Bericht über die Veranstaltung "Solidarität mit dem spanischen Widerstand"
Signatur: BStU, MfS, AOP, Nr. 11806/85, Bd. 21, Bl. 88-92
Zusammenfassung einer Solidaritätsveranstaltung für Opfer des spanischen Franco-Regimes: Der DDR-Liedermacher Wolf Biermann sollte daran ursprünglich teilnehmen, erhielt aber keine Reisegenehmigung.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Drüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab.
Im Oktober 1975 wollte Biermann an einer Solidaritätsveranstaltung für Opfer des spanischen Franco-Regimes in Offenbach teilnehmen. Das DDR-Kulturministerium genehmigte die Reise und setzte den Liedermacher darüber telefonisch in Kenntnis. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war darüber jedoch verstimmt. Die SED-Spitze entschied diesen Konflikt zu Gunsten der Geheimpolizei und widerrief die Reisegenehmigung.
Die Veranstalter, die Biermanns Anwesenheit fest eingeplant hatten, thematisierten dessen Fehlen auf der Bühne. Ein Bericht fasst die Veranstaltungen und deren Verlauf zusammen. Im Anhang des Dokumentes befindet sich eine Eintrittskarte für die Stadthalle Offenbach.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Hauptabteilung XX
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 21.10.1975
- Rechte:
- BStU
Im Verlaufe der Veranstaltung traten in den einzelnen Diskussionsreden und kurzen Erklärungen die Angriffe gegen die DDR aber in den Hintergrund. Es wurde im stärkeren Maße auf mögliche Aktionen und Solidaritätsbeweise mit dem antifaschistischen Spanien orientiert. Konkrete Maßnahmen wurden aber nicht festgelegt, sondern durch eine Sprecherin mitgeteilt, daß hierüber die Mitglieder und Sympathisanten über die "Zellen" informiert werden.
Alle Diskussionsredner wurden nur mit dem Vornamen aufgerufen.
Eingeschätzt wird, daß die Veranstaltung vollkommen unter dem Aspekt der Teilnahme von Wolf Biermann geplant war. Dies zeigt sich auch u. a. darin, daß auf der Einladungskarte trotz vieler anderer Diskussionsredner nur Wolf Biermann namentlich genannt wurde. Das 1. Fernsehen der BRD hatte seine Zusage für Aufnahmen nur unter der Bedingung gegeben, wenn Biermann an der Veranstaltung teilnehme. Die Veranstalter sollten hierfür 15 000 DM erhalten. Da Biermann nicht teilnahm, wurden durch das 1. Deutsche Fernsehen auch keine Aufnahmen getätigt.
Anwesend war das Fernsehen des Hessischen Rundfunks, das von den Diskussionsreden Aufnahmen machte.
An einem gesonderten Verkaufsstand wurden durch die Veranstalter Broschüren und Schallplatten mit Liedertexten und Gedichten von Biermann verkauft.
Äußerungen einer Aufsichtsperson der Stadthalle zufolge, hatte die Kriminalpolizei einen Hinweis erhalten, wonach während der Veranstaltung in den Räumen der Stadthalle angeblich eine Bombe explodieren sollte. Die Kriminalpolizei durchsuchte daraufhin u. a. die abgelegte Garderobe der Teilnehmer.
Von den vor der Stadthalle parkenden Kfz konnte nur ein Westberliner PKW mit dem Kennzeichen [anonymisiert] festgestellt werden. Auf Grund des Standortes des PKW wird vermutet, daß dieser einem Organisator der Veranstaltung gehört.