Bericht der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt nach Abschluss der Zwangsumsiedlungen 1961
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 12, Bl. 2-4
Bericht des Operativstabs der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die Stimmung der Bevölkerung nach den Zwangsumsiedlungen von Oktober 1961 zur Sicherung der innerdeutschen Grenze.
In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 ließ die SED-Führung die Sektorengrenze nach West-Berlin abriegeln. Dies war eine Reaktion auf die sich im Frühjahr 1961 rapide verschlechternde wirtschaftliche Lage der DDR, zunehmende Versorgungsprobleme und wachsende Flüchtlingsströme. Zehntausende Menschen verließen jeden Monat die DDR in Richtung Westen. Darunter waren vor allem gut ausgebildete junge Arbeiter und Akademiker.
Wenige Wochen nach dem Mauerbau ordnete das Regime weitere Maßnahmen zur Sicherung der innerdeutschen Grenze an. Unter dem Codenamen Aktion "Festigung" wurden tausende Menschen entlang der Grenze, die als politisch "unzuverlässig" galten, zwangsweise umgesiedelt. Diese Personen auszuwählen, war Aufgabe der Stasi.
Nach Abschluss der Zwangsumsiedlungen dokumentierte und analysierte die Stasi regelmäßig die Lage an der Grenze zur Bundesrepublik. Ein solcher Bericht ist auch vom Operativstab der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt überliefert. Der Stimmungsbericht entstand wenige Tage nach der 10. Tagung der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt am 16. Dezember 1961, an der auch Walter Ulbricht teilnahm.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt
- Datum:
- 23.12.1961
Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt
- Operativstab -
Karl-Marx-Stadt, den 23.12.61
Betr.: Lage an der Staatsgrenze West
Im Berichtszeitraum hat sich die Lage an der Staatsgrenze West nicht wesentlich verändert. Nach wie vor wird zu politischen Fragen sehr wenig Stellung genommen und im allgemeinen sehr wenig und vor allem sehr vorsichtig diskutiert.
Eine allumfassende Auswertung der 10. Tagung der Bezirksleitung unserer Partei erfolgte in den Grenzgemeinden noch nicht. Es gab lediglich vereinzelte Diskussionen zu den kadermäßigen Veränderungen in der Bezirksleitung. Debei kam oftmals zum Ausdruck:
"Überall dort, wo Walter Ulbricht auftaucht, wird tüchtig aufgeräumt. - Warum mußte aber erst er kommen, um die Fehler und Mängel aufzudecken?"
In der Gemeinde Grobau Krs. Plauen wird besonders die Ablösung des Gen. [geschwärzt] begrüßt, da er dort immer äußerst überheblich aufgetreten sei. Er solle jetzt einmal LPG-Vorsitzenden machen, um einmal zu erfahren, wie es wirklich in der praktischen Arbeit aussehe.
Wie aus den geführten Gesprächen der Bevölkerung, der Grenzgemeinden hervorgeht, haben sie sich noch immer nicht mit der Sperrzeit ab 21.00 Uhr abgefunden. Man könne sich dadurch nichts mehr vornehmen und in keiner Gaststätte in Ruhe sein Bier trinken, sondern müsse nur sehen, so schnell wie möglich wieder nach Hause zu kommen um die Sperrzeit nicht zu überschreiten. - Derartige Diskussionen treten vor allem an der Staatsgrenze West des Kreises Oelsnitz in Erscheinung.
Ferner besteht nach wie vor oftmals kein Einverständnis der dortigen Bürger mit dem angeordneten Ausbau des West-Kanals aus den Fernsehgeräten. Die Reaktion bei der Lösung