Signatur: BStU, MfS, BV Gera, X 231/83, Teil II, Bd. 1, Bl. 105-106
Mit dem "Staatsplanthema 14.25" verfolgte die DDR ab 1974 ein staatlich gelenktes Dopingprogramm. Vor allem um in internationalen Wettkämpfen zu bestehen, erhielten Leistungssportlerinnen und -sportler – oftmals unwissentlich – von Trainern und Sportärzten Anabolika und andere leistungssteigernde Substanzen. Die Staatsicherheit sorgte vorrangig für die Geheimhaltung der Dopingprojekte und überwachte die daran beteiligten Personen. Der inoffizielle Mitarbeiter (IM) "Klinner" äußerte in einem Bericht zum Geheimnisschutz im Rahmen des "Komplex 08" seine Bedenken zu Dopingpräparaten, die nicht dem Arzneimittelgesetz entsprachen.
Mitte der 70er Jahre wurden weltweit Doping-Kontrollen im Leistungssport eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt waren die Verantwortlichen der staatlichen Institutionen Leistungssportkommission und Deutscher Turn- und Sportbund bemüht, Dopingkontrollen zu unterwandern. Unter der Tarnbezeichnung "Staatsplanthema 14.25" , integriert im Plan zum sogenannten Sportkomplex ("Komplex 08"), begann die systematische Erforschung von "unterstützenden Mitteln/Maßnahmen" (Dopingpräparate), deren Nachweisbarkeit im Körper verhindert oder zumindest erschwert werden sollte. In den 80er Jahren kamen noch Versuche mit Psychopharmaka und Blutdoping hinzu. Umfassend gedopt wurde im ostdeutschen Spitzensport jedoch schon seit circa Mitte der 60er Jahre – allerdings noch nicht so zentral geplant und koordiniert wie ein Jahrzehnt später.
Die Staatssicherheit hatte dabei die Aufgabe, den Geheimnisschutz der Dopingprojekte zu gewährleisten und die daran beteiligten Personen zu überwachen. Zudem ließ der sportfanatische Stasi-Minister Erich Mielke neue Präparate und Methoden sogar an den Aktiven seines Clubs Dynamo testen, um mehr Medaillen als die anderen DDR-Vereine zu erringen und so sein Prestige und das seines Ministeriums zu steigern.
Das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig leitete die Entwicklung neuer Dopingpräparate. Es arbeitete mit der Forschungsabteilung von Jenapharm und dem Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (ZIMET) zusammen.
Die Forscher waren nur bedingt über die Anwendung der Präparate bei Sportlern informiert. Die Verabreichung der neuen Dopingmittel erfolgte insbesondere an noch minderjährige Athleten meist in getarnter Form als Vitaminpillen, Brausetabletten u.ä. über die Sportärzte und Trainer.
Den Verantwortlichen war bekannt, dass bei den Sportlern irreversible Schäden eintreten konnten. Doch dies wurde im Interesse der weltweiten Erfolge des DDR-Leistungssports und der damit bezweckten politischen Ziele in Kauf genommen. Diese Ziele waren im Sinne der Führung der herrschenden Staatspartei – der SED. Sie bestanden darin, mit den sportlichen Erfolgen dem SED-Regime im eigenen Land eine Legitimation zu verschaffen und im Ausland dessen Reputation zu erhöhen.
Der inoffizielle Mitarbeiter (IM) "Klinner" informierte die Staatssicherheit über "Probleme des Geheimnisschutzes betreffs Komplex 08" und gab in seinem Bericht zu bedenken, dass die "politische Brisanz" des staatlich geförderten Dopings nicht genügend beachtet werde. IM "Klinner" argumentiert, dass das Doping mit ungenügend geprüften Substanzen zu leichtfertig betrieben und bei Bekanntwerden eines Schadensfalles dem internationalen Ansehen der DDR nicht dienlich sei. "Klinner" bezieht sich in dem Text auf den übergeordneten "Komplex 08", meint aber konkret das Staatsplanthema 14.25, welches sich ausschließlich mit Doping beschäftigte und für das er arbeitete.
Information
Probleme des Geheimnisschutzes betreffs Komplex 08
Seit einigen Jahren bin ich im Rahmen des StaatspIanthemas "08" tätig. Im Verlauf meiner Kontakte mit dem Auftraggeber bin ich zu der Auffassung gelangt, daß die Arbeiten zum Thema bzw. die Nutzung der gewonnenen Ergebnisse nicht mit der notwendigen Sorgfalt im Hinblick auf die innewohnende politische Brisanz geführt werden.
Ich begründe diese Meinung wie folgt:
1. Die Arbeiten zum Komplex "08" bilden eine besonders empfindliche Nahtstelle zwischen Sport und internationalem Ansehen. Die Arbeiten zu diesem Komplex berühren Bereiche, die offiziell von allen Sportnationen negiert und öffentlich verurteilt werden. Aus diesem Grunde erscheint es mir unabdingbar, neben den unmittelbaren Belangen des Geheimnisschutzes, v.a. dem Aspekt der Sicherheit der angewendeten Methoden, für den betroffenen Sportler erste Priorität einzuräumen. Dieser Problemkreis ist bisher in leichtsinniger Weise vom Auftraggeber vernachlässigt worden.
2. Es war und ist beim Auftraggeber ( Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport, Sportmedizinischer Dienst der DDR) üblich, Arzneimittel im Sinne der sogenannten unterstützenden Maßnahmen einzusetzen, die nicht nach der in der DDR geltenden Arzneimittelrechtlichen Gesetzgebung geprüft und für die Anwendung am Menschen durch die verantwortlichen staatlichen Behörden freigegeben sind.
3. Für mehrere Substanzen und Arzneifertigwaren, die vom VEB Jenapharm an den Auftraggeber geliefert wurden und die dort zur Anwendung am Menschen gelangten, wurden nicht die grundlegendsten pharmazeutischen, pharmakologischen und toxikologischen Grundregeln eingehalten. Arzneifertigwaren, die eindeutig als "nicht für die Anwendung am Menschen freigegeben" dekIariert waren wurden vom FKS an den SMD zur Anwendung weitergeleitet. [handschriftliche Ergänzung: (durch [anonymisiert], FKS - !)
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Signatur: BStU, MfS, BV Gera, X 231/83, Teil II, Bd. 1, Bl. 105-106
Mit dem "Staatsplanthema 14.25" verfolgte die DDR ab 1974 ein staatlich gelenktes Dopingprogramm. Vor allem um in internationalen Wettkämpfen zu bestehen, erhielten Leistungssportlerinnen und -sportler – oftmals unwissentlich – von Trainern und Sportärzten Anabolika und andere leistungssteigernde Substanzen. Die Staatsicherheit sorgte vorrangig für die Geheimhaltung der Dopingprojekte und überwachte die daran beteiligten Personen. Der inoffizielle Mitarbeiter (IM) "Klinner" äußerte in einem Bericht zum Geheimnisschutz im Rahmen des "Komplex 08" seine Bedenken zu Dopingpräparaten, die nicht dem Arzneimittelgesetz entsprachen.
Mitte der 70er Jahre wurden weltweit Doping-Kontrollen im Leistungssport eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt waren die Verantwortlichen der staatlichen Institutionen Leistungssportkommission und Deutscher Turn- und Sportbund bemüht, Dopingkontrollen zu unterwandern. Unter der Tarnbezeichnung "Staatsplanthema 14.25" , integriert im Plan zum sogenannten Sportkomplex ("Komplex 08"), begann die systematische Erforschung von "unterstützenden Mitteln/Maßnahmen" (Dopingpräparate), deren Nachweisbarkeit im Körper verhindert oder zumindest erschwert werden sollte. In den 80er Jahren kamen noch Versuche mit Psychopharmaka und Blutdoping hinzu. Umfassend gedopt wurde im ostdeutschen Spitzensport jedoch schon seit circa Mitte der 60er Jahre – allerdings noch nicht so zentral geplant und koordiniert wie ein Jahrzehnt später.
Die Staatssicherheit hatte dabei die Aufgabe, den Geheimnisschutz der Dopingprojekte zu gewährleisten und die daran beteiligten Personen zu überwachen. Zudem ließ der sportfanatische Stasi-Minister Erich Mielke neue Präparate und Methoden sogar an den Aktiven seines Clubs Dynamo testen, um mehr Medaillen als die anderen DDR-Vereine zu erringen und so sein Prestige und das seines Ministeriums zu steigern.
Das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig leitete die Entwicklung neuer Dopingpräparate. Es arbeitete mit der Forschungsabteilung von Jenapharm und dem Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (ZIMET) zusammen.
Die Forscher waren nur bedingt über die Anwendung der Präparate bei Sportlern informiert. Die Verabreichung der neuen Dopingmittel erfolgte insbesondere an noch minderjährige Athleten meist in getarnter Form als Vitaminpillen, Brausetabletten u.ä. über die Sportärzte und Trainer.
Den Verantwortlichen war bekannt, dass bei den Sportlern irreversible Schäden eintreten konnten. Doch dies wurde im Interesse der weltweiten Erfolge des DDR-Leistungssports und der damit bezweckten politischen Ziele in Kauf genommen. Diese Ziele waren im Sinne der Führung der herrschenden Staatspartei – der SED. Sie bestanden darin, mit den sportlichen Erfolgen dem SED-Regime im eigenen Land eine Legitimation zu verschaffen und im Ausland dessen Reputation zu erhöhen.
Der inoffizielle Mitarbeiter (IM) "Klinner" informierte die Staatssicherheit über "Probleme des Geheimnisschutzes betreffs Komplex 08" und gab in seinem Bericht zu bedenken, dass die "politische Brisanz" des staatlich geförderten Dopings nicht genügend beachtet werde. IM "Klinner" argumentiert, dass das Doping mit ungenügend geprüften Substanzen zu leichtfertig betrieben und bei Bekanntwerden eines Schadensfalles dem internationalen Ansehen der DDR nicht dienlich sei. "Klinner" bezieht sich in dem Text auf den übergeordneten "Komplex 08", meint aber konkret das Staatsplanthema 14.25, welches sich ausschließlich mit Doping beschäftigte und für das er arbeitete.
4. Ein Präparat, welches erst jetzt auf mein Drängen hin pharmakologisch, toxikologisch und klinisch untersucht wird, wird seit Jahren nach Weiterleitung durch das FKS an den SMD bei Hochleistungssportlern relativ breit eingesetzt. Bis dato liegen noch keine ausreichenden Untersuchungsergebnisse vor, die mit hinreichender Sicherheit garantieren, daß die Anwendung dieser Substanz nicht zu akuten oder chronischen Schädigungen des menschlichen Organismus führt.
Mit großer Leichtfertigkeit werden von den verantwortlichen Genossen beim Auftraggeber etwaige politische Konsequenzen, die sich aus dem Bekanntwerden auch nur eines einzigen Schadensfalles bei einem anwendenden Sportler international unzweifelhaft ergeben würden, in Kauf genommen.
5. Aus meinen Erfahrungen im Rahmen der Arbeiten zum Komplex "08" ist es unabdingbar zu sichern, daß neben den unmittelbaren Fragen des Geheimnisschutzes der Sicherheit bei der Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der sogenannten unterstützenden Maßnahmen höchste Priorität eingeräumt wird. Wenn sich unsere Sportführung zur Nutzung solcher Möglichkeiten entschlossen hat, dürfen Entwicklungskosten keine Rolle spielen. Es ist darauf zu verweisen, daß sich die Kosten allein für die beizubringenden toxikologischen Unterlagen in der Größenordnung von 2 - 3 Millionen Mark bewegen. Diese Größenordnung verlangt vom Auftraggeber eine gründlichere experimentelle Vorarbeit, um mit hinreichender Gewißheit schon relativ frühzeitig die Substanzen zu selektieren, die zur Leistungssteigerung geeignet erscheinen.
Bei der Prüfung am Menschen und im Rahmen der leistungsportlichen Anwendung ist zu sichern, daß die Festlegungen des Arzneimittelgesetzes peinlichst eingehalten werden. Hierzu erscheint es mir notwendig entsprechende Kontrollinstanzen beim Sonderbedarfsträger zu aktivieren bzw., falls nicht vorhanden, zu schaffen.
[Unterschrift]
Klinner
08.12.87
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Tonbandabschrift eines IM-Berichts über eine Beratung beim Stellvertretenden Staatssekretär für Körperkultur und Sport Dokument, 3 Seiten
Information zur Doping-Problematik im Leistungssport der DDR Dokument, 4 Seiten
Dienstanweisung 4/71 über die politisch-operative Arbeit im Bereich Körperkultur und Sport Dokument, 46 Seiten
Information über Diskussionen zum Umgang und zur Anwendung von unterstützenden Mitteln im Leistungssport Dokument, 2 Seiten