Signatur: BArch, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Leiter, Nr. 76, Bl. 1-6
Die SED-Führung maß digitalen Spielen aus ökonomischen und politisch-ideologischen Gründen einen besonderen Stellenwert bei. In den 80er Jahren gab sie die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag, an dessen Entwicklung die Stasi maßgeblich beteiligt war.
In den 80er Jahren erreichte die weltweite Faszination für Computer auch die DDR. Es entwickelte sich eine neue Jugendkultur, deren Anhängerinnen und Anhänger ihre Geräte für eine neue Form der Unterhaltung nutzten: Das digitale Spielen. Diese Entwicklungen hingen eng mit den wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre zusammen. In den 70er Jahren erlebte die Mikroelektronik einen weltweiten Aufschwung. Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees der SED im Juni 1977 erklärte die politische Führungsspitze sie zur Schlüsseltechnologie. Bis 1989 flossen Milliarden in die Mikroelektronik. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) besorgte im Westen die nicht einfuhrgestattete Hard- und Software sowie das nötige "Know-how" für die Produktion und Ausbildung von Fachpersonal.
Um die großen Anstrengungen in der Mikroelektronikindustrie auch personell stemmen zu können, war die DDR auf technisch interessierte und versierte Bürgerinnen und Bürger die Facharbeiter für Datenverarbeitung der Zukunft angewiesen. Wissenschaft und Politik sprachen digitalen Spielen in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert zu. In den Augen der DDR-Staatsführung boten sie die Möglichkeit, junge Menschen für Computer zu begeistern. Auf diese Weise sollten sie an die Mikroelektronik herangeführt werden, die als zukunftsweisend für die Wirtschaft galt. Außerdem galten digitale Spiele wie die Freizeitgestaltung im Allgemeinen als adäquates Mittel, Kinder und junge Erwachsene im sozialistischen Sinne zu erziehen.
Mitte der 80er Jahre gab die SED-Führung die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag. Das Gerät wurde in öffentlichen Einrichtungen, wie im Palast der Republik, aufgestellt und stieß bei den jungen Spielefans in der DDR auf Begeisterung. Um den Erfolg des Millionenprojekts zu garantieren, rief die MfS-Bezirksverwaltung (BV) Karl-Marx-Stadt 1983 im Auftrag der SED-Führung die Entwicklungswerkstätte "Kartell" ins Leben.
"Kartell" betrieb Forschung auf dem Gebiet der Industrie und Konsumgüterproduktion, die Stasi besorgte die nötige Technik aus dem Westen. Außerdem überwachte sie die Produktion im VEB Kombinat Polytechnik und Präzisionsgeräte Karl-Marx-Stadt. Inoffizielle Mitarbeiter hielten das MfS über Probleme auf dem Laufenden und informierten es über Entwicklungen in der Volkswirtschaft.
Denn hinter der Entwicklung des Poly-Play steckten ökonomisches und politisches Kalkül: In der wirtschaftlich angeschlagenen DDR sollten hohe Einspielergebnisse und ein Export der Geräte zur Erfüllung der Wirtschaftspläne beitragen. Außerdem wollte die SED-Führung die Bevölkerung mit dem neuen Unterhaltungsmedium zufriedenstellen und so ganz im Sinne der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" Erich Honeckers zur Stabilisierung des Systems beitragen.
Ein Blick in die Stasi-Unterlagen zeigt, welche Bedeutung die SED-Führung und ihre Geheimpolizei der Entwicklung des Poly-Play beimaßen. Der Leiter der BV Karl-Marx-Stadt, Generalmajor Siegfried Gehlert, erstattete kurz vor Produktionsbeginn Erich Mielke persönlich Bericht über die "Entwicklung eines derartigen hochwertigen Konsumgutes bzw. 'Spielzeuges'" durch Experten-IM.
Insgesamt produzierte die DDR bis 1989 ca. 2.000 Poly-Plays. Auf ihnen konnten von westlichen Videospielautomaten inspirierte Programme, wie "Hase und Wolf", gespielt werden - eine DDR-Kopie des japanischen Klassikers "Pac-Man".
Die materiellen Aufwendungen für einen Spielautomaten liegen unter Berücksichtigung, daß in die ersten Muster handelsübliche Baugruppen, wie zum Beispiel das Fernsehgerät, zum Endverbraucherpreis eingehen, bei ca. 8000,- Mark. Mit der Produktionsüberleitung sinken die Herstellungskosten durch den Einsatz industrieller Baugruppen u. a. separater Bildröhren.
Für den Eigentümer der Spielautomaten ergibt sich bei einer Spieldauer von maximal 3 Minuten, einem Spielbetrag von 0,50 M und einer durchschnittlichen täglichen Nutzungszeit von 8 Stunden eine Einnahme von 80,- Mark pro Tag, 10.000,- Mark in 125 Tagen oder ca. 30.000,- Mark im Jahr.
Vergleichbare, mit Festwertspeicher ausgestattete Erzeugnisse im NSW werden für durchschnittlich 4.000,- DM plus etwa 2.000,- DM für jedes Spielprogramm gehandelt. Der Preis für eine der vorgestellten Lösung entsprechende NSW-Variante mit 4 Spielprogrammen liegt bei ca. 12.000,- DM.
Neben dem Export ins NSW und insbesondere in das SW sollten elektronische Spielautomaten in der DDR im volkswirtschaftlichen Interesse, ähnlich wie in der CSSR, vorrangig an gesellschaftliche Bedarfsträger, bei denen die Benutzung gegen Zahlung von Valutamitteln erfolgt, wie z. B. an Seefahrgastschiffe, Seefähren, Flugplätze, Interhotels und Mitropaeinrichtungen, abgegeben werden. Günstig erscheint darüber hinaus eine Aufstellung in solchen zentralen Einrichtungen, wie Ferienheime, gastronomische Objekte und Warenhäuser, um hohe Einnahmen zu gewährleisten und damit gleichzeitig verschiedenste Spielwünsche aller Bevölkerungsschichten zu erfüllen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BArch, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Leiter, Nr. 76, Bl. 1-6
Die SED-Führung maß digitalen Spielen aus ökonomischen und politisch-ideologischen Gründen einen besonderen Stellenwert bei. In den 80er Jahren gab sie die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag, an dessen Entwicklung die Stasi maßgeblich beteiligt war.
In den 80er Jahren erreichte die weltweite Faszination für Computer auch die DDR. Es entwickelte sich eine neue Jugendkultur, deren Anhängerinnen und Anhänger ihre Geräte für eine neue Form der Unterhaltung nutzten: Das digitale Spielen. Diese Entwicklungen hingen eng mit den wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre zusammen. In den 70er Jahren erlebte die Mikroelektronik einen weltweiten Aufschwung. Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees der SED im Juni 1977 erklärte die politische Führungsspitze sie zur Schlüsseltechnologie. Bis 1989 flossen Milliarden in die Mikroelektronik. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) besorgte im Westen die nicht einfuhrgestattete Hard- und Software sowie das nötige "Know-how" für die Produktion und Ausbildung von Fachpersonal.
Um die großen Anstrengungen in der Mikroelektronikindustrie auch personell stemmen zu können, war die DDR auf technisch interessierte und versierte Bürgerinnen und Bürger die Facharbeiter für Datenverarbeitung der Zukunft angewiesen. Wissenschaft und Politik sprachen digitalen Spielen in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert zu. In den Augen der DDR-Staatsführung boten sie die Möglichkeit, junge Menschen für Computer zu begeistern. Auf diese Weise sollten sie an die Mikroelektronik herangeführt werden, die als zukunftsweisend für die Wirtschaft galt. Außerdem galten digitale Spiele wie die Freizeitgestaltung im Allgemeinen als adäquates Mittel, Kinder und junge Erwachsene im sozialistischen Sinne zu erziehen.
Mitte der 80er Jahre gab die SED-Führung die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag. Das Gerät wurde in öffentlichen Einrichtungen, wie im Palast der Republik, aufgestellt und stieß bei den jungen Spielefans in der DDR auf Begeisterung. Um den Erfolg des Millionenprojekts zu garantieren, rief die MfS-Bezirksverwaltung (BV) Karl-Marx-Stadt 1983 im Auftrag der SED-Führung die Entwicklungswerkstätte "Kartell" ins Leben.
"Kartell" betrieb Forschung auf dem Gebiet der Industrie und Konsumgüterproduktion, die Stasi besorgte die nötige Technik aus dem Westen. Außerdem überwachte sie die Produktion im VEB Kombinat Polytechnik und Präzisionsgeräte Karl-Marx-Stadt. Inoffizielle Mitarbeiter hielten das MfS über Probleme auf dem Laufenden und informierten es über Entwicklungen in der Volkswirtschaft.
Denn hinter der Entwicklung des Poly-Play steckten ökonomisches und politisches Kalkül: In der wirtschaftlich angeschlagenen DDR sollten hohe Einspielergebnisse und ein Export der Geräte zur Erfüllung der Wirtschaftspläne beitragen. Außerdem wollte die SED-Führung die Bevölkerung mit dem neuen Unterhaltungsmedium zufriedenstellen und so ganz im Sinne der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" Erich Honeckers zur Stabilisierung des Systems beitragen.
Ein Blick in die Stasi-Unterlagen zeigt, welche Bedeutung die SED-Führung und ihre Geheimpolizei der Entwicklung des Poly-Play beimaßen. Der Leiter der BV Karl-Marx-Stadt, Generalmajor Siegfried Gehlert, erstattete kurz vor Produktionsbeginn Erich Mielke persönlich Bericht über die "Entwicklung eines derartigen hochwertigen Konsumgutes bzw. 'Spielzeuges'" durch Experten-IM.
Insgesamt produzierte die DDR bis 1989 ca. 2.000 Poly-Plays. Auf ihnen konnten von westlichen Videospielautomaten inspirierte Programme, wie "Hase und Wolf", gespielt werden - eine DDR-Kopie des japanischen Klassikers "Pac-Man".
Unter Zugrundelegung einer Auslastung von täglich 8 Stunden erbringen 100 in der DDR eingesetzte elektronische Spielautomaten jährlich einen Erlös in Höhe bis zu 30 Mio. Mark.
Bis zum Jahresende 1984 werden insgesamt 12 elektronische Spielautomaten in verschiedenen Ausstattungsvarianten produziert. Gegenwärtig wird das aus Abfallspanplatten der Möbelindustrie gefertigte Gefäß des 1. Funktionsmusters, so wie auf beiliegendem Foto gezeigt, durch einen erfahrenen Formgestalter im Design überarbeitet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BArch, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Leiter, Nr. 76, Bl. 1-6
Die SED-Führung maß digitalen Spielen aus ökonomischen und politisch-ideologischen Gründen einen besonderen Stellenwert bei. In den 80er Jahren gab sie die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag, an dessen Entwicklung die Stasi maßgeblich beteiligt war.
In den 80er Jahren erreichte die weltweite Faszination für Computer auch die DDR. Es entwickelte sich eine neue Jugendkultur, deren Anhängerinnen und Anhänger ihre Geräte für eine neue Form der Unterhaltung nutzten: Das digitale Spielen. Diese Entwicklungen hingen eng mit den wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre zusammen. In den 70er Jahren erlebte die Mikroelektronik einen weltweiten Aufschwung. Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees der SED im Juni 1977 erklärte die politische Führungsspitze sie zur Schlüsseltechnologie. Bis 1989 flossen Milliarden in die Mikroelektronik. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) besorgte im Westen die nicht einfuhrgestattete Hard- und Software sowie das nötige "Know-how" für die Produktion und Ausbildung von Fachpersonal.
Um die großen Anstrengungen in der Mikroelektronikindustrie auch personell stemmen zu können, war die DDR auf technisch interessierte und versierte Bürgerinnen und Bürger die Facharbeiter für Datenverarbeitung der Zukunft angewiesen. Wissenschaft und Politik sprachen digitalen Spielen in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert zu. In den Augen der DDR-Staatsführung boten sie die Möglichkeit, junge Menschen für Computer zu begeistern. Auf diese Weise sollten sie an die Mikroelektronik herangeführt werden, die als zukunftsweisend für die Wirtschaft galt. Außerdem galten digitale Spiele wie die Freizeitgestaltung im Allgemeinen als adäquates Mittel, Kinder und junge Erwachsene im sozialistischen Sinne zu erziehen.
Mitte der 80er Jahre gab die SED-Führung die Entwicklung des Videospielautomaten Poly-Play in Auftrag. Das Gerät wurde in öffentlichen Einrichtungen, wie im Palast der Republik, aufgestellt und stieß bei den jungen Spielefans in der DDR auf Begeisterung. Um den Erfolg des Millionenprojekts zu garantieren, rief die MfS-Bezirksverwaltung (BV) Karl-Marx-Stadt 1983 im Auftrag der SED-Führung die Entwicklungswerkstätte "Kartell" ins Leben.
"Kartell" betrieb Forschung auf dem Gebiet der Industrie und Konsumgüterproduktion, die Stasi besorgte die nötige Technik aus dem Westen. Außerdem überwachte sie die Produktion im VEB Kombinat Polytechnik und Präzisionsgeräte Karl-Marx-Stadt. Inoffizielle Mitarbeiter hielten das MfS über Probleme auf dem Laufenden und informierten es über Entwicklungen in der Volkswirtschaft.
Denn hinter der Entwicklung des Poly-Play steckten ökonomisches und politisches Kalkül: In der wirtschaftlich angeschlagenen DDR sollten hohe Einspielergebnisse und ein Export der Geräte zur Erfüllung der Wirtschaftspläne beitragen. Außerdem wollte die SED-Führung die Bevölkerung mit dem neuen Unterhaltungsmedium zufriedenstellen und so ganz im Sinne der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" Erich Honeckers zur Stabilisierung des Systems beitragen.
Ein Blick in die Stasi-Unterlagen zeigt, welche Bedeutung die SED-Führung und ihre Geheimpolizei der Entwicklung des Poly-Play beimaßen. Der Leiter der BV Karl-Marx-Stadt, Generalmajor Siegfried Gehlert, erstattete kurz vor Produktionsbeginn Erich Mielke persönlich Bericht über die "Entwicklung eines derartigen hochwertigen Konsumgutes bzw. 'Spielzeuges'" durch Experten-IM.
Insgesamt produzierte die DDR bis 1989 ca. 2.000 Poly-Plays. Auf ihnen konnten von westlichen Videospielautomaten inspirierte Programme, wie "Hase und Wolf", gespielt werden - eine DDR-Kopie des japanischen Klassikers "Pac-Man".
[Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen elektronischen Spielautomaten. Der untere Teil besteht aus zwei mit Schloss gesicherten Schränken. Darauf steht ein Bildschirm. Vor dem Bildschirm sind zwei Spielbedienelemente zu sehen. Die tiefliegende Seite gleich über dem Bildschirm und die oberste Stirnseite des Automaten sind mit einem Raumschiff, Sternen, und unbekannten Wesen verziert. Ein Rahmen aus Spanplatten bildet die stehend bespielbare Gesamtkonstruktion des Spielautomaten.]
Neuentwickelter elektronischer Spielautomat
Höhe:1,70m
Breite:0,60m
Tiefe :0,60m
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Zur Prüfung des Materials des SPK-Vorsitzenden Gerhard Schürer zum Volkswirtschaftsplan 1989 durch Günter Mittag Dokument, 25 Seiten
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Schreiben Gerhard Schürers an Erich Honecker mit Überlegungen zum Volkswirtschaftsplan 1989 Dokument, 14 Seiten