Signatur: BStU, MfS, ZKG, Nr. 858, Bl. 2-3
1976 gründete sich in der BRD die Menschenrechtsgruppe "Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus". Die Gruppe bemühte sich um die Freilassung inhaftierter Künstler und Intellektueller in der DDR, weswegen die Stasi sie als "Feindorganisation" einstufte.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
In der Folge beriefen sich jedoch immer mehr Menschen auf die garantierten Menschenrechte, ermutigt durch die Unterschrift der Staatsführung unter die KSZE-Schlussakte. Es bildeten sich erste Gruppierungen und Bürgerrechtsbewegungen, zahlreiche Menschen stellten einen Antrag auf Ausreise in den Westen. Auch in der BRD fanden sich Unterstützer zusammen, die für die Einhaltung der Menschenrechte in der DDR eintreten wollten. Das MfS beobachtete diese Gruppen genau. Sie vermutete hinter ihren Aktivitäten gezielte Kampagnen der westlichen Regierungen, um die DDR zu destabilisieren.
Eine dieser Gruppen war das "Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus". Der Westberliner Publizist Hannes Schwenger gründete die Gruppe als Reaktion auf die Ausbürgerung von Wolf Biermann und die darauf folgende Verhaftung führender Intellektueller, etwa der Schriftsteller Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger und Friedrich Dürrenmatt, die Schauspielerin Romy Schneider oder der Rechtsanwalt und spätere Politiker Otto Schily. Das Schutzkomitee setzte sich für die Freilassung der inhaftierten Künstler in der DDR ein.
Das MfS stufte die Gruppe als "Feindorganisation" ein, die es zu bekämpfen galt. Die Zentrale Koordinierungsgruppe fasste dazu im vorliegenden Dokument zunächst die Gründung und des Schutzkomitees und seine Ziele zusammen. Darauf folgen zehn Seiten, in denen das MfS minutiös auflistete, welcher Vertreter des Komitees mit welchen DDR-Bürgern Kontakte unterhielt. Das MfS wollte so das "Netzwerk" dieser "Feindorganisation" aufdecken, um dann "operativ" dagegen vorzugehen. Das konnte die "Zersetzung" der Organisation, das Einschleusen von Spitzeln oder strafrechtliche Verfolgung identifizierter DDR-Bürger bedeuten.
Die Aufstellung dieser Kontakte fehlt hier. Sie enthält zahlreiche persönliche Informationen über die Beobachteten, die aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden können.
Zusammenfassender Bericht über die Feindorganisation "Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus"
Die Gründung des "Schutzkomitees für Freiheit und Sozialismus" erfolgte am 10.12.1976 in der Akademie der Künste in Berlin-West im Rahmen einer Pressekonferenz.
Mit der Bildung wurde offensichtlich das Ziel verfolgt, im Zusammenhang mit der zu Wolf Biermann groß angelegten Hetzkampagne gegen die DDR, eine offizielle Plattform zu schaffen.
Als Leiter des "Schutzkomitees für Freiheit und Sozialismus" wurde der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes von Berlin-West
Dr. Schwenger, Hannes geb. am: 26.12.1941
wh.: [anonymisiert]
berufen.
Das Schutzkomitee hat sich die Aufgabe gestellt, unter Berufung auf die Beschlüsse von Helsinki und der Menschenrechte der Vereinten Nationen,
"Schutz der Staatsbürgerschaftsrechte"
"Freie Wahl des Aufenthaltes"
"Ungehinderte Publikation von Literatur"
zu propagieren.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Signatur: BStU, MfS, ZKG, Nr. 858, Bl. 2-3
1976 gründete sich in der BRD die Menschenrechtsgruppe "Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus". Die Gruppe bemühte sich um die Freilassung inhaftierter Künstler und Intellektueller in der DDR, weswegen die Stasi sie als "Feindorganisation" einstufte.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
In der Folge beriefen sich jedoch immer mehr Menschen auf die garantierten Menschenrechte, ermutigt durch die Unterschrift der Staatsführung unter die KSZE-Schlussakte. Es bildeten sich erste Gruppierungen und Bürgerrechtsbewegungen, zahlreiche Menschen stellten einen Antrag auf Ausreise in den Westen. Auch in der BRD fanden sich Unterstützer zusammen, die für die Einhaltung der Menschenrechte in der DDR eintreten wollten. Das MfS beobachtete diese Gruppen genau. Sie vermutete hinter ihren Aktivitäten gezielte Kampagnen der westlichen Regierungen, um die DDR zu destabilisieren.
Eine dieser Gruppen war das "Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus". Der Westberliner Publizist Hannes Schwenger gründete die Gruppe als Reaktion auf die Ausbürgerung von Wolf Biermann und die darauf folgende Verhaftung führender Intellektueller, etwa der Schriftsteller Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger und Friedrich Dürrenmatt, die Schauspielerin Romy Schneider oder der Rechtsanwalt und spätere Politiker Otto Schily. Das Schutzkomitee setzte sich für die Freilassung der inhaftierten Künstler in der DDR ein.
Das MfS stufte die Gruppe als "Feindorganisation" ein, die es zu bekämpfen galt. Die Zentrale Koordinierungsgruppe fasste dazu im vorliegenden Dokument zunächst die Gründung und des Schutzkomitees und seine Ziele zusammen. Darauf folgen zehn Seiten, in denen das MfS minutiös auflistete, welcher Vertreter des Komitees mit welchen DDR-Bürgern Kontakte unterhielt. Das MfS wollte so das "Netzwerk" dieser "Feindorganisation" aufdecken, um dann "operativ" dagegen vorzugehen. Das konnte die "Zersetzung" der Organisation, das Einschleusen von Spitzeln oder strafrechtliche Verfolgung identifizierter DDR-Bürger bedeuten.
Die Aufstellung dieser Kontakte fehlt hier. Sie enthält zahlreiche persönliche Informationen über die Beobachteten, die aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden können.
In der Praxis wollen sie die Aufgabe wie folgt durchsetzen:
Zu diesem Zweck unternimmt das Schutzkomitee verstärkte Anstrengungen, um
Inoffiziellen Hinweisen zufolge, unterhält Schwenger bereits Kontakte zu in der Hauptstadt der DDR befindlichen Stützpunkten, deren Aufgabe darin bestehen soll, Informationen mit eindeutig staatsfeindlicher Zielstellung zu sammeln. So sollen diese Stützpunkte in der Vergangenheit bereits zum Fotografieren bedeutsamer Objekte in der DDR, wie Haftanstalten, Gerichtsgebäude u.a., zum Einsatz gekommen sein. Ebenfalls wurden auch bereits Prozeßunterlagen von DDR-Bürgern nach Westberlin gebracht.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Pressekonferenz Wolf Biermanns nach seiner Ausbürgerung Dokument, 4 Seiten
Brief von Wolf Biermann an Robert Havemann Dokument, 10 Seiten
Information über die Verhaftung eines ehemaligen Vikars wegen "staatsfeindlicher Hetze" Dokument, 5 Seiten
Brief von Jürgen Fuchs an die Kulturkonferenz der FDJ Dokument, 2 Seiten