Wänden rissen und die öffentlichen Behörden stürmten. Das Finanzamt wurde ausgeräumt und sonstige Unruhen - äh - griffen in Magdeburg um sich.
[Diskussion im Publikum]
[Chauffeur:]
Wir ...
[Zwischenruf:]
[unverständlich] Demokratische Rundfunk.
[Zwischenruf:]
Genau!
[Lachen; Applaus]
[Chauffeur:]
Wir hatten Mühe und Not aus Magdeburg rauszukommen, Kollegen. Es sieht leider genauso aus wie hier.
[Applaus]
[Kollege 6:]
Kolleginnen und Kollegen, ich glaube es ist genug verhandelt, es ist genug gesprochen. Wir müssen handeln.
[Jawohl-Rufe]
[Kollege 6:]
Wenn jemand vor anderen Leuten Türen sauber machen will, dann muss er erst mal seine eigene Bude sauber haben, der Meinung bin ich!
[Applaus]
[Kollege 5:]
Kolleginnen und Kollegen, es ist hier gefordert worden, dass ich Rechenschaft ablegen soll über den gestrigen Tag. Ich bin der Ansicht wir müssen offen und ehrlich die Situation so ansprechen wie sie in Wirklichkeit ist. Und ich muss die selben Worte des Kollegen [unverständlich] wiederholen. Es ist klar, dass nun aufgrund dieser Situation in Berlin und aus der Tatsache, dass nun der Klassengegner versucht, eine Unstimmigkeit innerhalb unserer Deutschen Demokratischen Republik hineinzutragen, alles versucht, nun - äh - die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik zu beeinflussen, um nun solche Demonstrationen gegen unserer Regierung hervorzurufen.
Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, unsere Regierung hat einen sehr großen Fehler gemacht, auch unsere Partei.
[Protest; Aufruhr im Publikum; Zwischenrufe]
[Kollege 5:]
Es ist selbstverständlich. Auch wir machen Fehler ...
[Diskussionen im Publikum]
[Kollege 5:]
... und auch jeder einzelne Kollege an der Werkbbank.
[Zwischenruf:]
Aber nicht acht Jahre lang!
[Diskussionen im Publikum]
[Kollege 5:]
Kolleginnen und Kollegen, es kommt also jetzt darauf an, dass man die Situation wirklich so erkennt, wie sie momentan ist. Und wir müssen uns und wollen uns genau überlegen, wozu führt die Demonstration überhaupt?
Einmal hat die Regierung, die Fehler, die sehr ernsten Fehler, die sie begannen haben, erkannt und eingesehen.
[Lachen; Aufruhr im Publikum]
[Kollege 5:]
Sie hat Maßnahmen ergriffen, um das, was die Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik, das heißt also unsere Arbeiter, gefordert haben, hat sie also annerkannt und Maßnahmen beschlossen, um diese Missstände, die nun einmal heraufbeschworen sind, wieder abzustellen.
[Zwischenrufe:]
Können sie gar nicht! Können sie gar nicht!
[Weitere Zwischenrufe; Schreie; Aufruhr im Publikum]
[Kollege 5:]
Kolleginnen und Kollegen, es kommt nun für uns darauf an, dass wir, so wie wir bis jetzt gearbeiten haben, weiter arbeiten.
[Aufruhr im Publikum; Pfiffe]
[Kollege 7:]
Kolleginnen und Kollegen, so wie der Kollege [unverständlich] gerade gesagt hat, wollen wir es nicht durchführen. Das in Magdeburg ...
[Appplaus]
[Kollege 7:]
Dass es so kommt wie in Magdeburg, dass öffentliche Gebäude vielleicht irgendwie zerschunden haben.
Wir wollen als anständige Bürger der Deutschen Demokratischen Republik uns durch die Stadt bewegen, so wie es deutschen Arbeitern zukommt.
[Zwischenrufe:]
Genau!
[Applaus]
[Kollege 7:]
Nicht als Rabauken!
[Applaus]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollege Werkleiter.
[Werkleiter:]
[unverständlich] bin vorhin aus Stimmen, wodurch Stimmen aus der Masse der Anwesenden aufgefordert worden, zu Punkt 3 Stellung zu nehmen.
Ich versichere, das was in meinen Kräften steht zu tun, dass Repressalien nicht angewandt werden, die aus der Arbeitsniederlegung in unserem Betriebs bestehen.
Für Vorkommnisse in der Stadt, aufgrund von unzivilisierten Verhalten, kann ich selbstverständlich keine Verantwortung übernehmen.
[Raunen im Publikum; Applaus]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, ihr habt die einzelnen Stellungnahmen gehört, auch die jetzt unseres Kollegen Werkleiters. Kolleginnen und Kollegen, ich glaube wir sind dann so weit mit uns im Klaren, dass wir diese drei Forderungen, die hier gestellt worden sind, euch zu Abstimmung unterbreiten und nach demokratischen Grundsätzen behandeln. Das heißt bei Stimmenmehrheit als unsere Forderung anzusehen, bei Stimmenminderheit als das Gegenteil. Hat dazu noch irgendeiner eine Frage?
[Kollege 8:]
Da muss noch ein Punkt zu. Die da oben müssen eine Preissenkung von vierzig Prozent vornehmen!
[Zwischenrufe:]
Jawohl!
[Zwischenruf:]
Unmöglich!
[Diskussion im Publikum]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollege [anonymisiert], ich glaube, dass dir da alle zustimmen würden. Wie die wirtschaftlichen Verhältnisse ausschauen, weiß ich nicht. Du hast den Antrag gestellt. Soll das eine Erweiterung dieses Antrages sein?
[Publikum:]
Ja!
[Diskussionen; Husten]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, nun noch eine rein formelle Frage. Wollen wir über die Punkte einzeln abstimmen oder im Ganzen?
[Zwischenruf:]
Im Ganzen!
[Zwischenruf:]
Getrennt!
[Zwischenruf:]
[unverständlich] fehlt noch. Wir wollen eine gesamtdeutsche Regierung.
[Kollege 9:]
Kolleginnen und Kollegen, ich hätte hier nochmal etwas Betriebliches zu fordern und erstens, wenn hier irgendetwas kommt, wo die Belegschaft von Rechtswegen bekannt gegeben werden müsste, da stelle ich die Forderung, dass dieses nicht im oberen Plenum verhandelt wird, sondern der gesamten Belegschaft, durch ihre Gewerkschaftsvertretungen bekannt gegeben wird.
Zweitens, - richtig - die abgebauten Löhne, die vorgenommen worden sind, hundertprozentig wieder dem Betreffenden zugesprochen werden, die davon in Frage gekommen sind, zum Beispiel die Lohnarbeiter, ...
[Zwischenrufe]
[Kollege 9:]
... die Transportarbeiter. Und wie sieht es aus? Wir bekommen hier im Werk überhaupt keinen Transportarbeiter mehr. Aus dem einfachen Grunde, wenn sie eingestellt werden, wird ihnen bei der Einstellung viel versprochen und wenn sie nachher bei der Arbeit sind und den ersten Lohn bekommen, stehen sie mit langen Gesichtern davor, dass ganz etwas anderes in der Lohntüte liegt, als wie es versprochen worden ist.
Denn, wenn, wir wollen nicht Löhne beziehen auf Kosten unserer Kollegen, sondern wir verlangen einen Stundenlohn, einen Lohn wie es der heutigen Zeit entspricht.
[Zwischenrufe:]
Bravo, sehr richtig!
[Applaus]
[Kollege 9:]
Also, damit das Exzistenzminimum jedes Arbeiters sichergestellt ist, und nicht nur einer bestimmten Klasse.
[Zwischenrufe:]
Bravo!
[Applaus]
[Kollege 9:]
Ich möchte natürlich hier gleich mit betonen, dass diese Forderungen, das sind gerechte Forderungen, die wir im Betrieb zu verlangen haben. Und wenn diese Forderungen im, in einem Schreiben oder in einem von der Regierung, vom Ministerium den einzelnen Betrieben zugegangen worden sind, dann möchte ich hier noch betonen, dass nicht Forderungen vom Ministerium gestellt worden sind, die Löhne der Arbeiter anzugreifen, sondern diese Maßnahmen von unserer Abteilung vorgenommen sind, die sich diese Maßnahmen herausgegriffen haben ...
[Zwischenruf]
[Kollege 9:]
... nicht die Verwaltungsunkosten zu senken, sondern die Arbeitslöhne noch zu schmälern. Denn die Arbeitslöhne sind in Wirklichkeit für einen Betrieb das Wenigste. Ein paar lumpige Schrotthaufen, die wir hier im Betriebe noch haben, decken die Arbeitslöhne. Unsere Unkosten belaufen sich hauptsächlich auf die Verwaltungsunkosten und da fordere ich, dass nie mehr auf Kosten der Arbeiter, sondern da angegriffen wird, wo es angebracht ist!
[Applaus]
[Kollege 10:]
Kollegenn und Kolleginnen, es ist noch etwas verpasst worden bei den Punkten hier.
[Zwischenruf:]
Halt, einen Augenblick.
[Kollege 10:]
Erstens ...
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Moment.
[Kollege 9:]
Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Wunsch der Kollegen Rechnung getragen und haben in der letzten Sitzung die dreimalige Lohnzahlung im Monat beantragt. Ich möchte jetzt natürlich hoffen, dass dem Wunsch der Kollegen Rechnung getragen wird, und nicht eines bestimmten Menschen bei uns im Betriebe, dem Herrn [anonymisiert], sondern wir haben die Forderung. Und der Betrieb hat in Wirklichkeit die Lohnverrechnung keine besondere Unkosten oder Mehrarbeit da davon, denn bei dieser Lohnzahlung jetzt zweimalig, hat die Lohnverrechnung mehr Zahl-, mehr Arbeit als wie sie bei einer Dreimaligen. Denn bei einer Dreimaligen wird zweimal ein Abschlag gezahlt, wo sozusagen keine großen Verrechnung nötig ist und die eine Verrechnung, also haben wir im Monat bei einer dreimaligen Lohnzahlung nur eine einmalige Verrechnung und bei einer zweimaligen Lohnzahlung eine zweimalige Verrechnung. Also, ist dieser Wunsch auch gerechtfertigt und ich stelle mit den Antrag das dieser Wunsch der Kollegen gerechtfertigt wird.
[Applaus]
[Kollege 11:]
Kolleginnen und Kollegen, es soll noch ein Punkt aufgestellt werden, und zwar, es wär höchste Zeit dass mal unsere Kriegsgefangenen nach Hause kommen nach acht Jahren.
[Jubel, Applaus]
[Kollege 12:]
Kolleginnen und Kollegen, ...
[Applaus]
[Kollege 12:]
Kolleginnen und Kollegen, da wir hier versammelt sind und das Weltgeschichtsrad nicht zurückdrehen können, noch vorwärts, möchte ich hier nur noch betonen, das wir derjenigen Kollegen, die für die Sache des deutschen Arbeiters in Berlin die Opfer gewesen sind und um eine Minute Stillstand.
[Publikum erhebt sich, Schweigeminute]
[Kollege 12:]
Ich danke.
[Publikum setzt sich hin]
[Kollege 13:]
Bitte. Augenblick. Kolleginnen und Kollegen, ich erhalte soeben folgende Mitteilung:
Der sowjetische Militärkommandant des Kreises Wernigerode hat folgende Verfügung erlassen:
"Zur Gewährung der öffentlichen Ordnung zum Schutze der Bevölkerung des Kreises sind ab 18. Juni '53 alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und Ansammlungen von mehr als drei Personen auf Plätzen, Straßen ..."
[Aufruhr im Publikum; Pfiffe]
[Kollege 13:]
"... Straßen ..."
[Zwischenrufe]
[Kollege 13:]
"... als drei Personen auf Plätzen, Straßen und den öffentlichen Gebäuden verboten. Jeglicher Verkehr von 21:00 Uhr abends bis 05:00 Uhr morgens von Fussgäng- ..."
[Aufruhr im Publikum, Schritte]
[Kollege 13:]
Kolleginnen und Kollegen, ...
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 13:]
... macht mir doch als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, in dieser so ernsten Situation in der sich das Werk und der Kreis befindet, diese Vorlesung nicht schwer. Es ist doch meine Pflicht als Bürger der Republik euch dieses sauber und klar bekannt zu geben, weil es letztenendes jeden von uns allen angeht.
Ich bitte demzufolge, dass ich den letzten Absatz noch mal in Ruhe verlesen kann. Es geht jeden von euch an!
"Jeglicher Verkehr von 21:00 Uhr abends bis 05:00 Uhr morgens von Fußgängern, Kraftfahrzeugen ist verboten."
[Aufruhr im Publikum; Zwischenrufe]
[Kollege 13:]
Kollegen, ...
Kolleginnen und Kollegen, ich habe der Pflicht gemäß dies euch bekannt gegeben. Ich bitte euch wirklich als Mensch ...
[Zwischenrufe]
[Kollege 13:]
... und als Bürger der Republik, denkt an eure Frauen, denkt an die Kinder, denkt an euch selbst, diese Maßnahme ...
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 13:]
... diese Maßnahme dient dem Schutz. Das ist das was ich euch zu sagen habe.
[Diskussion im Publikum]
[Kollege 14:]
Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Meinung, auch in Hinsicht der betrieblichen Angelegenheiten wie Spätschicht und dergleichen, durch diesen Ausnahmezustand der über uns verhängt wurde, müsste automatisch die Arbeit ruhen bis dieser Ausnahmezustand aufgehoben wird.
[Großer Jubel; Applaus]
[Werkleiter:]
Ich habe das eben gesagt zur Kenntnis genommen.
Für uns alle, für mich genauso wie für euch, ist das, was uns von der Sowjetischen Militärverwaltung gesagt worden ist, verbindlich. An der Arbeitsniederlegung kann ich euch nicht hindern. Betone aber ausdrücklichst dass der Forderung in diesem Ausruf Rechnung getragen werden muss, und dass bei der Zusammenballung von mehr als drei Kollegen. Die Anordnungen kommen nicht von uns, das wisst ihr, auch nicht von mir. Ich muss euch aber darauf aufmerksam machen, dass dieser Forderung Rechnung getragen werden. Ich bin der Meinung weiterhin, dass wir hier jetzt in ganz ehrlicher Form der sowjetischen Militärverwaltung in Wernigerode unseren Beschluss mitteilen.
[Zwischenrufe, verhaltener Applaus, Diskussion im Publikum]
[Kollege 15:]
Kolleginnen und Kollegen, die gestrigen Ereignisse in Berlin und der heutige Ausnahmezustand zwingt uns dazu, die Mitgliedsbücher der deutsch-sowjetischen Freundschaft dem Betrieb zu Verfügung zu stellen ...
[großer Jubel, Applaus]
[Kollege 15:]
... bis die Angelegenheit von dem Sekretär der deutsch-sowjetischen Freundschaft zu unserer Zufriedenheit geklärt ist. Auf der anderen Seite bitte ich die Kollegen, nicht irgendwelche Demonstrationen zu unternehmen, sondern wir wollen abwarten was der Sekretär der deutsch-sowjetischen Freundschaft uns heute oder in den nächsten Tagen zu antworten hat.
[Zwischenrufe]
[Wechsel der Bandseite]
[Kollege 16:]
... singen wir nachher. Ich schlage euch vor, dass ...
[Zwischenrufe]
[Kollege 16:]
... wir eine Delegation, die sich aus der Werkleitung und aus Arbeitern des Betriebes zusammensetzt, wählen und dann diese Delegation zu den sowjet-, zu der sowjetischen Besatzungsmacht geht um eine Klärung der Angelegenheit herbei zu führen.
[Zwischenrufe, Applaus]
[Kollege 16:]
Kollegen, ich appelliere an eure Vernunft. Kollege [anonymisiert] sagt vorhin schon einmal, denkt an euch selbst!
[Zwischenruf:]
Nein!
[Kollege 16:]
Denkt an eure Frauen und Kinder! Diese Maßnahmen ...
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 16:]
Diese Maßnahme, Kollegen, kommt nicht von einer deutschen Institution, ...
[Zwischenruf]
[Kollege 16:]
... sondern von der Besatzungsmacht!
[Zwischenrufe:]
Das ist schon traurig, wenn es nicht von einer Deutschen kommt.
[Zwischenruf:]
[unverständlich] wir wollen unsere Freiheit [unverständlich]!
[Kollege 17:]
Kollegen und Kolleginnen, die Maßnahmen, die die Regierung der DDR in der letzten Zeit vom Stapel gelassen hat, das ist nach meiner Meinung, das kann von meiner Meinung aus niemals von einem vernünftigen Menschenverstand geschehen sein.
[Applaus]
[Kollege 17:]
Und wenn heut ...
[Applaus]
[Kollege 17:]
... und wenn jetzt die Bevölkerung sich auflehnt gegen diese Maßnahmen. Die erste Auflehnung war die Zonenflucht. Und als erste die gegen diese Maßnahem ein-, sich einschalten mussten, das war die Partei von untern heraus. Das war die Partei, aber was hat man, wenn man diese Leute von der Partei angesprochen hat? Was ist uns dort gesagt worden? "Ihr müsst die Sache im Zusammenhang sehen."
[Zustimmung im Publikum]
[Kollege 17:]
Ja? Und deshalb fordere ich, dass die Leute von der Partei überhaupt nichts mehr zu melden haben!
[Zustimmung im Publikum, Applaus]
[Kollege 18:]
Kolleginnen und Kollegen, ich komme zur Abstimmung unserer Punkte. Und ich bitte die Kollegen durch Handerheben die Zustimmung oder die Ablehnung zu geben.
Den ersten Punkt:
Freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland. Wer ist dafür?
[Aufruhr im Publikum]
[Zwischenruf:]
Aber richtige Wahlen!
[Zwischenruf:]
Keine diktierten Wahlen!
[Kollege 18:]
Gegenprobe! Wer ist dagegen?
[Zwischenruf:]
Da gibts keine [lacht]. Alle ...
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 18:]
Ich stelle fest, wir fordern alle freie und geheime Wahlen!
Punkt zwo: "Aufhebung der Zonengrenzen und Abschluss eines Friedenvertrages mit ganz Deutschland." Wer ist dafür?
[Zwischenruf]
[Kollege 18:]
Gegenprobe. Wer ist dagegen? Einstimmigkeit herrscht.
Also, zu dem Zusatzantrag möchte ich auch gleichzeitig noch an die Werkleitung, wegen "sollten sich durch unsere Arbeitsniederlegung", das ist hier, wo wir sind, "Verhaftungen oder Repressalien ergeben, wird die Arbeit so lange bis alle in Freiheit sind eingestellt."
Wer ist dafür, für den Zusatzantrag? Gegenprobe. Danke.
Kolleginnen und Kollegen, hier ist noch ein Zusatzantrag.
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 18:]
Kollegen, hier ist noch ein Zusatzantrag. Und zwar "von 40-prozentige Preissenkung der HO fordern die Kolleginnen und Kollegen". Wer ist dafür?
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 18:]
Also, ...
[Zwischenruf:]
Ja. Und wer dagegen ist?
[Zwischenruf:]
Keiner.
[Kollege 18:]
Also, hiermit überreiche ich der Werkleitung unserer Punkte.
[Zwischenrufe:]
Wie bitte?
[Zwischenrufe:]
Kriegsgefangene!
[Kollege 18:]
Ja, steht leider nicht drauf. Also, Zusatzantrag ...
[Zwischenruf:]
Freigabe der Kriegsgefangenen!
[Kollege 18:]
... "Freigabe sämtlicher Kriegsgefangenen, die sich noch ..."
[Zwischenruf:]
Und Internierte!
[Kollege 18:]
Und Intenierten.
[Zwischenruf:]
Der inhaftierten Berliner!
[Zwischenruf:]
Alle die [unverständlich].
[Kollege 18:]
Also, "Rückführung sämtlicher Kriegsgefangenen" ...
[Zwischenruf:]
Und Internierten!
[Zwischenrufe:]
Und politisch festgesetzten, auch fallen die Wirtschaftsverbrecher darunter [unverständlich].
[Zwischenruf:]
Und Internierten!
[Kollege 18:]
... "und Internierter". Die Wirtschaftsverbrecher sind ja durch das Gesetz ...
[Zwischenruf:]
Die Berliner, die jetz verhaftet sind, die auch.
[Zwischenrufe]
[Kollege 18:]
Also die letzte Frage. "Rückführung der Kriegsgefangenen und Internierten", ist gestellt worden. Ich bitte um Abstimmung.
[Zwischenruf:]
[unverständlich] Ich bitte noch den Punkt einzutragen, dass bis der Ausnahmezusand beendet ist, die Bücher der deutsch-sowjetischen Freundschaft zur Verfügung gestellt werden und zwar bis 9 Uhr. Das möchte ich noch, einen Zusatzpunkt.
[Zwischenruf:]
Gut. Schreiben wir auch drauf.
[Diskussion im Publikum]
[Diskussion am Mikrophon:]
Kollegen, die verhafteten Berliner von jestern, auch die wollen wir frei haben.
[Zwischenruf:]
Die wollen wir frei haben. Na klar!
[Kollege 19:]
Das wollen wir nicht dulden.
[Kollege 18:]
Ja, sicher, Internierter, das fällt ja darunter ...
[Zwischenruf:]
... das fällt unter Interniert.
[Kollege 18:]
Das fällt darunter.
[Zwischenruf:]
Politische Intenierte.
[Kollege 19:]
Die wollen wir frei haben. Ick meine, kannst zuschreiben in Klammern Berliner.
[Kollege 18:]
Das ist ja "Aufhebung des Ausnahmezustand die Bücher zur Verfügung zu stellen".
[Protokollant:]
Was war das eben?
[Kollege 18:]
"Bis zur Aufhebung des Ausnahmezustand die Bücher zu verfügung zu stellen."
Also Kolleginnen und Kollegen, der Antrag lautet: "die Kollegen des Elektromotorenwerk, stellen ihre Mitgliedsbücher der deutsch-sowjetischen Freundschaft so lange zur Verfügung bis der Ausnahemzustand ausgehoben ist."
Ich bitte darum um Handzeichen für die Zustimmung. Danke. Gegenprobe. Ich stelle hier auch mit Einigkeit fest. So, das sind die Punkte, Kollegen. Also mit den Zusatzpunkten.
[Zwischenruf]
[Kollege 18:]
[unverständlich] Stimmenenthaltungen. Ich überreiche hiermit der Werkleitung die Punkte.
[Zwischenruf:]
Demokratischen Grundsatz.
[Kollege 18:]
Und ich fordere von der Werkleitung das sie die Punkte realisiert bzw. der Belegschaft Kenntnis über die Realisierung.
[Werkleiter:]
Ich bitte trotzdem um eine Bennenung einer kleinen Delegation [unverständlich].
[Kollege 18:]
Also der Werkleiter bittet hier um eine kleine Delegation, die zusammen mit der Werkleitung, die Schritte unternehmen soll.
Ich bitte von den einzelnen Abteilung Kollegen zu wählen, die ...
[Zwischenrufe]
[Kollege 18:]
Wieviel - äh - Kollegen sollen gewählt werden, Kollege Werkleiter?
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Nicht mehr wie fünf.
[Kollege 18:]
Nicht mehr?
[Zwischenrufe:]
Also von der BGL ...
[Zwischenruf:]
Bitte?
[Zwischenruf:]
[unverständlich] Behinderungsfrei.
[Kollege 18:]
Um drei Kollegen von jeder Abteilung.
[Zwischenrufe:]
Eine Kollegin und zwei Kollegen von jeder Abteilung.
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ne, nicht von jeder Abteilung.
[Kollege 18:]
Nein?
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Das wird etwas zu groß.
[Kollege 18:]
Nein?
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Drei ganz.
[Kollege 18:]
Oh, für das ganze Werk ein bisschen wenig.
[Zwischenrufe]
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Macht was ihr wollt.
[Zwischenruf:]
Bitte, wenn die Forderung [unverständlich], bloß all zu groß ist meiner Meinung nicht notwendig, [unverständlich] viel geredet.
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Die Beschlüsse liegen ja vor, an die sind sie ja gebunden.
[Kollege 18:]
Also Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Vorschläge.
[Zwischenruf:]
Ich schlage Kollege [anonymisiert] vor.
[Kollege 18:]
Also es ist von der Abteilung T3 vorgeschlagen worden der Kollege [anonymisiert] und Kollege [anonymisiert] aus der Wickelei.
Bitte noch um Vorschläge von den anderen Abteilungen.
[Zwischenruf:]
Wir brauchen eine Frau!
[Kollege 18:]
Eine Frau, eine Kollegin.
[Zwischruf]
[Zwischenruf:]
[anonymisiert]
[Kollege 18:]
[anonymisiert]
[Zwischenrufe:]
Aha. Also der Kollege [anonymisiert]. Halt mal bitte fest, Albert.
[Zwischenruf:]
Und eine Kollegin.
[Kollege 18:]
Und eine Kollegin?
[Zwischenrufe]
[Kollege 18:]
Ja, Kolleginnen.
Bitte um Vorschläge.
[Zwischenrufe:]
Frag mal, ist die nicht da?
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Eine Kollegin.
Noch mal die Kollegin?
[Zwischenrufe:]
Es ist Männersache, keine Frauen dazu!
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Er sagt es ist Männersache, keine Frauensache.
[Kollege 18:]
Kollege, du bist noch rückschrittlich. Auch eine Frau kann für ihre Rechte eintreten.
[Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Um so mehr, um so mehr!
[Kollege 18:]
Also es ist ein Vorschlag ... Also es ist ein Vorschlag gemacht worden von der Wickelei. Die Kollegin [anonymisiert] von der Wickelei.
[Zwischenrufe]
[Kollege 18:]
Aber ich bitte auch von den anderen Abteilungen mal einen Vorschlag zu hören, nicht von der Wickelei nur allein. Es gibt doch woanders noch andere Kolleginnen. Ich sehe soviel.
[Zwischenruf:]
[anonymisiert]
[Aufruhr im Publikum; Lachen]
[Kollege 18:]
Also es ist vorgeschlagen worden die Kollegin [anonymisiert].
[lacht]
[Aufruhr im Publikum]
[Kollege 18:]
Ich bitte um, dass die Kollegin nach vorne kommt zur Bühne.
[Zwischenrufe]
[Kollege 18:]
Ja, die Kollegin möchte nach vorne kommen. Ich möchte sie hier haben zur Abstimmung.
[Zwischenrufe]
[Zwischenruf:]
[anonymisiert]
[Kollege 18:]
Wie?
Kollegin [anonymisiert]?
[Zwischenrufe:]
[anonymisiert]
Kollegin [anonymisiert]
[Kollege 18:]
Ah - von [anonymisiert] Also es ist en Antrag noch eingegeangen, eine Kollegin [anonymisiert]. Ja? Ich bittte die Kollegin vorzukommen.
[Applaus]
[vorgeschlagene Kollegin:]
So hier.
[Kollege 18:]
So, Kollege [anonymisiert], Kollege [anonymisiert].
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Es sind vorgeschlagen Kollege [anonymisiert]; Kollege [anonymisiert], Kollege [anonymisiert], die Kollegin [anonymisiert] und die Kollegin [anonymisiert].
Eine Delegation von fünf Mitgliedern. Ich bitte ...
[Zwischenrufe:]
... abstimmen lassen?
[Kollege 18]:
Ja, selbstverständlich!
Ich bitte um Abstimmung der Kollegen, ob ihr einverstanden seid, dass diese Kollegen, die auf Zuruf gewählt wurden ...
[Zwischenruf:]
Lieber einzeln? Gut. Kollegen, ich stimme ab über Zustimmung über den Kollegen [anonymisiert] oder Ablehnung. Also, um Zustimmung durch Handerhebung? Danke, meine Herren. Gegenprobe. Ich stelle fest der Kollege hat einstimmig das Vertrauen der Kollegen.
Ich komme zu dem Kollegen [anonymisiert]. [anonymisiert]? Das ist der Kollege [anonymisiert]? Bitte. Ich bitte um Gegenprobe.
Ich stelle wiederum Einstimmigkeit fest. Also der Kollege [anonymisiert] besitzt auch das Vertrauen seiner Kolleginnen und Kollegen.
Äh - Kollege [anonymisiert]. Ich bitte um die Handzeichen für den Kollegen [anonymisiert].
Gegenprobe.
Danke. Der Kollege [anonymisiert] besitzt auch das Vertrauen der Kollegen.
Kollegin [anonymisiert]?
[Lachen]
Ich bitte um das Handzeichen.
[Lachen]
Kollegin, ich vermisse ein Handzeichen und zwar von dem Kollegen, der den Namen gerufen hat. Ich stelle fest es ist eine große Ungezogenheit dann gewesen. Also Gegenprobe. Auch der, der dagegen ist.
[Lachen]
Also ich stelle fest, dass die Kollegin [anonymisiert] nicht das Vertrauen der Kollegen und Kolleginnen besitzt.
[Applaus]
Wie heißt du, Kollegin?
[Kollegin:]
[anonymisiert]
[Kollege 18:]
Ja. Bitte um Handzeichen der Kollegin [anonymisiert].
Gegenprobe. Die Kollegin [anonymisiert] besitzt somit auch das Vertrauen der Kollegen und Kolleginnen.
[Applaus]
[Kollege 18:]
Ich stelle somit die Delegation der Werkleitung zur Verfügung, unsere Interessen zu vertreten. So.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, wir alle ... Ah - der Kollege [anonymisiert] wollte nochmal.
[Kollege 13:]
Kolleginnen und Kollegen, Arbeiter und Arbeiterinnen und Angestellte des Elektromotorenwerks Wernigerode. Ihr habt eure Forderungen jetzt präzisiert. Die Forderungen sind niedergelegt, durch Abstimmung eindeutig erhärtet.
Ihr habt weiterhin auf Vorschlag eures neuen Werkleiters eine Delegation gewählt, auch die ist im Rahmen dieser Gesamtbelegschaftversammlung, die einzelnen Vorgeschlagen, ordnungsgemäß gewählt und besitzen damit, durch das Abstimmungsergebnis erhärtet, euer Vertrauen. Soweit sind wir jetzt. Und ich bitte zum Schluss noch mal um Eins.
Ihr könnt selbst entscheiden, vollkommen frei und offen, ob ihr nicht arbeitet oder ob ihr euch an die Plätze begebt bzw. die Arbeit aufnehmt. Das liegt vollkommen in der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Kollegen und Kollegin. Ich empfehle euch, werdet euch jetzt darüber im Klaren, aber gleichzeitig empfehle ich euch, Kolleginnen und Kollegen, beachtet das, was ich euch pflichtgemäß vorhin vorgelesen habe.
Mir ist es wirklich als Mensch, als Kollege der Arbeitenden und als Vertreter des Ministeriums, der zu euch gekommen ist, seit fünf Tagen, um den Arbeitsfluss zu studieren, den Arbeitsfluss zu verändern und zusammen mit dem neuen Werkleiter alle diejenigen Maßnahmen ökonomischer Art durchzuführen, um den Betrieb zu sanieren, als dieser Arbeitskamerad, der in dieser Funktion, von Berlin ebenfalls bereits seit sieben Monaten von Familie, von Frau und Kind getrennt, seiner Pflicht als Werktätiger vollführt, im Interesse nicht einer persönlichen Brieftasche und ihrer Bereicherung, sondern wenn man Monate von der Familie weg ist und nur gelegentlich zum Wochenende rüberkommt, dann bedeutet das schon etwas. Und als ein solcher Arbeitskamerad, unabhängig von unseren politischen gegenteiligen oder gemeinsamen Auffassungen, bitte ich euch noch einmal herzlichst, beachtet im Interesse jedes Einzelnen von euch, die Anordnung der sowjetsichen Kontrollkommission - Entschuldigung falsch ausgedrückt - des sowjetischen Militärkommandanten des Kreises. Beachtet dieses und beschließt meinetwegen, eure Vertreter werden ja gleich zusammentreten mit uns, was ihr weiter unternehmen wollt.
Aber ich bitte euch noch einmal herzlichst, demonstriert nicht und beachtet die euch vorgelesenen und bekanntgeben Anordnung des sowjetischen Militärkommandanten.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, jetzt möchte ich in meiner Eigenschaft als BGL-Vorsitzender euch noch einmal an eins erinnern: Ihr alle habt euch mehr oder weniger schon mit dem Staatsrecht, Verfassungsrecht und dem Personenrecht vertraut gemacht. Es ist in allen Kulturvölkern ohne weiteres anerkannt, dass in solchen Erregungszuständen, wie wir sie gegenwärtig haben, die zuständige Militär- oder Besatzungsmacht nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, ich betone ausdrücklich die Pflicht hat, zum Schutz von Personen und Eigentum das sogenannte Ausnahmezustand zu verhängen. Das ist in der Anordnung des Besatzungskommandanten geschehen. Fügen wir uns der Anordnung, sie ist anerkannten internationalen Rechts! Ihr habt in diesen Punkten eure Meinung festgelegt. Ihr habt eine Kommission gewählt, die verpflichtet ist, zusammen mit der Werkleitung diese eure Anträge durchzuführen! Nun wahren wir aber wirklich Diziplin, gehen an unsere Arbeit und ...
[Aufruhr im Publikum]
[Zwischenrufe:]
Nein!
[Kollege 19:]
Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Anordnung des sowjetischen Militärkommandanten gehört, werden ihr folge leisten.
[einzelner Applaus]
[Zwischenruf:]
Bravo.
[Kollege 19:]
Es liegt jetzt an der Belegschaft: Wird die Arbeit wieder aufgenommen oder nicht?
[Zwischenruf:]
Nein!
[Kollege 19:]
Wer will die Arbeit wieder aufnehmen?
[Zwischenruf:]
Hand hoch.
[Kollege 19:]
Etwa keine zehn Mann.
[Zwischenruf:]
Es möge vortreten, wer sie wieder anfangen will.
[Kollege 19:]
Wir bitten den Kollegen [anonymisiert] noch mal Stellung zu nehmen zu seiner Handlung hier [unverständlich].
[Zwischenrufe:]
[anonymisiert]!
[Kollege 19:]
[anonymisiert]! Bitte das Wort.
Wo ist er?
Komm mal her, du.
[Pfiffe, Aufruhr im Publikum]
[Kollege 20:]
Kolleginnen und Kollegen, ihr wisst meine Stellungsnahme von Anfang an. Ich muss diese Sache verurteilen, denn das ist bloß eine Provokation, das konnten wir schon gestern sehen. Ja, das ist eine Provokation.
[Aufruhr im Publikum; Pfiffe]
[Kollege 20:]
Denn ... Also lasst mich reden.
[Aufruhr im Publikum; Pfiffe]
[Kollege 18:]
Kolleginnen und Kollegen, ihr habt von den Kollegen [anonymisiert] vorhin gehört die Anordnung der Militärregierung. Und ich möchte dazu sagen, dass wir einen Demonstrationszug durch die Stadt nicht machen können, weil wir unter den Anordnungen sonst fallen würden. Aber es steht jedem Kollegen und Kollegin frei an ihrem Arbeitsplatz zu verweilen, arbeiten oder nicht zu arbeiten, also das steht frei, also es heißt ...
[Zwischenruf:]
Zwischenfälle machen wir so oder so [unverständlich]
[Kollege 18:]
Also entweder die Arbeit aufnehmen oder die Arbeit ablehnen, das steht jedem Kollegen frei. Aber ich möchte davor warnen, irgendwie welche Zwischenfälle zu verhüten. Kollegen, ich möchte ganz darauf besonders dringend hinweisen, dass keine Zwischenfälle punkto - äh - umstürzen oder sonst was, irgendwie hier irgendwelcher Kioske oder sowas, in unserem Werk getan wird.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollege [unverständlich].
[Kollege 21:]
Kolleginnen und Kollegen, wir stehen heute in einer Situation, die zweifelos jedem Einezelnen besonders ans Herz geht. Wenn ich hierzu ein paar Worte sage, jetzt in diesem Augenblick, dann glaube ich, darf ich das tun in euer aller Namen.
Ihr wisst, dass durchaus in der Vergangenheit nicht alles so gelaufen ist, wie wir das gewollt haben, und es wird wahrscheinlich - ich nehme das mit Sicherheit an - in den nächsten Tagen, vielleicht in den nächsten Stunden, manches von unserer unternommen Regierung werden, um den Forderungen, die ihr hier präzisiert habt, nachzukommen.
Es kann sein, dass viele von euch meinen Worten nicht glauben, aber ich bitte darum, wir wollen uns in keiner Form zu irgendwelchen Handlungen hinreißen lassen, die irgendwie Nachteile nach sich ziehen.
Wenn ich eine Bitte an euch richten darf, dann möchte ich nur darum bitten, dass wir doch zunächst das, was die Delegation hier erreichen wird, abwarten und dann erst darüber befinden, was weiter geschehen soll.
Ich weiß im Augenblick nicht, ob ich das Vertrauen der Belegschaft besitze, so sprechen zu dürfen, aber ich bitte darum, und das ist mir ernst darum, dass wir uns keiner Unbesonnenheiten, keine Unbesonnenheiten hinreißen lassen. Wenn ich die Bitte an euch richten darf, bevor ihr hier zu einer Abstimmung kommt, dann die, dass wir unsere Arbeit doch wieder aufnehmen wollen. Und wir wollen das Vertrauen in die Werkleitung, vertreten durch Kollege [anonymisiert], und in die von euch gewählte Delegation setzten, dass tatsächlich hier etwas erreicht werden wird. Ich glaube wir können euch versprechen, dass wir im Anschluss daran, sofort euch Bescheid geben, sei es über den Betriebsfunk oder sei es auf eine andere Weise.
Wenn ich persönlich die Bitte an euch richten darf, dann bitte, ich tue es nur deshalb um dem Werk hier in diesem Augenblick tatsächlich helfen zu wollen.
Der Betrieb ist in der Vergangenheit nicht so gelaufen, wie er sollte. Vielleicht trage ich auch daran einen Teil Schuld. Dann bitte ich, mir das ehrlich und offen zu sagen! Ich bin gern bereit, aus den Forderungen, die ihr stellt, von meiner Person aus die Konsequenzen zu ziehen, aber bitte wir wollen uns durch aus nichts zu Schulden kommen lassen, was uns persönlich und dem Ansehen unseres Werkes Schaden zufügt. Bitte, wir wollen darüber abstimmen, wenn es im Interesse liegt, und dann nehmt eure Arbeit wieder auf. Ich möchte tatsächlich helfen, so gut es irgend geht!
[Applaus; Bravo-Rufe]
[Kollege 22:]
Kollegen, die Kollegen die nicht, also die arbeiten wollen, sollen mal die Hand hochheben, die arbeiten wollen!
[Zwischenruf:]
[unverständlich] Die arbeiten wollen [unverständlich] abwarten wollen, bis die Delegation [unverständlich]
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Richtig. Abwarten bis die Deleg- ...
[Kollegin]
Die wollen nicht arbeiten.
[Kollege 23:]
Wer ist denn dagegen, gegen diese Sache? Es waren ja nu einige Stimmen. Dass wir arbeiten oder nicht arbeiten wollen, also ...
[Kollegin:]
Die wollen warten, bis wir zurück kommen.
[Kollege 23:]
Wir wollen abwarten, bis die Delegation zurückkommt und Bescheid kriegen. Wollen wir in der Zeit arbeiten oder nicht? Also, wer ist dagegen, dass wir nicht arbeiten wollen?
[Diskussionen im Publikum]
[Kollege 18:]
Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Delegation gewählt, die zusammen mit der Werkleitung unsere Interessen vertreten soll. Und diese Delegation, zusammen mit der Werkleitung, wird sich sofort zusammentun und über unsere Punkte sprechen. Wir müssen solange abwarten, bis wir ein Ergebnis haben. Und dann können wir, Kolleginnen und Kollegen, meiner Meinung nach, entscheiden was wir tun wollen. Aber wir müssen erst abwarten, was unsere Kollegen, die wir gewählt haben, ja, uns zu sagen haben!
[Applaus]
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, ich glaube damit ist alles gesagt und genau festgelegt worden. Es wäre doch ein Misstrauen gegenüber den von euch selbst gewählten Kollegen, wenn ihr jetzt sagt "nein", "nicht"! Wartet ab, was sie erreichen! Denn sie sind von eurem Vertrauen getragen und eure Wünsche sind in den sieben Punkten genau festgelegt, an die sind sie gebunden!
Stimmt's?
Und wenn sie zurückkommen werden, können wir uns sofort wieder versammeln, ihren Bericht entgegennehmen und dann weitere Beschlüsse fassen, aber ... Habt ihr irgendwelche Bedenken?
[Zwischenruf:]
Jawoll!
[Kollege 24:]
Kolleginnen und Kollegen, ich bin nicht der Meinung, dass was der Kollege [anonymisiert] und auch der Kollege [anonymisiert] gesagt hat. Wir nehmen die Arbeit nicht früher auf, bis dass wir, die Delegation zurückgekommen ist und endgültig Bescheid gegeben hat!
[Applaus]
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, zwei Anträge. Der eine Antrag, die Delegation arbeiten lassen, dann ihren Bericht entgegennehmen und bis dahin an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Ein Antrag.
Der zweite Antrag: Die Arbeit ruhen zu lassen, bis die Delegation getagt hat und zu euch zurückkehrt. Hab ich so richtig gesagt?
[Zwischenruf:]
Jawohl.
[Zwischenruf:]
Bis wir was erreicht haben.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Also diese zwei Anträge stehen jetzt zur Debatte ...
[Zwischenruf:]
Bis wir was erreicht haben!
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
... beziehungsweise zur Abstimmung. Haben wir uns klar ausgedrückt?
[Zwischenruf:]
Nicht bis sie zurückkommen, bis sie was erreicht haben.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Na, das hörst du ja dann, nicht? Das hörst du ja dann.
[Kollegin:]
Wir kommen eh erst zurück, wenn wir was erreicht haben.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kolleginnen und Kollegen, der Antrag an eins: An die Arbeit zu gehen bis die Kommission getagt hat und euch Bericht erstattet. Wer ist dafür?
Eins, zwei , drei, vier, fünf, sechs. Die Gegenprobe.
Danke, erledigt.
Wer ist für den zwoten Antrag? Ich präzisier noch einmal. Die Arbeit ruhen zu lassen, bis die Delegation getagt hat und euch Bericht erstattet?
Wer ist dafür? Die Gegenprobe.
Kollegen, die Anträge sind klar.
Ich empfehle nun der Werkleitung, mit der Kommission zusammen zu arbeiten, und damit wäre unsere Betriebsversammlung geschlossen.
[Zwischenruf:]
[unverständlich] wir müssen den Kollegen oder die Kollegin, die dieses Schild da angeriffen hat [unverständlich].
[Aufruhr im Publikum]
[Zwischenrufe:]
Die das Schild angegriffen hat.
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Wer war denn das?
[Zwischenruf:]
[unverständlich]
[Kollege 18:]
Kollege und Kollegen, ich bitte den Kollegen [anonymisiert] vorzutreten. Komm bitte her.
[Applaus, Pfiffe, Pfui-Rufe]
[Kollege 18:]
Kollegen und Kollegen, der Kollege [anonymisiert] wird darüber eine Erklärung abgeben.
[Kollege 20:]
Kollegen, ich habe meine Vernunft. Ich weiß was, - äh - was daraus wird, denn so hirnverbrannt kann man nicht sein und stur ...
[Aufruhr im Publikum; Rufe]
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Kollegen, damit ist die Betriebsversammlung geschlossen!
[Kollege 18:]
Kolleginnen und Kollegen, hiermit ist unsere Betriebsversammlung geschlossen.
[Zwischenruf:]
Vorläufig geschlossen!
[Zwischenruf:]
Pass auf ...
[Kollegin:]
Den sabbern lassen, der lässt uns auch sabbern.
[Lachen]
[Unverständlich]
Wir nicht! Dafür haben wir unseren Stolz. Wir sind deutsch und wollen Deutsche bleiben. [unverständlich]
[Zwischenruf:]
[Unverständlich] den Rest nehmen sie mit.
[männliche Stimme 5 zum BGL-Vorsitzenden:]
Ist noch im Gange, ja?
Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL):]
Ne, ne [unverständlich].
Bericht des Politikers Otto Buchwitz über die Demonstration im Sachsenwerk Dokument, 6 Seiten
Observation der Massendemonstration am 4. November 1989 Video, 37 Minuten, 26 Sekunden
Stasi-Aufzeichnung der Rede eines Brigadiers in Torgelow während des Volksaufstandes Dokument, 6 Seiten
"Auftrag erfüllt" Video, 1 Stunde, 26 Minuten, 39 Sekunden