Bericht des FDGB-Parteivorstandes über den Volksaufstand im Bezirk Neubrandenburg
Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 84/53, Bl. 139-140
Der Bericht zeigt, dass der Bezirk Neubrandenburg kein Zentrum des Volksaufstandes war. Insgesamt kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen.
Der Bezirk Neubrandenburg war, wie die anderen Bezirke im Norden auch, kein Zentrum des Volksaufstandes im Jahr 1953. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten. Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen.
Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentlichen Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Metadaten
- Datum:
- 18.6.1953
- Überlieferungsform:
- Dokument
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
Bezirksvorstand Neubrandenburg
Sitz Neustrelitz
Neustrelitz, den 18.06.53
Gutenbergstr.
Ha/Po.
Bericht
über die Situation in den Betrieben des Bezirkes Neubrandenburg nach der Provokation von Berlin
Bei unseren Aussprachen mit dem Gewerkschaftsaktiv in allen Kreisen und mit einigen Kollegen aus den Betrieben am 17.06 haben wir festgestellt, dass es in unseren Bezirk noch ruhig ist. Lediglich im [unterstrichen: Kreisbauhof Neustrelitz], im [unterstrichen: Bahnwagen-Werk Pasewalk] und beim [unterstrichen: Kreisbauhof Templin] - Baustelle Vogelsang - kam es zu Solidaritätserklärungen.
Im Kreisbauhof Neustrelitz konnten die Kollegen durch die Erklärung des wahren Sachverhaltes in der Diskussion davon abgehalten werden, sich mit der Provokation in Berlin solidarisch zu erklären.
Im Bahnwagen-Werk Pasewalk erklärte der [unterstrichen: Kollege [anonymisiert]] unseren Funktionären in der Diskussion über die Erklärung des Polit-Büros, dass es richtig wäre, in Berlin mitzudemonstrieren.
Auf der [unterstrichen: Baustelle Vogelsang], auf der 200 Mitarbeiter des Kreises Templin unter der Oberbauleitung der Bau-Union Potsdam arbeiten, kam es zum [unterstrichen: Streik] unter den Losungen: [unterstrichen: Weg mit den Normen! 50 % Preissenkung der HO! und Freie Wahlen!
In Treptow kam es vor dem Kreisgericht zu einer Ansammlung von Menschen, zum grössten Teil keine Arbeiter, die von 12.30 - 17.00 Uhr die Freilassung der inhaftierten Unternehmer forderten.
[unterstrichen: Schüler der Berufsschule Waren] lehnten morgens die Mitarbeit am Unterricht ab, weil die Lehrer die Situation nicht erklären konnten. In Waren tauchte folgende Diskussion auf, dass die Lehrer und Verwaltungsangestellten in diesem Monat nur 50% ihres Gehaltes ausgezahlt bekommen könnten.
In der [unterstrichen: Fachschule für Bauwesen] in Neustrelitz wurde der Beschluss bekannt, dass für den Monat Juli nur die Hälfte des Stipendium für das Abschluss-Semester auf Anordnung des Ministeriums und Staatssekretariats ausgezahlt werden würde. Diese Anordnung hat in Schule